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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 9. Dezember 2015; 17:38
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Polizei/Recht/Kommentar:

Staatsschutzgesetz: Praktisch nur kosmetische Änderungen

Der AKVorrat zur geänderten Vorlage für das PSTSG

In einer Pressekonferenz am Sonntagmorgen (29.11.) haben die Vertreter der
Regierungsparteien im kleinen Kreis eine Einigung zum geplanten
Staatsschutzgesetz präsentiert. Statt Einbindung von Opposition und
Interessensvertretungen, die sich im Zuge des Entstehungsprozesses zu Wort
gemeldet haben, wurde hinter verschlossenen Türen verhandelt. Anstelle von
richterlichem Rechtsschutz und wirksamer parlamentarischer Kontrolle des
Staatschutzes haben die Regierungsparteien vor dem Innenministerium und den
Wünschen ausländischer Geheimdienste kapituliert. Die geplanten Änderungen
sind vor allem kosmetisch und ändern nichts an der substantiellen Kritik des
AKVorrat. Begrüßenswert ist einzig die zentrale Koordination des
Staatsschutzes durch das Bundesamt. Statt zehn verteilten Behörden gibt es
künftig nur noch ein Bundesamt mit neun Zweigstellen in den Ländern.

"Der medial als Dreiersenat angekündigte Rechtsschutz findet sich gar nicht
im Änderungsantrag, der Rechtsschutzbeauftragte hat lediglich mit seinen
Stellvertretern 'eine einvernehmliche Vorgangsweise anzustreben' (§91a Abs.
2 PSTSG) und einer dieser Stellvertreter muss eine richterliche Berufspraxis
haben. Mit der von uns geforderten richterlichen Kontrolle hat dies nichts
zu tun. Offenbar hat die Regierung heuer beim Bankenpaket selbst erkannt,
dass die Kombination von Rechtsschutzbeauftragtem und Richtervorbehalt
notwendig ist. Der neue Inlandsgeheimdienst hat weitreichendere
Eingriffsbefugnisse und trotzdem gibt es hier einen geringeren Rechtsschutz.
Hier zeigt sich wie unausgegoren dieses Gesetz immer noch ist", sagt
Christof Tschohl vom AKVorrat.

Kapitulation der Regierung vor den Wünschen der Geheimdienste

In der Praxis wird sich am Rechtsschutz kaum etwas ändern. Der
Änderungsantrag sieht gar keine gemeinsame Entscheidungsfindung vor, sondern
verlangt lediglich, dass der Rechtsschutzbeauftragte sich in grundsätzlichen
Fragen zum Staatsschutz mit seinen Stellvertretern "abstimmen" soll. Im
Übrigen gab es das verwandte Modell der "Kollegialorgane" mit richterlichem
Einschlag in Österreich bereits während der vergangenen 25 Jahre und es
wurde mit der großen Verwaltungsreform im Vorjahr aus gutem Grund
abgeschafft.

Statt der nötigen parlamentarischen Kontrolle des neuen Geheimdienstes
bleibt auch hier alles beim Alten. Die einzige Änderung beschreibt nur, was
jetzt schon gelebte Praxis im bestehenden parlamentarischen Unterausschuss
ist, und bringt keine neue Kontrolle. Damit kann der Unterausschuss im
Parlament weiterhin nur im Anlassfall und nur mit den Stimmen der
Regierungsparteien prüfen. Minderheitenrechte, eine routinemäßige Kontrolle
oder mehr Transparenz gibt es also nicht.

Rein kosmetische Verbesserungen trotz massiver Verfassungsbedenken

Positiv zu bemerken ist, dass nun statt zehn föderalen nur noch eine
zentrale Staatsschutzbehörde geplant ist. In diesem einen Punkt hat sich die
SPÖ gegen die ÖVP scheinbar durchgesetzt. Beim Datenschutz und den V-Leuten
wurde überhaupt nicht nachgebessert. Die Analysedatenbank mit den extrem
langen Speicherfristen verstößt nach der Ansicht des AKVorrat weiterhin
massiv gegen Verfassungsbestimmungen.

Nach den großen Ankündigungen der Klubobmänner Lopatka und Schieder reichen
diese Änderungen bei Weitem nicht aus. Alle Parteien sind sich einig, wie
heikel diese Materie ist und dass man hier massiv in die Grundrechte der
Bevölkerung eingreift. Ohne weitere Nachbesserungen überlegt sich der
AKVorrat deshalb gegen das geplante Staatsschutzgesetz eine Verfassungsklage
einzureichen.

Die Kampagne des AKVorrat gegen das geplante Staatsschutzgesetz wird damit
weitergeführt. Mittlerweile haben mehr als 20.000 Menschen die Petition
unterzeichnet, deren Forderungen nach wie vor nicht erfüllt sind.
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Petition: http://www.staatsschutz.at

Rotschwarze Neufassung im Wortlaut:
https://www.staatsschutz.at/docs/PSTSG-Vergleich%20RV-Innenausschuss-2015-11-30.pdf
KurzURL: http://tinyurl.com/akin26STAPO



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