**********************************************************
akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 21. Oktober 2015; 19:32
**********************************************************

Nachwahlwehen / Presseschau:

> Gute Ratschläge...

... für die SPÖ

Zuerst benötigen wir die Ehrlichkeit zu uns selbst, dass die
Parteistrukturen in den Bezirken aus einer Zeit stammen, die vor dreißig
Jahren adäquat waren. Eine hochtechnologisierte Gesellschaft kann man aber
nicht mehr mit derartigen politischen Methoden betreuen. Häupls Vorhaben,
dass nicht bloß die gewählten Politiker auf die Bevölkerung zugehen sollen,
hat daher völlige Berechtigung. Die SPÖ muss auf ein breitgespanntes Netz
aus Vertrauenspersonen setzen, für die es natürlich eine gründliche Schulung
braucht. [...]

Programmatisch sollte sich die SPÖ nicht dabei aufhalten lassen, für
Wirtschafts- und Beschäftigungswachstum sowie für Bildungsinvestitionen zu
sorgen. Bei aller budgetären Disziplin wäre es ein erster richtiger Schritt,
wenn sich die SPÖ auch in der Regierung damit durchsetzt. Denn damit tritt
sie ja für die soziale Absicherung der Bevölkerung ein - und gleichzeitig
gegen die Ängste angesichts der Migrationswellen auf, Erreichtes wieder
einzubüßen. In der gesamten Union wird von Sozialdemokraten der
Neoliberalismus beklagt - aber es gibt viel zu wenig Akteure, die
Alternativen dazu aufzeigen.

Ex-Kanzler Franz Vranitzky im Interview mit dem "Standard"
http://derstandard.at/2000024076282
*

... für die Grünen

Früher waren die Grünen eine desorganisierte Schrebergartenkolonie, heute
sind sie kampagnenfähig, dabei aber leider entpolitisiert im Auftreten.
Sowohl das romantische Klein-Klein der inhaltlichen Detailarbeit als auch
das rein technokratische Austesten von Wählermilieus ist unpolitisch und
führt in die Bedeutungslosigkeit. Schätzen wir die
Kampagnenprofessionalität, sparen wir uns das traditionelle Kaffeesudlesen
und die kurzgegriffenen Schuldzuweisungen nach Wahlen und fangen wir an,
Politik zu machen. Dabei kann und darf man scheitern.

Die Grünen müssen beginnen, Politik von unten zu gestalten. Das heißt,
Bezirksarbeit stärken, als Partei in die Grätzln gehen, junge Menschen in
lokale Parteiarbeit einbeziehen und nicht nur als Leiharbeiter für
Wahlkämpfe engagieren. [...] Politik von unten heißt auch, dass politische
Bildung keine rein staatliche Aufgabe sein darf, sondern vor allem eine
Aufgabe jeder Partei selbst sein muss. In den Lokalgruppen und
Teilorganisationen müssen politische Debatten geführt werden, die auch über
ihren inhaltlichen Wirkungsbereich hinausgehen: Der Radweg muss bis zur
Kritik an der Austeritätspolitik in Europa führen. Der Sinn dessen ist die
Politisierung und Mobilisierung von Menschen für ihre Interessen und nicht
bloß eine Mobilisierung zu den Wahlurnen. Die Grünen wollen die Zukunft
dieses Landes sein, nicht nur ein professioneller Wahlverein.

Cengiz Kulac in einem Userkommentar im "Standard"
http://derstandard.at/2000023659848
*

Links vom politischen Establishment aber tut sich ein weites, unbeackertes
Feld auf. Peter Pilz hat über die Grenzen geblickt: Dort sieht er überall -
neben und gegen den Aufschwung der nationalistischen Rechten - eine linke
Renaissance. Syriza in Griechenland, Podemos in Spanien, die triumphale Wahl
des linken Sozialisten Jeremy Corbyn zum Labour-Chef in England und der
Kapitalismus-Kritiker Bernie Sanders als gefeierter Popstar der
amerikanischen Politik: Das sind nur einige Indizien einer allgemeinen
Tendenz. Und ist in dieser Krisenzeit nicht Ungleichheit der Einkommens- und
Vermögensverteilung fast überall zum Politthema Nummer eins geworden? [...]

