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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Freitag, 8. Januar 2016; 03:27
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Initiativen/Schule:
> Schulreform: "Stärkung der Autokratie"
Die *Solidar-Werkstatt* führte mit dem Linzer Gymnasiallehrer *Michael
Maurer* ein Gespräch über Fehlentwicklungen in unserem Bildungssystem und
die Herausforderungen für eine Bildungsbewegung.
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Frage: Wie wirkt sich die Sparpolitik im öffentlichen Dienst für dich als
Lehrer aus?
Michael: Ich könnte jetzt viele Einzelheiten aufzählen: Immer noch viel zu
große Lerngruppen (gemessen an den mittlerweile ganz anderen Anforderungen).
Immer noch viel zu wenig Arbeitsplatz für SchülerInnen und LehrerInnen. Zu
wenig Personal im Bereich der sozialen und psychischen Betreuung von
SchülerInnen. Zu wenig technisches Personal - sodass viel Zeit aufgeht, sich
mit schlecht funktionierender EDV herumzuschlagen. Unbezahlte Supplierungen
und schlechterbezahlte Mehrdienstleistungen. Unzureichende Bezahlung von
Nachmittagsbetreuung - weshalb sie oft nur in minimalen Varianten angeboten
wird.
Noch schlimmer ist: Diese Sparpolitik gibt es ja schon seit Jahren - sie ist
zu einer Konstante der österreichischen Bildungspolitik geworden, wenn nicht
zu der Konstante schlechthin. Alle größeren Projekte der letzten Zeit tragen
diesen Stempel. Um die Jugendlichen geht es - allen öffentlichen
Beteuerungen zum Trotz - erst in letzter Linie. Entscheidend ist die
ökonomische Effizienz des Systems. Beim Lehrerdienstrecht liegt das auf der
Hand, bei der Bildungszentralisierung und -standardisierung ist es nicht
schwer zu erkennen. Es gilt sogar für noch gar nicht durchgesetzte Reformen
wie die "Gesamtschule". Auch hier überwiegen bei vielen Befürwortern
letztlich keine humanistischen Motive. Und es bestehen auch keine
fortschrittlichen Konzepte. Warum ist wohl auch die Industriellenvereinigung
dafür?
Die Konsequenz einer so rigorosen Sparpolitik wäre es ja eigentlich, die
Bildungsaufgabe überhaupt abzugeben. Und diese Tendenzen bestehen ja
ohnehin. Privates Edu-Business schielt kräftig nach möglichen profitablen
Bereichen, die derzeit noch öffentliche Sache sind.
Frage: Was hältst du von der soeben beschlossenen Schulreform?
Michael: Das am 17. November 2015 veröffentlichte Papier der
Bildungsreformkommision enthält ja noch wenig Konkretes. Die entsprechenden
Gesetze und Regelungen sollen erst im Lauf des Jahres 2016 geschaffen
werden. Entscheidend ist aber der "Spirit" dieses Papiers. Noch
entschiedener als bisher soll der Bildungsbereich verwertungsökonomischen
Interessen untergeordnet werden. Unter dem Stichwort "Bildungskompass"
beispielsweise sollen die Kompetenzen der Kinder und Jugendlichen
fortlaufender Überprüfung und Dokumentation unterworfen werden - "vom
Kindergarten bis zurm Ende der Schullaufbahn", wie es wörtlich heißt. Es
geht also um die Heranzüchtung von Humanressourcen und nicht um Bildung, wie
ich und viele andere sie verstehen: Eine möglichst freie Entwicklung und
möglichst selbstbestimmte, umfassende, fröhliche Orientierung der jungen
Menschen in dieser oft gar nicht fröhlichen Welt.
Und wieder soll alles noch effizienter werden. Die Botschaft lautet: Die
Schule braucht mehr Controlling und Leadership. Unter dem Stichwort
"Stärkung der Autonomie" wird uns eigentlich eine neue Autokratie verkauft:
Gestärkt werden sollen nämlich nicht die Lernenden und Lehrenden, sondern
das Schulmanagement, bei seiner Aufgabe, die "zentralen Vorgaben der
Bildungsziele" lokal durchzuziehen, was es wiederum in einem "jährlichen
standortbezogenen Qualitätsbericht" nachzuweisen hat. Unappetitliche
Begriffe wie "strategische Planung" und "operative Umsetzung" geistern durch
das Papier. Gegen wen wird da eigentlich gekämpft?
