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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 14. Oktober 2015; 05:22
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Wahlen/Kommentar:
> Splitter
Ein postelectoraler Rundumschlag
Also wirklich, das Wiener Wahlrecht muß geändert werden. Nein, also nicht 
die Mehrheitsförderung oder die Mindestklausel oder daß Nicht-Ösis nicht 
wahlberechtigt sind; da gehts ja um demokratische Fragen, das ist nicht so 
wichtig. Viel schlimmer ist, daß alle Wahllokale gleichzeitig schließen! Das 
geht wirklich nicht. Was sollen da der arme ORF und die ganzen Privatsender 
um 17 Uhr machen? Die wollen bitte mit dem Schließen der letzten Wahllokale 
erste Hochrechnungen präsentieren können. Aber nein, man muß dann solche 
Peinlichkeiten erleben wie diesen Sonntag. Da macht man auf Dramatik wie zu 
Sylvester kurz vor Mitternacht, um dann Punkt 17 Uhr die ersten Zahlen 
präsentieren zu können -- und muß dann lausige Umfragedaten aufwarten, die 
eh schon jeder kennt, weil sie nicht anders sind als all das was seit Wochen 
in den Zeitungen zu lesen war. Und immer kleinlaut dazusagen, daß man ja in 
Wirklichkeit noch gar nichts sagen kann, weils halt nur Umfragedaten sind. 
Die ganze Inszenierung ist im Arsch! Das muß doch nicht sein!
Aber dann wird es noch viel schlimmer. Die wichtigen Parteisekretäre werden 
interviewt und jeder muß das Ergebnis, das keines ist, kommentieren. Eine 
Stunde später kommen dann wirklich die ersten Hochrechnungen und --  
Überraschung! Das konnte ja keiner ahnen! -- die haben rein gar nix mit den 
Umfragedaten zu tun. Also muß man die nämlichen Parteisekretäre nochmal 
interviewen und die müssen jetzt logischerweise was ganz was anderes sagen, 
als sie gerade noch behauptet haben. Das ist doch demütigend! Das muß doch 
nicht sein! Schließt man halt ein paar Wahllokale früher und verzichtet auf 
die paar Stimmen der Langschläfer, dann klappts wieder mit der großen 
Wahlshow! Man muß doch schließlich auch an die Einschaltziffern denken, 
bitteschön!
Umfragen wie gewünscht
Jetzt mal ernsthaft! Da hatten wir also diese Wahlumfragen, die sich als 
völlig falsch herausstellten. Große Schelte den Meinungsforschern! Naja, die 
haben es nicht leicht -- die haben vielleicht schon ungefähr eine Ahnung 
davon, wer bei einer Wahl was wählen würde. Nur haben sie halt keinen Tau 
davon, wer von denen dann den Weg ins Wahllokal auch findet. Und 
Protestwähler wie die der FPÖ sind halt unberechenbar. Und das ist noch die 
nette Interpretation von Umfrage-GAUs...
Warum werden solche Umfragen gemacht? Nunja, zweierlei Gründe: Zum Ersten 
gibt es natürlich die Umfragen, die die Parteistrategen ordern, um ihren 
Wahlkampf danach ausrichten zu können. Zum Zweiten aber gibt es die 
veröffentlichten, die die Zeitungen in Auftrag geben. Beiden Art ist eins 
gemein: Die Rezipienten wollen alle schon vorher wissen, wie es ausgeht. Und 
wenn dabei ein Kopf-an-Kopf präsentiert wird, ist das -- besonders bei der 
zweiten Kategorie -- natürlich besonders geil! Das hebt die Auflage! Naja 
und die Meinungsforschern liefern dann halt, ist ja ihr Job.
Alle wissen, daß Umfragen keine Ergebnisse sind. Alle wissen, daß mit 
Umfragen der berühmte Wählerwille manipuliert wird. Aber selbst die 
kritischsten Geister lesen begierig diese Berichte über Wahlen, die nicht 
stattgefunden haben. Neuwal.com ist ihr Tempel und dort holen sie sich die 
Predigten der Auguren ab! Und nehmen dann diese Umfragen auch noch ernst! 
