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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 11. November 2015; 08:10
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Lesestoff:

> Keine Demontage eines Antifaschisten

Ullrich Weinzierl
Stefan Zweigs brennendes Geheimnis
Paul Zsolnay Verlag Wien 2015. 286 Seiten. 20,50 Euro

Wer hat nicht Stefan Zweig -- in der Schule -- gelesen?! Wer hat nicht von
seinem Selbstmord im fernen Brasilien gehört ?! Aber wer weiß schon, daß
Zweig ein "brennendes Geheimnis" hütete, das ihm Lust und Qual zugleich
bereitete: daß er Exhibitionist war.

Ulrich Weinzierl hat nun ein gut recherchiertes Buch geschrieben, daß sich
auch dieser "Schattenseite" des bedeutenden bürgerlichen Schriftstellers
widmet. Nicht um "pikante Enthüllungen " zu präsentieren, sondern um die
Widersprüchlichkeit der Zweigschen Charakterstruktur zu zeigen.

Zweig hat in seinem männlichen Narzissmus Frauen reihenweise "konsumiert".
Er war ein absoluter Kenner des Liebeslebens, ließ nichts anbrennen. Seine
erste Frau war für ihn sein "Oberhaserl" (Originalton), daneben hatte er ein
stattliche Anzahl von "Unterhaserln".

Wie in Kakanien weit verbreitet (man/frau denke etwa nur an den
Kaffeehausliteraten Peter Altenberg) , war auch ihm die Lust am ganz jungen
weiblichen Geschlecht nicht fremd. (Damals waren die Hälfte der
GunstgewerblerInnen Minderjährige!)

Anders als gelegentlich vermutet/behauptet, war Zweig -- im Gegensatz zu
Thomas Mann -- nicht (latent) homosexuell. Diese Annahme erfolgt nicht
zuletzt wegen Zweigs Novelle "Verwirrung der Gefühle", wo er mit großem
Einfühlungsvermögen das Thema Gleichgeschlechtlichkeit behandelt. "
Weinzierl zeigt dies in dem umfangreichen Kapitel "Verwirrung der Gefühle?"
(S.83ff ) und kommt zu der Einschätzung, daß es allerdings homoerotische
Komponenten gegeben hat, z. B. den "pädagogischen Eros" gegenübern
männlichen Verehrern und Schülern (S. 138 ff).

Aber Zweig war Exhibitionist: er entblößte sich in diversen Wiener Parks und
in Schönbrunn vor Mädchen und Frauen. Er zog einerseits daraus Lustgewinn-
auch bei der (glücklich überstandenen) Entdeckung seiner "Perversion",
anderseits litt er darunter schrecklich und schämte sich. Weinzierl deutet
Zweigs ständiges Bemühen sich an "großen, hehren, reinen" Charakteren zu
orientieren und selbst zu solch einer "Autorität" zu werden, als Versuch
sein "brennendes Geheimnis" zu konterkarieren.

Warum das alles? Um einen großen, antifaschistischen Schriftsteller zu
demontieren?? Mitnichten.

Das Buch schließt mit einer tiefen Würdigung des literarischen Schaffens und
politischen Wirkens von Stefan Zweig. Aber es wird eben nicht die
Komplexheit seiner Persönlichkeit unter den Teppich gekehrt. Solch
differenzierte Sichtweise ist gerade heute wichtig, wo es angesichts der
kombinierten Krisen des Kapitalismus weider verstärkt die Sehnsucht nach
"Eindeutigkeit", "klarer Identität" oder -- unverblümt -- "rettenden starken
Männern" gibt. Wie Freud entdeckte und Schnitzler formulierte, ist die
"Seele ein weites Land". Hoffnung kann es nur geben, wo aus Es Ich wird --
politisch gesagt: durch bewußte, kollektive, solidarische EIGENaktivität und
nicht durch Anlehnung an vorgebliche "Retter".
*Hermann Dworczak*



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