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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Freitag, 8. Januar 2016; 03:39
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> Kommentierte Presseschau:
Glaubensfragen I
Ach ja, diese Studien! Immer ein Quell der Erheiterung, vor allem in ihrer
Form als Pressemitteilung oder den daraus entstehenden Zeitungsartikeln.
"Gläubige Kinder sind hilfsbereiter und friedlicher" titelte da einmal "Die
Welt" -- allerdings schon 2014. Im Artikel heißt es: "Bei den
repräsentativen Umfragen stellten die Wissenschaftler den Kindern Fragen zu
ihrem Glauben, zur Normakzeptanz und Gewaltbereitschaft. Das Ergebnis: 43
Prozent der Kinder, die an den christlichen Gott glauben, gaben an, ganz
sicher etwas von ihrem Taschengeld für Arme abgeben zu wollen: Bei den nicht
gläubigen Kindern waren es hingegen nur 26 Prozent. 72 Prozent der gläubigen
Kinder finden es nicht in Ordnung, über ein anderes Kind zu lästern - bei
nicht gläubigen Kindern sind es 65 Prozent. Und 81 Prozent der gläubigen
Kinder wären auf keinen Fall bereit, aus Spaß ein anderes Kind zu schlagen -
bei den nicht gläubigen Kindern gaben das 76 Prozent an." Allerdings konnte
selbst ein Autor von "Welt" nicht ganz umhin, da ein bisserl skeptisch zu
sein. Schlußsatz des Artikels: "Allerdings bleibt die Frage offen, ob die
Kinder im Alltag auch wirklich nach diesen Werten handeln - oder womöglich
nur die Antworten gaben, von denen sie wussten, dass sie von gläubigen
Menschen wie ihnen schlichtweg erwartet werden."
http://www.welt.de/article127336105
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Glaubensfragen II
Andere Studien kommen oft zu anderen Ergebnissen -- manchmal sogar zu
komplett Gegenteiligen: " Religion macht uns nicht moralischer" titelte da
"Der Standard", noch deftiger das Wissenschaftsportal
forschung-und-wissen.de: "Religion macht Kinder unsozial und intolerant".
Zitat "Forschung und Wissen": "An über 1.000 Kindern aus verschiedenen
Kulturkreisen haben Forscher nun nachgewiesen, dass religiös erzogene Kinder
unsozialer sind als atheistisch erzogene Kinder. So teilen christlich und
muslimisch erzogene Kinder seltener mit Altersgenossen, wollen im Gegenzug
aber unsoziales Verhalten härter bestrafen. Je religiöser die Familien
waren, desto ausgeprägter war dieses Verhalten zu beobachten." In dieser
Studie befragte man Kinder aus fünf verschiedenen Ländern nicht einfach über
ihre Moralvorstellungen, sondern testete sie: "In einem ersten Spiel sollten
die Kinder eigenständig entscheiden, wie viele Sticker sie mit einem ihnen
unbekannten Kind mit demselben ethnisch-religiösen Hintergrund teilen
wollten. Im zweiten Teil des Experiments sahen die Kinder einen kurzen Film,
in dem ein Schauspieler einen anderen Schubste. Anschließen sollten die
Kinder bewerten, ob die Handlung moralisch in Ordnung war oder nicht und wie
der Schubser bestraft werden sollte." Ergebnis: "Am knickrigsten waren die
Kinder der beiden großen Weltreligionen: Christen und Muslime. Zudem
stellten die Forscher fest, je gläubiger ein Kind erzogen wurde, desto
geiziger war es." Und die Erkenntnisse aus den Reaktionen auf das Video:
"Religiös erzogene Kinder fanden den Aggressor wesentlich gemeiner oder
böser als ihre Altersgenossen aus atheistischen Familien. Gleichzeitig
forderten vor allem die muslimischen Kinder eine deutlich härter Bestrafung
des Täters."