Obwohl sie es besser wissen müßten. Bei Travnicek heißt es über die 
Täuschung von Wählern: "Aber gehns, die wählen doch nicht zum ersten Mal!" 
Aber selbst bei so manchem Politprofi könnte man glauben, er vergleicht zum 
ersten Mal Umfragen mit wirklichen Wahlergebnissen!
Und danach? Wenn man gerademal wieder erfahren hat, wie daneben diese 
Umfragen liegen, kommen die gleichen Leute, die gerade noch den Kopf über 
diese Diskrepanz geschüttelt haben, mit den Wahlnachbefragungen derselben 
Institute, die gerade solchen Blödsinn verzapft haben. Und beten uns dann 
vor, wie arbeitslose Akademikerinnen zwischen 23 und 48, mit 
Migrationshintergrund und mit mindestens einem Kind denn nun mehrheitlich 
gewählt haben! Und es fällt ihnen nichts auf dabei!
Und natürlich die Wählerstromanalysen, eh klar! Die beruhen ja meistens 
nicht auf Umfragen, sondern aus der statistischen Auswertung von 
Sprengelergebnissen. Sind also total seriös. Oder so. Denn jeder Statistiker 
weiß, daß man damit nur große Ströme zwischen großen Parteien bestimmen 
kann -- und das auch nur so ungefähr, wie jeder einigermassen fitte 
Politikwissenschaftler das auch hätte schätzen können. Doch man sehe sich 
an, wie genau die Analysen des SORA-Instituts sind -- da gibt es 
Wählerströme, die sind so gering, daß sie einen Bruchteil der 
Schwankungsbreite ausmachen. Aber wurscht: Die Magie der genauen Zahl ist 
stärker und alle analysieren begierig diese Kaffeesudleserei.
Alles Chimäre, aber mich unterhalts? Nunja, es wäre ja lustig, wenn das 
alles nicht die reale Auswirkungen massiver Wahlmanipulationen hätte und 
nicht eine Politik hervorrufen würde, die sich nicht an Überzeugungen, 
sondern an behaupteten Stimmungsbildern orientiert. Und dieser 
Umfrageirrsinn kommt dann meistens auch noch von Leuten, die Wahlen für das 
Hochamt der Demokratie halten!
Strachitischer Wahlkampf
Diesen Wahlumfragen verdanken wir ja auch den sinnfreisten Wahlkampf aller 
Zeiten auf regionaler Ebene. Im Bund hatten wir das ja schon ein paar mal 
ähnlich blöd -- man erinnere sich an die Haider-Hysterien in den 90ern. Aber 
jetzt dieser Wienwahlkampf. Weil Strache angeblich Erster hätte werden 
können (nebenbei: Wahlen sind keine Pferderennen und wir haben kein 
Mehrheitswahlrecht wie in UK und USA), war das wichtigste Thema dieser Wahl 
kein inhaltliches, sondern eben der Klubobmann einer Oppositionspartei, der 
das nichtmal im Rathaus sondern im Nationalrat ist. Und danach sah dann der 
Wahlkampf aus. Die Niederlage der ÖVP ist wohl auch damit begründet, daß 
lediglich sie und die Kleinstparteien nicht vom Willen Straches, 
Bürgermeister zu werden, profitieren konnten.
Bei den anderen sah der Benefit so aus:
Die Freiheitlichen konnten -- ohne daß realpolitisch je auch nur die 
geringste Chance bestanden hat, daß Strache in die Wiener Landespolitik 
gehen würde -- das Konterfei ihres Bundesobmanns plakatieren.
Die SPÖ hatte was davon, weil sie ihre alten Sozis, die sich vielleicht 
längst schon innerlich von der Partei verabschiedet haben, jetzt wieder zum 
Rennen bringen konnte.
Die Grünen, weil sie behaupten konnten, nur sie wären ein Garant für die 
Nichtbeteiligung der FPÖ an der Regierung. Die fuhren da auch eine spannende 
Doppelstrategie, zu der man schon eine ordentliche Ambiguitätstoleranz 
brauchte: Zum einen sollte man sie aus emotionaler Nähe wählen (mit der 
Paraphrase auf Saint-Exupéry "Man wählt nur mit dem Herzen gut"), zum 
anderen aus eiskaltem Kalkül ("Wer Rot-Grün will, muß Grün wählen").