Frage: Ist aber das Schulreformpapier nicht ein möglicher Weg in Richtung
einer echten gemeinsamen Schule?
Michael: Nein, keiner echten. Die "Schule der 6- bis 14-Jährigen", vulgo
"Gesamtschule", taucht in dem Papier zwar auf, wird also immerhin zum Thema.
Aber zugleich soll sie nur in "Modellregionen", die höchstens 15% des
Schulwesens eines Bundeslandes ausmachen, möglich sein. Und ob die
Einrichtung einer Modellregion überhaupt verpflichtend ist, bleibt offen.
Überhaupt sind alle organisatorischen und Finanzierungsfragen einer solchen
gemeinsamen Schule ungeklärt.
Aber genau darauf kommt es natürlich an. Eine Gesamtschule ist potentiell
ein erstrebenswerter Demokratisierungsschritt - im Sinn von erhöhter
Chancengleichheit -, wird aber ohne ausreichende finanzielle Dotierung nicht
funktionieren. Und ohne Ausbau der inneren Demokratie - z.B. mehr Freiheiten
für SchülerInnen, Fächer zu wählen und abzuwählen, z.B.
Schüler/Lehrerversammlungen, die inhaltliche und organisatorische Details
eines Schuljahres vereinbaren, z.B. auf Zeit gewählte Schulleitungsteams, in
die auch SchülerInnen und Eltern einbezogen sind - wird sie letzlich so
unbefriedigend bleiben, wie das derzeitige differenzierte Schulwesen auch.
Diese Demokratie kostet übrigens auch was.
Frage: Was sind deiner Meinung nach die wichtigsten Forderungen im
Schulbereich?
Michael: Für wen ist Bildung da? Na für die Schülerinnen und Schüler, oder?
Also nicht für die LehrerInnen, nicht für die Eltern, nicht für den Direktor
und nicht für die Schulbürokratie und für die Bildungsministerin. Und auch
nicht für die Universitäten und Fachhochschulen und nicht für die OECD und
nicht für Industriellenvereinigung und nicht für den Arbeitsmarkt und nicht
für den Wirtschaftsstandort. Einfach für die Lernenden selbst.
Damit ist eigentlich alles Wesentliche gesagt. Dem muss Schule gerecht
werden: Ausbau der Lern- und Betreuungs- und Förderangebote der öffentlichen
Schulen und der entsprechenden zeitlichen und räumlichen Ressourcen.
Zugleich zeitliche Entlastung der Lehrenden, um mehr Zeit pro SchülerIn zu
haben. In dieser Hinsicht wäre das neue LehrerInnen-Dienstrecht zu
revidieren, das genau das Gegenteil vorsieht. Mehr
Entscheidungsmöglichkeiten der Lernenden, ihr Lernen selbst zu gestalten.
Schule als Ort der Entwicklung und nicht als Ort sozialer Selektion. Was die
Forderung nach einer gemeinsamen Schule ebenso beinhaltet, wie ein
Zurückfahren der derzeit überbordenden Test- und Prüfungskomponenten und
aller damit verbundenen Maßnahmen der Zentralisierung und Normierung.
Kurz gesagt: Mehr Geld und mehr wirkliche Selbstbestimmung in die Schulen.
Frage: Du arbeitest auch bei der kürzlich gegründeten Bildungsinitiative OÖ
mit. Was sind die nächsten Aktivitäten?
Michael: Wir haben vor, am 2. Februar eine Demonstration in Linz zu
veranstalten, bei der alle Betroffenen unter dem Motto "Öffentliche Bildung
ist ein Menschenrecht" ihre Stimme für eine ordentliche Finanzierung und
deutliche Demokratisierung des öffentlichen Schulwesens erheben sollen.
Demos allein sind aber natürlich zuwenig. Die Interessensvertretungen der
Betroffenen müssen diese Ideen aufgreifen und mit allen ihren Mitteln für
ihre Umsetzung eintreten. Dazu wird es aber nötig sein, dass sich die
betroffene Basis vernetzt, dass z.B. schulübergreifende LehrerInnenkomitees
entstehen, die gemeinsam mit Schüler- und Elterninitiativen Druck auf die
Gewerkschaftsspitzen ausüben. Daher sollten wir meiner Meinung nach den
Schwerpunkt auf Aktivitäten und Mobilisierungen legen, die diese
Basisvernetzung fördern.
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Quelle:
http://www.werkstatt.or.at/index.php?option=com_content&task=view&id=1399&Itemid=1
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