**********************************************************
akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Freitag, 2. Oktober 2015; 17:08
**********************************************************

Recht/Initiativen:

> Theoretische Plakatierfreiheit

Bei der Linzer "Solidarwerkstatt" ist man empört: Norbert Bauer, deren
Vorsitzender, hat eine Verwaltungsstrafe ausgefaßt, weil er verantwortlich
sei für das Aufhängen von Ankündigungsplakate für die "Lange Nacht des
Friedens". Titel der Werkstatt-Aussendung: "Friedensstadt Linz bedroht
Friedensaktivisten wegen Friedensplakaten". Die Werkstatt fordert in einer
Petition an die Linzer Stadtregierung, sich für eine Zurücknahme dieser
Verwaltungsstrafe einzusetzen und die Linzer Plakatierverordnung in Hinkunft
anders zu interpretieren.

Auch wenn die Anzeige durch eine Linzer Stadtbehörde erfolgt ist, ist der
Protest der Werkstatt an die Stadtregierung ein wenig kurzsichtig --
verantwortlich sind vor allem die Polizeibehörden, das Innenministerium als
übergeordnete Behörde und der Bundesgesetzgeber. Damit ist aber ein viel
weitreichenderer Mißstand zu thematisieren. Denn die Linzer
Plakatierverordnung ist weitgehend wortgleich mit so ziemlich allen
Plakatierverordnungen in ganz Österreich. Diese wurden alle Anfang 1983
erlassen -- in Folge des Inkrafttretens der entprechenden Bestimmungen des
Mediengesetzes. Und da geht es nicht mehr um die Linzer Verhältnisse,
sondern um ein selten thematisiertes Bürgerrecht: Die Plakatierfreiheit!

Sowas gibts? Wildplakatieren ist doch verboten, oder? Jein! Denn der erste
Satz von §48 Mediengesetz lautet: "Zum Anschlagen, Aushängen und Auflegen
eines Druckwerkes an einem öffentlichen Ort bedarf es keiner behördlichen
Bewilligung". Nur hat der Gesetzgeber natürlich dafür gesorgt, daß die
Inanspruchnahme dieses Rechtes zur Meinungsäußerung nicht so ohne weiteres
in Anspruch genommen werden kann. Denn weiters heißt es in diesem
Paragraphen: "Doch kann ... die Landespolizeidirektion zur Aufrechterhaltung
der öffentlichen Ordnung durch Verordnung anordnen, daß das Anschlagen nur
an bestimmten Plätzen erfolgen darf." Also: Das Plakatieren ist frei,
Näheres bestimmt die Polizei. Und die enstprechenden Verordnungen klingen
dann zum Beispiel so: "... wird zur Aufrechterhaltung der öffentlichen
Ordnung angeordnet, dass das Anschlagen (Plakatieren) von Druckwerken . an
öffentlichen Orten ... nur a) an Flächen, die offensichtlich zum Anschlagen
von Druckwerken bestimmt sind, oder b) an anderen Flächen, sofern sie nicht
unter die ... angeführten Beschränkungen fallen, erfolgen darf. Das
Anschlagen (Plakatieren) von Druckwerken darf nicht unmittelbar an
Außenflächen von Gebäuden oder von Einfriedungen, an Brückenpfeilern,an
Bäumen, an Denkmälern oder an Sachen, die der religiösen Verehrung gewidmet
sind, erfolgen." (§1 der Wiener PlakatierVO). Sprich: Plakatieren ist
erlaubt, aber halt nur prinzipiell, praktisch hingegen so gut wie
nirgends -- außer, auf Plakatflächen, für die man bezahlt.

Die Wiener Verordnung wurde 2006 auch schon einmal vom
Verfassungsgerichtshof überprüft -- der fand allerdings daran nichts
auszusetzen, da die Verordnung den bundesgesetzlichen Bestimmungen
entspräche.

Der Fall der Solidarwerkstatt wäre daher ein guter Aufhänger, diesem schon
ziemlich vergessenen Recht wieder zu mehr Bedeutung zu verhelfen und darüber
zu diskutieren, wie man ihm wieder praktische Bedeutung zukommen lassen
könnte.
-br-


Petition Solidarwerkstatt:
http://www.solidarwerkstatt.at/Forum/Meinungsfreiheit.php

Aus dem Archiv: Wie die Gemeinde Wien die Praxis des freien Plakatierens
abdrehte:
http://akin.mediaweb.at/2007/29/29plakat.htm



***************************************************
Der akin-pd ist die elektronische Teilwiedergabe der nichtkommerziellen
Wiener Wochenzeitung 'akin'. Texte im akin-pd muessen aber nicht
wortidentisch mit den in der Papierausgabe veroeffentlichten sein. Nachdruck
von Eigenbeitraegen mit Quellenangabe erbeten. Namentlich gezeichnete
Beitraege stehen in der Verantwortung der VerfasserInnen. Ein Nachdruck von
Texten mit anderem Copyright als dem unseren sagt nichts ueber eine
anderweitige Verfuegungsberechtigung aus. Der akin-pd wird nur als
Abonnement verschickt. Wer versehentlich in den Verteiler geraten ist, kann
den akin-pd per formlosen Mail an akin.buero{AT}gmx.at abbestellen.

*************************************************
'akin - aktuelle informationen'
a-1170 wien, Lobenhauerngasse 35/2
vox: ++43/1/535-62-00
(anrufbeantworter, unberechenbare buerozeiten)
http://akin.mediaweb.at
Blog: https://akinmagazin.wordpress.com/
Facebook: https://www.facebook.com/akin.magazin
Mail: akin.redaktion{AT}gmx.at
Bankverbindung lautend auf: föj/BfS,
Bank Austria, BLZ 12000,
223-102-976-00, Zweck: akin
IBAN AT041200022310297600
BIC: BKAUATWW