Und sogar die NEOS versuchten es zuletzt mit der Brechstange, indem sie auf 
der letzen Serie ihrer Wahlplakate tatsächlich doch den Namen des 
Spitzenkandidaten der FPÖ groß druckten, um zu behaupten, "nur eine neue 
Kraft" könne diesen stoppen.
Aber ist das nicht peinlich? Jetzt einmal abgesehen von den NEOS, bei denen 
ist ja Peinlichkeit Teil der Parteiidentität -- nein, vor allem 
Sozialdemokratie und Grüne seien hier angesprochen, aber auch die großen 
Medien: Wieso ist die Zuspitzung auf Strache gar so geil, daß man alles 
andere vergißt? Zugegeben, der kurzfristige Erfolg, eine rotgrüne Mehrheit 
gesichert zu haben, gibt euch ja irgendwie recht. Aber was heißt das 
langfristig?
Erst der Blick des Kaninchens macht die Schlange! Es ist wie zu Haiders 
Zeiten: Hätte man seine aggressiv-blöde Art einfach ignoriert, wäre der 
"Jörgl" nie so populär geworden. Heute heißt der Gottseibeiuns Strache. Der 
Butzemann, mit dem man kleine, dumme Wählerchen ängstigen möchte, damit sie 
das nächste Mal auch brav ihre Kreuzelchen an der richtigen Stelle machen. 
Blöd nur, daß das halt so nur sehr bedingt funktioniert und zum Teil 
geradezu in Angstlust umschlägt.
Verstärkt wird dieser Grusel-Effekt heute aber noch durch die hysterischen 
Antistrachisten in den Sozialen Medien. Anstatt eine vernünftige 
fortschrittliche Politik zu fordern, die mit der Liebedienerei gegenüber dem 
Kapital Schluß macht, regt sich der moderne Gutmensch über Strache auf. Und 
über dessen Wähler, der doch nun gar so blöd sei. Man regt sich aber nicht 
über diejenigen auf, die diese Menschen erst zu Strachewählern gemacht 
haben. Nein, im Gegenteil, mit jedem Zitat von Strache, mit jeder 
Fotomontage macht man Werbung für ihn.
Und das hat soweit geführt, daß sogar Wahlkämpfe als wichtigstes Thema die 
Person Heinz-Christian Strache haben. Ein Politiker aber, der es schafft, in 
einem Wahlkampf fast im Alleingang nicht nur Agendasetting zu betreiben, 
sondern auch, daß die wichtigste Agenda er selbst ist, der hat eigentlich 
schon ziemlich viel gewonnen. Und man sollte sich nicht täuschen lassen: Nur 
weil die FPÖ ihr hochfliegendes Ziel nicht erreicht hat, heißt das nicht, 
daß sie nicht massiv hinzugewonnen hätte. Natürlich: Auch Straches Bäume 
wachsen nicht in den Himmel. Er lag bei dieser Wahl nur knapp über dem 
bislang besten Ergebnis der FPÖ in Wien -- und das war unter Haider, der 
seine politische Homebase in Kärnten und nicht in Wien hatte. Dennoch ist 
dieses Ergebnis ziemlich schlimm.
Liebe Leute in den anderen Parteien und in den großen Medien: Ihr habt es 
vergeigt! Ihr habt vergessen, daß es doch um eine Gestaltung der Politik in 
dieser Stadt und in dieser Republik gehen muß. Und nicht um das blöde 
Grinsen eines wirklich sehr seltsamen Führers einer Oppositionspartei. Und 
das ist die wirkliche Katastrophe -- und nicht die Zugewinne von Strache!
Und der Preis für die schönste Ausrede geht an...
