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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Freitag, 2. Oktober 2015; 16:09
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Wahlen:
> Warum grün wählen?
Die Redaktion der akin bat die wahlwerbenden Gruppierungen der kommenden
Wahlen um Erklärungen, warum Linke ausgerechnet bei ihnen ein Kreuzerl
machen sollten. Nach "Wien Anders" und der SLP versucht dies nun für die
Grünen *Birgit Hebein*, Sozialsprecherin der Wiener Grünen, zu vermitteln:
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Natürlich bin ich wütend. Die FPÖ verdoppelt ihre Stimmen, und ich frage
mich, warum es uns so leicht fällt, unmenschlich zu sein, und warum die
Welle der Mitmenschlichkeit, die weite Teile des Landes in den letzten
Wochen erfasst hat, keine Auswirkungen auf das Wahlverhalten von über 30 %
der OberösterreicherInnen zeigt. Ich habe in den letzten Wochen
Erstaunliches erlebt -- einen Sommer der Solidarität, unglaubliche
Hilfsbereitschaft der Bevölkerung angesichts dessen, was der Boulevard
"Flüchtlingskrise" nennt, was tatsächlich aber eine Krise der Menschenrechte
ist, die Entstehung einer österreichischen Zivilgesellschaft, die diesen
Namen auch verdient. Wir Grünen waren und sind mittendrin -- wir vernetzen,
organisieren, koordinieren, halten Kontakt mit den Behörden, unterstützen,
wo immer wir können -- und haben trotz Wahlkampfs unser Engagement nicht
öffentlichkeitswirksam verkauft, weil wir uns als Teil der Zivilbevölkerung
sehen.
Was mich zurück in den Wahlkampf bringt. Jetzt, nach der
oberösterreichischen Ohrfeige, machen wir uns wieder in die Hosen vor den
Rechten -- oder tun zumindest glaubhaft so, als ob. Das nützt zumindest der
SPÖ. Unsere Koalitionspartnerin wird Michael Häupl als die letzte Hoffnung
für Wien verkaufen -- mit sündhaft teuren Inseraten, deren Volumen Rot-Grün
gemeinsam beschlossen hat. Am 12. Oktober können wir dann durchatmen. Die
SPÖ wird weniger verloren haben, als die von ihr zurzeit auch aus taktischen
Gründen veröffentlichten Umfragen nahelegen, und knapp 40 % der
WählerInnenstimmen auf sich vereinigt haben. Die FPÖ wird unter 30 %
geblieben sein, das Ergebnis dennoch als einen großartigen Sieg feiern. Wir
Grünen werden dazugewonnen haben. Die Neos werden den Einzug in den
Gemeinderat eventuell geschafft haben, Wien anders nicht, und die ÖVP wird
sich angesichts von weniger als 10 % Zustimmung fragen, wo sie einen neuen
Landesparteiobmann hernehmen soll.
All den Menschen, die sich wie auch schon 2005 und 2010 denken: "Ein
allerletztes Mal wähle ich mit Heulen, Jaulen und Zähneknirschen die SPÖ,
damit nicht der Strache..." möchte ich Folgendes ins Stammbuch schreiben:
Nur eine Stimme für Grün ist eine Stimme gegen die FPÖ. Dazu muss ich gar
nicht das burgenländische Beispiel bemühen. Nur wer Grün wählt, wählt
Rot-Grün. Nur wir stehen für die Fortsetzung von Rot-Grün -- wer kann
ausschließen, dass eine halbwegs gestärkte SPÖ sich für die nächste
Legislaturperiode nicht einen Bettvorleger als Koalitionspartnerin holt,
also die ÖVP!? Ich möchte gute Sozialpolitik für Wien. Und das ging und geht
nur gemeinsam mit zivilgesellschaftlichen Initiativen
Rot-Schwarz würde sofort Verschärfungen hinsichtlich der Mindestsicherung
durchsetzen, von denen einige tausend Menschen unmittelbar betroffen wären.
Wir Grüne konnten dies bisher verhindern und werden dies weiter tun. Die
Kindermindestsicherung ist ein wichtiger finanzieller Beitrag für
armutsbedrohte Haushalte, den die SPÖ immer wieder in Frage gestellt hat und
den die ÖVP prinzipiell ablehnt. Nur wir Grüne garantieren, dass es diese
sozialpolitische Maßnahme weiter geben wird.
Die Bio-Jause war eine Grüne Idee, die unter Rot-Grün realisiert wurde. Die
ÖVP war dagegen. Wir Grüne stehen für die Fortsetzung der Bio-Jause in den
nächsten fünf Jahren.