Das politische Klima ist rauer geworden. Vor diesem Hintergrund ist das
Plädoyer von Pilz für eine Linkswende der Grünen zu verstehen. Da mag einem
die Partei, die er sich vorstellt, unsympathisch sein. Auch ist fraglich, ob
die Mutation von einer betulich-freundlichen Wohlfühlpartei zu einer
unbequemen Partei links von der SPÖ den Grünen gut bekommen würde. Aber
sollte solch ein Pilz-Manöver in Gang gesetzt werden und gelingen - es
könnte den Populisten von rechts das Wasser abgraben.

"Wesensfremd" wäre für die Grünen ein Linksschwenk auch nicht. Vielfach
vergessen ist, dass nicht nur Pilz und einige wenige seiner
Parlamentskollegen, sondern ein beträchtlicher Teil der Gründer dieser
Partei aus dem kleinen linksradikalen Milieu der 1970er-Jahre stammt. Das
Ganze wäre also auch ein wenig "back to the roots".

Georg Hoffmann-Ostenhof (der übrigens in jungen Jahren genauso wie Pilz bei
der GRM gewesen ist) im "profil" unter dem Titel "Der linke Platz ist
leer..."
http://www.profil.at/meinung/georg-hoffmann-ostenhof-platz-5929961
*

... für die "Anderen"

Die Anders-Allianz wird sich voraussichtlich nicht auflösen, muss sich
allerdings angesichts des Wahlergebnisses neu erfinden. Dazu bedarf es aus
meiner Sicht einer weiteren Öffnung zu sozialen Initiativen und Projekten
einerseits, und andererseits einer Entscheidung, als linkspopulistische
Kraft in den kommenden 5 Jahren die Unzufriedenen davon zu überzeugen, dass
und wie sie von der FPÖ (und wie sich sehr schnell herausstellen wird auch
von der SPÖ) politisch verarscht werden. Das sind die Mühen der Ebene.
Lohnend wäre das allemal.

Sebastian Reinfeldt, Pressesprecher von Wien Anders im "Forum demokratischer
Sozialismus" der deutschen Linke-Partei
http://forum-ds.de/?p=858



***************************************************
Der akin-pd ist die elektronische Teilwiedergabe der nichtkommerziellen
Wiener Wochenzeitung 'akin'. Texte im akin-pd muessen aber nicht
wortidentisch mit den in der Papierausgabe veroeffentlichten sein. Nachdruck
von Eigenbeitraegen mit Quellenangabe erbeten. Namentlich gezeichnete
Beitraege stehen in der Verantwortung der VerfasserInnen. Ein Nachdruck von
Texten mit anderem Copyright als dem unseren sagt nichts ueber eine
anderweitige Verfuegungsberechtigung aus. Der akin-pd wird nur als
Abonnement verschickt. Wer versehentlich in den Verteiler geraten ist, kann
den akin-pd per formlosen Mail an akin.buero{AT}gmx.at abbestellen.

*************************************************
'akin - aktuelle informationen'
a-1170 wien, Lobenhauerngasse 35/2
vox: ++43/1/535-62-00
(anrufbeantworter, unberechenbare buerozeiten)
http://akin.mediaweb.at
Blog: https://akinmagazin.wordpress.com/
Facebook: https://www.facebook.com/akin.magazin
Mail: akin.redaktion{AT}gmx.at
Bankverbindung lautend auf: föj/BfS,
Bank Austria, BLZ 12000,
223-102-976-00, Zweck: akin
IBAN AT041200022310297600
BIC: BKAUATWW