Da war da noch diese seltsame Wortschöpfung mit den "Leihstimmen". Also 
prinzipiell muß man sagen: Jede Wählerstimme ist eine Leihstimme. Denn das 
Wahlvolk gibt seine Stimmen ja doch nur auf Zeit ab, leiht sie also jeweils 
einer Partei, auf daß diese damit etwas Sinnvolles machen möge. Und diese 
Verleihung ist eben nicht diejenige, wie man jemanden einen Orden umhängt, 
sondern eher nach dem Sinn des Verborgens. Oder besser noch des Kredits, der 
dann vielleicht einen politischen Mehrwert produzieren mag, weswegen der 
Verborger auch etwas davon haben könnte.
Die Idee bei der repräsentativen Demokratie ist ja doch die, daß, wenn die 
Partei nichts Sinnvolles mit der formalen Unterstützung durch das Wahlvolk 
(euphemistisch-realitätsfremd auch gerne "Vertrauen" genannt) anzufangen 
weiß, bei der nächsten Wahl der Wähler seine Stimme vielleicht eine anderen 
Partei gibt.
Nun gut, wir wissen, die Theorie der repräsentativen Demokratie und deren 
Praxis sind zwei paar Schuhe. Aber soweit sind wir ja dann wohl doch noch 
nicht, daß eine Wählerstimme zum Eigentum einer Partei zu zählen wäre. Daher 
ist sie auch schwer von dieser zu verleihen. Übrigens kann sie auch nicht 
(zumindest bei Wahlen, die einigermassen korrekt ausgezählt werden) 
gestohlen werden. Weil: Die Stimme ist eben Eigentum des Wählers und nicht 
einer Partei.
Wenn jetzt also bei Grünen und ÖVP die Rede davon ist, die SPÖ hätte sich 
nur wegen Leihstimmen von ihren Parteien so gut gehalten, dann dürfte sich 
ungefähr Folgendes in den Köpfen dieser vermeintlichen Stimmenverleiher 
abspielen: "Die gehört mir, die Stimme, Frechheit, die darf man mir doch 
nicht wegnehmen. Na gut, leih ich sie halt her, aber du gibst sie mir schon 
wieder zurück und tust sie mir bitte nicht zu sehr abnutzen, ja?" Klingt 
irgendwie nach Schauferl im Sandkasten. Der übliche Polit-Kindergarten eben.
Liebe Wahlverlierer, ihr seids wirklich um Schönredenfloskeln ja sowieso 
nicht verlegen. Die sind peinlich genug. Wenigstens auf die "Leihstimmen" 
könntet ihr dabei also wirklich verzichten.
Apropos Wahlrecht
Bumsti hats wiedermal geschafft: Er sagt was und alle glaubens. Die FPÖ habe 
jetzt die Sperrminorität und könne Verfassungsgesetze verhindern und damit 
auch das Ausländerwahlrecht. Nur: Bumstis Kameraden können jetzt etwas 
verhindern, was ohne sie auch nicht passiert wäre. Denn erstens hätte man 
schon bislang die Stimmen der ÖVP gebraucht, um ein Ausländerwahlrecht 
überhaupt zu beschliessen. Und die wollte das nie. Eine Zweidrittelmehrheit 
für Rotgrün stand auch nie im Bereich des Möglichen. Also wer hätte das 
beschliessen können? Tja, und zweitens: Selbst wenn es jemals eine solche 
Zweidrittelmehrheit gegeben hätte, hätte der Verfassungsgerichtshof diesen 
Beschluß wohl nicht bestehen lassen können, weil ein Ausländerwahlrecht halt 
der Bundesverfassung widerspricht. Das hat der VfGH -- und zwar auf Antrag 
von eben den beiden rechten Landesfraktionen im Wiener Landtag, die schon 
damals eine Sperrminorität hatten -- bereits 2004 festgestellt. Denn die SPÖ 
hatte -- mit ihrer damaligen einfachen Mehrheit -- ein Wahlrecht auch für 
Nicht-EU-Bürger für die Bezirksvertretungen beschlossen. Und da bestand der 
VfGH darauf, daß alle allgemeinen Vertretungskörper nur von Staatsbürgern 
bestellt werden dürfen (lediglich mit der Ausnahme für EU-Angehörige in 
Bezirken und Gemeinden). Sprich: Selbst wenn alle 100 Landtagsabgeordneten 
für ein Ausländerwahlrecht auf Landesebene wären, würde das genau gar nichts 
nützen. Da müßte man schon die Bundesverfassung ändern.
