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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 25. November 2015; 17:26
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Paris/Polizei/OeVP/Glosse:

> Es ist verboten zu verbieten!

Die Spitzen der Österreichischen Volkspolizei sprechen sich gegen
Denkverbote aus
und erkennen Wirtschaftsflüchtlinge physiognomisch. Aber: Wie wird man
eigentlich Dschihadist und wie lange bleibt man das?
*

Am 1. Dezember soll im Innenausschuß des Nationalrats das berüchtigte
Staatsschutzgesetz abgesegnet werden. Nach den Anschlägen von Paris
erscheint das ja beinahe schon wie eine gmahte Wiesn. Nebst einigen anderen
Bedenklichkeiten paßt da die weiterführende ÖVP-Idee der Fußfessel resp.
Hausarrest für "Dschihadisten" wie der Schlüssel zum Schloß, wenn die
Behörden laut Staatsschutzgesetz schon bei "wahrscheinlichen
verfassungsgefährdenden Angriffen" mit allen Befugnissen zur "erweiterten
Gefahrenforschung" ausgestattet werden -- denn man muß "Dschihadisten"
schließlich irgendwie als solche deklarieren können, damit man sie in
Hausarrest nehmen kann. Es geht ja eben gerade nicht um Menschen, die
tatsächlich in einem dringenden Tatverdacht stehen -- weil die könnte man
auch in einem Rechtsstaat problemlos in Haft nehmen. Polizeiministerin
Mikl-Leitner im Ö1-Mittagsjournal am 23.11. zur Zielgruppe: "Es stehen alle
im Focus, von denen eine Gefahr ausgeht." Nachfrage des Interviewer: "Müßte
aus ihrer Sicht ein konkreter Verdacht, daß jemand eine Tat verübt,
vorliegen, oder könnte das auch etwas Diffuseres sein, eine Annahme
vielleicht, da könnte jemand etwas machen?" MiLei: "Es geht vor allem um
jene Personen, wo keine U-Haft verhängt werden kann; es geht hier um
ergänzende Maßnahmen." Der Interviewer versucht mehrmals die Ministerin
darauf hinzuweisen, daß es von verfassungsrechtlicher Seite schwere Bedenken
gibt, Haftmaßnahmen wie Hausarrest und Fußfessel ohne entsprechenden
Haftgrund zu verhängen -- womöglich auch noch ohne richterlichen Beschluß.
Doch MiLei fällt dazu immer nur ein, es dürfe "da keine Denkverbote geben".
Einem Mantra gleich formuliert die Innenministerin das wörtlich dreimal so
in diesem doch recht kurzen Interview. Und außerdem habe sie da auch die
Expertenmeinung von einem Professor Beer, der ihr in dieser Frage recht
gäbe. Blöd halt nur, daß dieser Siegfried Beer kein Verfassungsrechtler ist
sondern Historiker, der sich hauptsächlich mit Geheimdienstarbeit
beschäftigt -- und das offensichtlich recht affirmativ, wie man erfahren
konnte, wenn man ihn in der ZiB2 (ebenfalls am Montag) gehört hat.

Bis jetzt dürfte MiLei aber noch niemand gefragt haben, wie lange man denn
nach ihren Vorstellungen fußgefesselter Dschihadist bleiben muß. Immerhin
ist eine U-Haft ja nur begrenzt möglich und selbst eine gerichtliche
Haftstrafe endet irgendwann und zwar vorhersehbar. Bei einer solchen
administrativen Beschränkung aber, bei der es nicht einmal einen Richter
brauchen soll und damit auch keine Haftprüfung, müßte man schon fragen: Wann
ist man kein Dschihadist mehr, von dem eine Gefahr ausgeht, und wer
beurteilt das? Auch die Polizei? Lebenslang Hausarrest ohne Urteil? Warum
auch nicht? Darüber wird man ja noch nachdenken dürfen!

Lopatka umgedreht?

Von wem geht schon garantiert keine Gefahr aus? Geht das Problem nicht bis
in MiLeis eigene Partei hinein? Völlig ungefährlich erschien bisher Reinhold
Lopatka, ÖVP-Klubobmann. Der twitterte am 14.11.: "Leider schränkt der
notwendige Kampf gegen den Terror auch unsere Bürgerrechte ein. Wir müssen
aber alles tun, um weitere Tote zu verhindern." Darauf gab es heftige
Proteste im Netz von linken Gutmenschen. Zwei Tage später der Nämliche:
"Schweigeminute zum Gedenken an die Terror-Opfer von Paris. Freiheit &
Demokratie sind unverhandelbar!" Uh! Die haben den jetzt doch in 48 Stunden
glatt umgedreht und radikalisiert! Wenn das mal seine Innenministerin liest!
Müssen wir nicht "alles" tun? Und ist diese Unverhandelbarkeit nicht schon
ein Denkverbot?

Schützenhöfer hellsichtig

Unverhandelbar ungefährlich ist aber wohl der steirische Landeshauptmann
Schützenhöfer, eine wahrhafte Stütze der Österreichischen Volkspolizei! Der
meinte in einem Kurier-Interview am 21.11.: "Wer Asyl bekommt, muss Deutsch
lernen; er muss die Demokratie, unsere Kultur und Frauen respektieren; er
darf unsere Religion nicht bekämpfen. Wenn jemand gegen einen dieser Punkte
verstößt, dann ist er abzuschieben." Er meint damit natürlich jene
Demokratie und Kultur, in der man ganz liberal über Menschenrechte und
Rechtsstaatlichkeit nachdenken darf, und mit "unserer Religion"
selbstverständlich das Christentum. Schließlich sind wir ja alle
Jesus-Jünger. Ach so, stimmt ja, ich nicht! Der Staatsschutz könnte sogar
auf die Idee kommen, mit meinem missionarischen Atheismus würde ich das
Christentum bekämpfen. Werde ich jetzt abgeschoben oder krieg ich eine
Fußfessel?

Außerdem hat Schützenhöfer den asylrechtlichen Röntgenblick: "Ich bin oft an
der Grenze in Spielfeld und Radkersburg. Wenn Sie ins Flüchtlingszelt gehen,
sehen Sie nicht nur Kriegsflüchtlinge, sondern immer mehr
Wirtschaftsflüchtlinge." Also das ist dann schon eine Erleichterung für die
Asylbehörden: Die Einzelfallprüfung der Fluchtgründe entfällt -- man kann
einfach den Schützenhöfer fragen. Vielleicht erkennt der ja auch
Dschihadisten auf den ersten Blick -- da bräuchte man dann nicht einmal mehr
den Staatsschutz.

Ich verstehe, warum Strache eine Gefängnisinsel für Dschihadisten fordert --
die ÖVP in der Kategorie Jenseitigkeit zu toppen ist heutzutage nicht so
einfach...
*Mario Czerny*



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