Den Studienautor Jean Decety von der University of Chicago zitiert das
Wissenschaftsportal so: "Frühere Studien haben schon gezeigt, dass religiöse
Menschen keineswegs per se besser sind als ihre nichtreligiösen Gegenparts.
Wir gehen nun darüber hinaus und belegen, dass religiöse Menschen - und auch
ihre Kinder - sogar weniger altruistisch sind." Die Studienergebnisse aus
dem zweiten Teil des Experiments würden zudem bestätigen, daß religiöse
Menschen intoleranter gegenüber anderen Menschen seien.
Vorsichtiger formuliert das hingegen der Standard-Artikel über die selbe
Studie. Dort heißt es im Schlußsatz: "Letztlich liefert die Studie
gewichtige Argumente in der Frage, in welche Richtung die zunehmende
Säkularisierung der westlichen Gesellschaft moralisches Handeln beeinflusst.
Zumindest für Decety und seine Kollegen ist die Antwort klar: Ihrer Meinung
nach wirkt sich gelebte Religion tendenziell eher negativ auf die Moral
aus."
http://derstandard.at/2000025163557
http://www.forschung-und-wissen.de/nachrichten/psychologie/religion-macht-kinder-unsozial-und-intolerant-13372250
KurzURL: http://tinyurl.com/akin01GLAUB2
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Glaubensfragen III
Apropos Glaubensfragen und forschung-und-wissen.de. Dort findet sich auch
ein spannender Artikel über eine Studie, die sich mit
"Verschwörungstheoretikern" beschäftigt. Überraschende Headline: "Menschen,
die an Verschwörungstheorien glauben, sind vernünftiger". Auch wenn der
Zeitungsleser da etwas skeptisch ist, ist der Einwand der hier zitierten
Studie durchaus überlegenswert. "Eine Forschergruppe aus den U.S.A. und
Großbritannien, hauptsächlich bestehend aus Psychologen und
Gesellschaftswissenschaftlern, haben eine neue Studie vorgestellt, welche
darauf schließt, dass Verschwörungstheoretiker entgegen allen
Mainstream-Stereotypen vernünftiger sind als Menschen, welche die offizielle
Version nicht hinterfragen und umstrittene (...) Ereignisse einfach
akzeptieren." Die Studien Autoren hatten -- laut diesem Medienbericht -- vor
allem den Grad der Aggression in Internetforen untersucht: "In der Studie
heißt es, dass 'Menschen, welche die offizielle Darstellung über den 11.
September favorisierten, im Allgemeinen einen feindseligeren Ton anschlugen,
wenn sie versuchten, Andersdenkende zu überzeugen'. Diese Menschen schlugen
in ihren Kommentaren nicht nur einen feindseligen Ton an, sie halten die
offizielle Version oftmals sogar für unanfechtbar wahr - anders als die
Verschwörungstheoretiker, die oftmals weiteren Theorien offen gegenüber
stehen. Dies hängt auch damit zusammen, dass die Verschwörungstheoretiker
gar nicht behaupten, dass sie die Wahrheit zu den Geschehnissen des 11.
Septembers kennen. Sie zweifeln lediglich die offizielle Version der
Regierung an - und das mit Argumenten, welche wiederum von der anderen Seite
fehlen."
Naja, der Zeitungsleser hat da schon auch andere Erfahrungen gemacht mit den
diversen Infokriegern -- dennoch: Unsympathisch ist es nicht, wenn Menschen,
die offizielle Darstellungen anzweifeln -- und bisweilen auch recht
abenteuerliche Thesen von sich geben -- einmal positiver dargestellt werden
als Leute, die jeden Scheiß einfach so glauben, nur weil er von oben kommt.