Aber Bumsti redet allen ein, er wäre der Verhinderer eines 
Ausländerwahlrechts. Und niemand widerspricht.
Getwitter
Die spannendsten Tweets zum Wahlausgang? Da hätten wir mal "KPÖ - European 
Left" ({AT}KPOE_EL), die vertwitterten eine frustrierte Pressesaussendung: 
"Zach (KPÖ-Wien): 5 Bezirksratsmandate sind für mich ein enttäuschendes 
Resultat - KPÖ Wien". Didi Zach, Landessprecher der KPÖ, meint in der 
verlinkten Aussendung, er habe sich "viel, viel mehr erwartet". Und er 
kündigte an, daß er in den zuständigen KPÖ-Gremien die Frage stellen werde, 
"ob ich angesichts dieses Wahlresultats weiterhin die geeignete Person an 
der Spitze der KPÖ-Wien bin." Ach Didi, alle anderen reden ihre Verluste 
schön, nur du bist frustriert über ein Ergebnis, daß man eigentlich nicht 
anders erwarten konnte. Dabei gibt es jetzt statt 3 KPÖ-Bezirksräten 5 
Andas-Bezirksräte (zwischenzeitlich war von 7 die Rede, in manchen Bezirken 
ist es sich wirklich nur ums berühmte Arschlecken nicht ausgegangen). Also 
doch ein deutlicher Erfolg -- angesichts der tristen Situation der Linken in 
dieser Stadt und diesem Land. Aber es ist eben alles relativ.
Wie feierten die Grünen hingegen ihre Verluste? Die waren im Volksgarten 
gleich beim Heldenplatz recht ausgelassen. Ein Besucher der Feier twitterte 
dazu: "Das kleine Bier auf der Wahlparty der {AT}gruenewien kostet 4,80. Da 
bildet sich das Ergebnis in den Hacklerbezirken eigentlich gut ab."
Und die ÖVP hat überhaupt eine ganz tolle Erklärung für ihr Debakel. Nach 
dem Interview mit Erhard Busek am Montag im Ö1-Mittagsjournal meinte Gerhard 
Loub, seines Zeichens "ÖVP Bundespartei: Leiter Abteilung Web & Social 
Media", das dieser an allem schuld sei: "Busek hat die ÖVP herunter 
gewirtschaftet. Und erklärt jetzt der {AT}oevpwien das Leben". Ja, der Herr 
Busek, war das nicht der, der als Wiener Landesparteiobmann das beste 
Ergebnis der ÖVP bei Gemeinderatswahlen jemals eingefahren hatte? Na, also 
der muß wirklich schuld sein, wer denn sonst?
Wiener Mauer
Es gibt in Wien eine Grenze, die erscheint -- trotz gewisser 
Boboisierungstendenzen in manchen Außenbezirken -- fast wie ein kultureller 
Eisener Vorhang: Der Gürtel! Man sehe sich die Sprengelergebnisse diesseits 
und jenseits des Verkehrsknotenpunkts Urban-Loritz-Platz an! Zugegeben, man 
erwartet sich nichts anderes -- aber hier sind zwei völlig verschiedene 
Welten gerade einmal durch einen breiten Straßenzug und ein paar 
Tramwaygleise getrennt. Im Sprengel 10 von Wien 15 gab es bei den 
Gemeinderatswahl 44% SPÖ, 27% FPÖ und 13% Grüne. Im angrenzenden Sprengel 26 
von Wien 7 sieht man 41% SPÖ, 14% FPÖ und 27% Grüne. Bezeichnend auch: Im 
Sprengel außerhalb des Gürtels haben ÖVP und ihre Abspaltung NEOS gemeinsam 
gerademal 9%, im inneren Sprengel 15%.
Wien gilt zwar als Stadt, wo Segregation von Wohnvierteln nicht so krass ist 
als anderswo. Es sind nicht hüben Villen und drüben Slums. Aber vielleicht 
müßte man sich angesichts solcher Differenzen über das Thema einmal Gedanken 
machen.
