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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 4. November 2015; 15:27
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Glosse/International:
> Die Araber als die "wahren Nazis"?
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu hat den Neonazis dieser Welt 
ein unerwartetes Geschenk bereitet, als er in einer Rede vor dem 
Zionistischen Weltkongress behauptete, Hitler hätte die Juden bloß 
vertreiben, nicht aber ermorden wollen, wäre jedoch vom früheren Großmufti 
von Jerusalem, Amin al-Husseini, zum Völkermord sozusagen überredet worden. 
Dieser Großmufti war zwar ein großer Fan der Nazis und hatte versucht, im 
britischen Mandatsgebiet eine Pro-Nazi-Regierung zu errichten, und er war 
nachgewiesenermaßen ein Vernichtungsantisemit, aber unter seriösen 
Historikern besteht Einigkeit darüber, dass er keinerlei realen Einfluss auf 
Hitler ausübte und schon gar nicht der wirkliche Inspirator des Holocaust 
war. Hitler und al-Husseini trafen einander im November 1941. Zu diesem 
Zeitpunkt hatten die Sondereinsatzgruppen der Wehrmacht und die SS bereits 
Tausende Juden auf dem Gebiet der von Deutschland überfallenen Sowjetunion 
ermordet. Zielstrebig und geplant. Die meisten Forscher gehen davon aus, 
dass die Nazis und auch Hitler persönlich spätestens im Sommer 1941 
zumindest das osteuropäische und russische Judentum gesamtheitlich zur 
Ermordung vorgesehen hatten und es äußerst wahrscheinlich ist, dass im Laufe 
dieses Sommers in den höchsten Nazikreisen der Entschluss gefasst wurde, 
alle Juden, derer man habhaft werden konnte, vom Baby bis zum Greis, als 
Verschwörer gegen Deutschland zu betrachten und deren Vernichtung 
vorzubereiten.
Der Rassenantisemitismus war der Kern des nationalsozialistischen Denkens. 
Genauer: Der Wahn, es gebe höhere und niedrigere "Rassen". Das primitive 
biologistische Denken der Braunen stellte die Nation gerne als menschlichen 
Körper vor, den man von "Schädlingen" und "Parasiten" befreien müsse, um ihn 
"gesund" zu erhalten oder zu machen. Die Juden spielten in diesem 
Wahngebäude die zentrale Rolle als die Bösartigsten unter den 
"Volksschädlingen". Die gesamte Propaganda der Nazis lief schon recht früh 
auf die völlige Dehumanisierung und Dämonisierung der Juden hinaus, was den 
später erfolgenden Genozid vorbereiten sollte. Niemand musste den Nazis 
sagen, sie sollten die Juden umbringen, da kamen die von ganz alleine drauf. 
Und schon gar nicht hätte sich Hitler von einem Araber Ratschläge erteilen 
lassen. Natürlich versuchten die Nazis, strategische Bündnisse mit den 
Arabern einzugehen, um den Briten zu schaden, aber im Denken der 
Nationalsozialisten waren Araber und andere muslimische Völker dennoch nur 
"Untermenschen", die im zu schaffenden Nazi-Weltreich allenfalls als 
Sklavenbevölkerung am Leben gelassen werden sollten. Die historische 
Realität ist genau andersrum, als es Netanyahu darzustellen versuchte: Nicht 
die Araber/Muslime haben die Nazis beeinflusst, sondern die Nazis die Araber 
und Muslime. Die antisemitische Propaganda und vernichtungsantisemitischen 
Taten der Nazis wirken in arabischen Gesellschaften bis heute nach.
Netanyahus Versuch, die Shoah den Arabern umzuhängen, ist die wohl größte 
politische Dummheit des an Dummheiten nicht armen Jahr 2015. Es bleibt ein 
wenig rätselhaft, was er damit zu bezwecken versuchte. Vermutlich sollte es 
ein Signal an extrem rechte Kräfte in Israel und in Europa sein. Die Muslime 
als die wahren Nazis, das passt gut ins Bild der rechten Islamhasser vom 
Schlage der FPÖ, des Front National und der Pegida, die schon längst nicht 
mehr zwischen Taufscheinmuslimen und fanatischen Islamisten unterscheiden. 
Hängt man Muslimen auch noch den Holocaust um, exkulpiert man nicht nur 
neonazistische Bewegungen, sondern feuert einen bereits gefährlich hell 
lodernden Hass zusätzlich an. Ideologisch scheint mir die bewusste 
Verbalentgleisung Netanyahus genau an die extreme moderne Rechte 
anzukoppeln, an die identitären Bewegungen, die den Islam vor allem deswegen 
verabscheuen, weil er theoretisch internationalistisch ist und das Konzept 
ethnisch formierter Nationalstaaten ablehnt. Diese neue Rechte hat auch 
wenig gegen Juden, solange die in Israel wohnen. Auch hier erkennt man eine 
Übereinstimmung mit Netanyahu, der nach den Terrorangriffen in Paris die 
französischen Juden eilig zur Ausreise nach Israel aufforderte. Nicht wenige 
israelische Rechte spekulieren darauf, dass die extreme europäische Rechte 
bald das Sagen in Europa haben werde und fördern daher nach Kräften 
antimuslimische Ressentiments in der Hoffnung, ein rechtsextrem gewendetes 
Europa würde der israelischen Rechten freie Hand dabei lassen, Israel 
geographisch auszudehnen und die Araber weitgehend hinauszudrängen. Eine 
äußerst gefährliche Strategie.
(Bernhard Torsch auf seinem Lindwurm-Blog)
https://lindwurm.wordpress.com/2015/10/22/die-araber-als-die-wahren-nazis/
oder http://wp.me/p3qHv-27c
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