Wir Grüne haben gemeinsam mit der SPÖ ein Berufsgesetz für soziale Arbeit
und Sozialpädagogik auf den Weg gebracht. Die ÖVP steht hingegen für das
Ehrenamt: wahrhaftig, christlich, preiswert. Unter Rot-Schwarz würde dieser
wichtige Gesetzesentwurf in einer Schublade verschwinden.
Wie Rot-Schwarz hinsichtlich Bettelverboten und der Vertreibung von
SexarbeiterInnen und Obdachlosen in Wien agieren würde, mag ich mir gar
nicht vorstellen.
Über die UN-Behindertenkonvention, gegen deren Umsetzung ÖVP und
Wirtschaftskammer sich seit Jahren mit Händen und Füßen wehren, will ich gar
nicht reden. Oder über Freiräume wie das Amerlinghaus, das WUK, die
Pankahyttn oder die selbstbestimmten Wagenplätze.
Natürlich war und ist nicht alles leiwand unter Rot-Grün.
Wir haben das Inseratenvolumen nicht gekürzt. Stimmt. War blöd. War eine
Bedingung der SPÖ, und wir haben schweren Herzens eine Entscheidung
getroffen.
Wir waren in Kontrollfragen nicht laut genug. Mag sein. Aber wir haben in
zähen zweieinhalbjährigen Verhandlungen die Befugnisse des nunmehrigen
Stadtrechnungshofes erweitert. Was das bedeutet, werden die nächsten fünf
Jahre zeigen.
Es ist uns nicht gelungen, bestehende Strukturen der Stadtregierung
und -verwaltung aufzubrechen. Stimmt. Gegen die Hochsicherheitszäune, mit
denen die Ressorts ihre Schrebergärten abstecken, verblasst selbst der
Eiserne Vorhang. Doch wir lassen nicht locker, wir bleiben unbequem, und
irgendwann wird es uns zum Beispiel gelingen, eine vernünftige
Delogierungsprävention auf die Beine zu stellen, obwohl das Sozial- und das
Wohnbauressort Zeter und Mordio schreien.
Und ich freue mich darüber, durch die Mariahilferstraße zu radeln und zu
bemerken, dass viel mehr RollstuhlfahrerInnen als früher das Stadtbild
prägen. Freiraum und Freiheit sind unter Rot-Grün nicht bloß nebulöse
Schlagwörter geblieben.
Ich freue mich über unsere Housing-first-Modelle, die obdachlosen Menschen
selbstbestimmtes Leben ermöglichen. Ich bin froh über das rot-grüne
Winterpaket, das sicherstellt, dass niemand erfriert, egal woher sie oder er
kommt.
Ich freue mich darüber, dass wir zumindest ein bisschen beigetragen haben,
die schillernde Kultur der Roma zu sehen und diese Menschen nicht bloß
pauschal als BettlerInnen zu denunzieren. Linke Politik -- das muss hier
einmal hinausgeschrien werden -- gibt es nur mit uns Grünen. Es wird nie
genug sein, wir werden nie zufrieden sein, wir werden immer und immer wieder
an Sachzwängen, Routinen, Koalitionsbedingungen und ähnlich unappetitlichen
Strukturen scheitern. Eh. So ist Demokratie. Politik ist die Kunst des
Möglichen, wie schon Bismarck wusste. Aber wir geben nicht auf und scheitern
beim nächsten Mal besser, um ein weiteres Zitat, diesmal von Samuel Beckett,
zu bemühen. (Ich gebe zu, die Zitate habe ich nur mit Hilfe gefunden).
Außerdem haben wir in fünf Jahren Regierung dazugelernt. Wir wissen mehr als
früher, wir haben bessere Kontakte und besseren Zugang zu Informationen, wir
haben die Koalitionspartnerin und deren Befindlichkeiten kennengelernt, wir
glauben zu wissen, wo wir ansetzen müssen, um diese Stadt in eine bessere
Zukunft zu führen. Das gelingt uns nicht von heute auf morgen. Wer geglaubt
hat, wir könnten in einer Legislaturperiode fast 90 Jahre
sozialdemokratische Strukturen in Wien aufbrechen, tja, der hat uns und sich
selbst allzu viel zugetraut.
Rot-Grün hat auch mich ernüchtert. Dennoch: Rot-Grün in Wien macht Sinn. Und
dafür müsst ihr Grün wählen. Gemeinsam gelingt uns, auch für Menschen- und
Grundrechte einzustehen.
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[Verhaberungshinweis: Birgit Hebein ist nicht nur Grün-Politikerin, sondern
auch Schriftführerin des Vereins, der als Herausgeber der akin fungiert.]
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