Die Konsequenzler
Ja, auch das gehört zu jeder Wahl: Die Leute, die Konsequenzen ziehen 
wollen. Allen voran der Big Bürgermeister, der schon am Wahlabend verkündet 
hat, es müsse sich nun etwas ändern in der Partei. Und ORF-Moderator Tarek 
Leitner ist zuzustimmen, wenn er meint, Häupl hätte damit wohl nicht die 
Stadtpartei gemeint. Ob sich allerdings wirklich etwas in der SPÖ ändern 
wird oder überhaupt kann, ist da natürlich schon sehr fraglich. Interessant 
allerdings ist, daß am Tag nach den Wahlen die "Petition" wirwollenmehr.at 
online ging. Darin wird ganz kritisch-solidarisch Werner Faymann 
aufgefordert, sich schleunigst über die Häuser zu hauen. Die Bundespartei 
erklärte sofort, sowas könne man nicht über die Medien machen und überhaupt 
könne man nicht überprüfen, ob da nur SPÖler unterschrieben hätten. Darauf 
reagierte die Site prompt: Nun steht dort ein Verweis zu lesen, nur 
bekennende SPÖ-Mitglieder dürften unterzeichnen -- allerdings reicht da eine 
unüberprüfbare Erklärung auf der Seite, daß man Mitglied sei.
Allerdings schon länger online ist initiativekompass.at und da ist der 
Betreiber nicht so leicht zu ignorieren: Andreas Babler, Bürgermeister von 
Traiskirchen. Dort heißt es: "KOMPASS ist die Themeninitiative innerhalb der 
SPÖ, in der sich Menschen zusammenfinden, die aktiv an einem 
sozialdemokratischen Richtungswechsel arbeiten wollen. Uns eint die 
Überzeugung, dass sich die Sozialdemokratie auf einem falschen Kurs 
befindet: Die SPÖ hat den Anschluss an die Lebensrealitäten jener verloren, 
die es sich nicht selbst richten können."
Es stellt sich schon die Frage: Wie lange wird die Bundesspitze der SPÖ noch 
die interne Kritik ignorieren können? Wahrscheinlich lange, ist die Antwort. 
Denn die Liste der Initiativen innerhalb der SPÖ, die etwas verändern 
wollten, ist sehr lang. Die könnten schon glatt einen Dachverband 
SPÖ-kritischer SPÖ-Initiativen gründen...
Auch bei den Grünen wird von Konsequenzen geredet. Und wer wieder einmal 
vorne weg? "Peter Pilz ruft Grüne zu linkspopulistischem Kurs auf" titelt 
das "profil" und zitiert den ewigen Parteireformer wie folgt: "Wir stehen 
unabhängig vom Wiener Wahlergebnis vor einer historischen Entscheidung: 
Bleiben wir ein Anhängsel von Rot und Schwarz? Ein grüner Schwanz am 
halbtoten Hund? Dann liegt unser Plafond als liberale Ökopartei bei zwölf 
bis 13 Prozent. Oder bilden wir einen linkspopulistischen Gegenpol zu den 
Nationalisten?" Blöd nur, daß es in den 90ern auch Peter Pilz war, der der 
Parteibasis über die Medien -- nicht zuletzt mit profil-Interviews --  
ausrichten hat lassen, die Grünen mögen sich professionalisieren und neue 
(sprich: bürgerliche) Wählerschichten ansprechen. Nu, und jetzt sagt er: 
'Scheissen wir in Hinkunft auf die Bobos und reden wir wieder mehr mit den 
Hacklern.' Quasi: 'Sorry, war eine blöde Idee, aber ich hab schon eine neue, 
eine viel bessere.' Und: 'Was kümmert mich der Schmarrn, den ich früher 
verzapft hab.'
Ob aber die Grünen, die halt heute hauptsächlich aus Bobos bestehen, weil 
man diese 20 Jahre lang angeworben hat, sich noch wirklich ändern wird 
können -- naja, da glaub ich fast noch eher an eine sinnvolle Reform der 
SPÖ. Also gar nicht.
*Bernhard Redl*
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