Allerdings sollte man sich deswegen weder auf die Verschwörungstheorien noch
auf Nachrichtenportale wie dieses so ohne weiteres verlassen. Denn es ist
nunmal alles sehr kompliziert. Und natürlich eine Glaubensfrage.
http://www.forschung-und-wissen.de/nachrichten/psychologie/menschen-die-an-verschwoerungstheorien-glauben-sind-vernuenftiger-13372102
KurzURL: http://tinyurl.com/akin01GLAUB3
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Den Erben nichts Böses
Nachrufe sind eine komische Sache. Man will ja nix Böses über Verblichene
sagen, aber bei Nachrufen auf Menschen, die in der Politik prominent
geworden sind, steht man da oft vor der Wahl, ob man jetzt trauermäßig
zurückhaltend sein soll oder vielleicht doch ehrliche politische
Einschätzungen abgeben -- schließlich ist ein wie auch immer beschaffenes
politisches Erbe vorhanden und das muß man ja auch irgendwie kritisch
beleuchten. Aufgefallen ist das jetzt bei den Nachrufen auf Freda
Meissner-Blau, der "Gallionsfigur" oder gar "Integrationsfigur" der Grünen
in ihrer ersten Parlamentszeit.
Wenn ich an FMB denke, fallen mir zuallererst zwei Geschichten ein. Die eine
ist jene von der turbulenten KandidatInnenkür für die Wiener Landesliste zu
den Nationalratswahlen 1986. Da war ja ausgemacht von den
Führungspersönlichkeiten, daß FMB ganz selbstverständlich auch diese
Landesliste anzuführen hätte. Es kam dann aber bei dieser Landesversammlung
der "Grünalternativen Sammlung" doch zu einer richtigen Wahl -- die FMB
nicht gewann. Sie war darüber so erbost, daß sie einen Kreislaufkollaps
erlitt und zwei Tage später im Mittagsjournal von einem "Putsch" sprach.
Diese Auseinandersetzung führte dazu, daß jene Teile der ALW, die sie nicht
an vorderster Front wollten, von der gemeinsamen Kandidatur mehr oder
weniger ausgeladen worden waren -- was in Wien nicht nur zu einer
erfolglosen Abspaltungskandidatur führte sondern generell auch zu einer
extremen Schwächung der Linken innerhalb der Grünen in ihrer Anfangsphase
als Parlamentspartei, von der sich diese bis heute nicht ganz erholt hat.
Die andere Geschichte spielte mehr als ein Vierteljahrhundert später. 2013
kam FMB plötzlich auf die Idee, nicht mehr die Grünen, sondern die kleine
Gruppierung "Der Wandel" für die Nationalratswahl zu unterstützen. Dann
wurde sie von höchster Grüner Stelle ordentlich bearbeitet, erklärte
daraufhin, ungültig zu wählen, um letztlich doch zu verkünden, die Grünen zu
wählen -- mit Vorzugsstimme für Karl Öllinger.
Zugegeben: Ich habe nicht alle publizierten Nachrufe gelesen, aber doch so
einige. Und über FMB gibt es sicher viel zu erzählen. Aber daß diese beiden
Geschichten, die ich zuallererst mit Freda assoziiere, in keinem einzigen
der Nachrufe, deren ich ansichtig geworden bin, erwähnt werden, ist schon
interessant. Schließlich wären gerade diese beiden Geschichten beispielhaft
gewesen um die widersprüchliche, aber sich auch wandelnde politische
Persönlichkeit Freda Meissner-Blau zu charakterisieren.
Aber was haben diese beiden Affären gemeinsam? Sie sind beide ziemlich
peinlich -- irgendwo auch für FMB, aber vor allem für die Grüne Partei.
Es ist schon schön, wenn man mit "De mortuis nil nisi bene" gleich auch
heute aktive Politikerinnen und Politiker schonen kann...
Einige der Nachrufe:
https://www.gruene.at/themen/demokratie-verfassung/wir-trauern-um-unsere-parteigruenderin-freda-meissner-blau
KurzURL: http://tinyurl.com/akin01FMB
http://diepresse.com/home/4893199/
http://derstandard.at/2000028006483
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Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die Berichte auf die
Online-Ausgaben
der zitierten Medien. Zeitungsleser: -br-
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