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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 16. September 2015; 22:06
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> Währenddessen in der Türkei...
Nachdem die Partei des türkische Staatspräsidenten die Wahlen verloren hat 
und dieser wohl deswegen begonnen hat, ein bisserl Krieg zu führen, gab es 
bereits Hunderte Tote. Bei allem Gerede über den IS sollte das 
internationale Augenmerk vielleicht auch mehr auf diesen Konflikt gerichtet 
werden. Das alltägliche Elend heute vor allem im Südosten der Türkei 
schilderte kürzlich eine Lehrerin aus der Stadt Cizre:
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Ich arbeite seit 7 Jahren in Cizre und nun schäme ich mich für mein 
Menschsein. Heute ist der 7. Tag der Ausgangsperre, die von der Regierung 
angeblich zu meinem Schutz verhängt wurde.
Ich schäme mich dafür, dass ich ein Mensch bin. Im 21. Jahrhundert greift 
der Staat von Menschen besiedelte Gebiete mit Kanonen an. Während die Welt 
"4.5G" [Anm.: ein Mobilfunkstandard] benützt, haben wir hier keine 
Telefonverbindung.
Ich schäme mich dafür, dass ich ein Mensch bin. Die Verletzten können nicht 
ins Krankenhaus geführt werden. Die Leichen werden in Kühlschränken 
aufbewahrt.
Ich schäme mich dafür, dass ich ein Mensch bin. Die gesamte Türkei stellt 
sich blind, taub und stumm. Plötzlich höre ich eine gewaltige Explosion, es 
gibt keinen Strom mehr. Ich denke, ob eine Schülerin, ein Schüler bzw. deren 
Familienangehörige unter den möglichen Opfern sind.
Wie kann ich ein Kind dazu bringen die Polizei zu lieben, dessen Verwandte 
von der Polizei getötet wurden. Auf der Straße fragen mich meine 
SchülerInnen, ob ich weiß, dass diese oder jener getötet worden ist oder ob 
ich die Personen kenne, deren Häuser zerbombt worden sind. Ich weine, meine 
Tränen fließen in mich. Sie fragen mich, wessen sie sie schuldig gemacht 
haben, was sie angestellt haben.
Der Staat wird mich und andere LehrerInnen morgen auffordern, den Kindern 
beizubringen, die Heimat, die Nation, die Fahne und die Polizei zu lieben. 
Wie kann ich es bewerkstelligen, jene Menschen dazu zu bewegen wiederum 
andere zu lieben von denen sie annehmen, sie hätten ihre FreundInnen, 
Verwandten oder Geschwister getötet. Könnten Sie das?
Es gibt noch vieles, das schmerzt, zu berichten. Um mich herum ist es 
dunkel, wir sind im Dunklen. Fragt nicht, ob hier jemand ist. Es leben 
140.000 Menschen hier, bitte helft!
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Die Ausgangssperre galt fast neun Tage lang vom 4.September an, kurz nach 
deren Ende wurde sie aber erneut verhängt. Veröffentlicht wurde dieser Brief 
von der türkischsprachigen Medienplattform Bianet, Übersetzung: Senol 
Akkilic.
Türkisches Original: 
http://bianet.org/bianet/insan-haklari/167561-cizre-den-bir-ogretmen-anlatiyor
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