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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 2. September 2015; 02:50
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Rechtsextremismus:

> Herr Dr. Sarrazin und der dumme Mob von Heidenau

Kommentar vom Blog *Schmetterlingssammlung*

Wer das gesamte Forum Alpbach besuchen möchte, muss schlanke 1200 Euro dafür
hinblättern. Hinzukommen Anreise, Unterkunft und Verpflegung. Einzelne
Gesprächsreihen gibt es schon zu günstigen 700 Euro. Für zusätzliche Kurse,
etwa zu europäischer Integration, sind noch einmal 1200 Euro drauf zu legen.
Das ist in etwa ein Dreiviertel-Monatseinkommen einer
Durchschnittsverdienerin von Sachsen. Der Hartz-IV-Regelbedarf liegt bei 399
Euro, davon sind ganze 1,52 Euro für Bildung vorgesehen. Bestimmt gibt es
irgendwelche wohlmeinenden Menschen, Stiftungen, Charity-Organisationen, die
einem glücklichen Hartz-IV-Empfänger die Teilnahme finanzieren würden, wenn
man nur laut genug schreit. Das ist nicht der Punkt. Der Punkt ist, dass
Alpbach dezidiert ein sehr exlusives Treffen ist. Alles was Rang und Namen
hat, trifft sich und plaudert im beschaulichen Alpbach. Die zukünftige Elite
darf auch dabei sein und wird über Stipendien und Ermäßigungen mitgenommen.
Dass in diesen Ermäßigungen Studierende erwähnt werden, Arbeitslose jedoch
nicht, ist ein klares (wahrscheinlich nicht einmal bewusst gesetztes)
Zeichen, wer zur Zielgruppe gehört und wer nicht. Soviel zu den
Rahmenbedingungen.

Natürlich werden aller Ortens Zeichen gesetzt, Schweigeminuten abgehalten
und Konzepte dafür ausgearbeitet, was man denn für Flüchtlinge tun kann. Ein
zentraler Ort ist Heidenau in Sachsen. Dort haben Antirassist_innen und
Antifaschist_innen alle Hände voll zu tun, das Schlimmste zu verhindern.
Polizei und CDU warnen unterschiedslos vor Links- und Rechtsextremismus in
völliger Verkennung der Realität. Die Realität ist, dass in Orten wie
Heidenau Pogrome wie in den 90ern drohen. Pogrome, die Tote zur Folge
hatten. Pogrome wie in Rostock-Lichtenhagen, die unterschiedslos von
organisierten Neonazis und Teilen der lokalen Bevölkerung begangen, bejohlt
und beklatscht wurden. Medial gibt es aber interessanterweise eine große
Welle der Unterstützung für die Refugees. Natürlich erst Tage und Wochen
nach linken und antirassistischen Initiativen, aber man möchte ja nicht
Haare spalten in diesen Tagen. Nachrichtenmoderatorinnen sagen klipp und
klar, dass Rassismus nicht geduldet wird, Comedians werden ganz ernst,
berühmte Schauspieler legen sich mit rassistischen Hetzern an und überall
werden Spenden gesammelt. Gut so. Mit einem kleinen Schönheitsfehler.
Rassismus wird als Charakterfehler einer ungebildeten, dummen Schicht, die
nichts kann und nichts weiß, gesehen. Rassismus als Merkmal eines
schmutzigen, tiergleichen Mobs, der sich nicht unter Kontrolle hat und bloß
aus Instinkten anstatt nach klaren Gedanken handelt. Eklig, mit sowas will
man natürlich nichts zu tun haben. Mit denen reden wir nicht. Da bejohlen
wir jeden grammatikalisch falschen Satz. Solche Trottel. Typisch
Ostdeutschland. Typisch Dummköpfe.

Am Forum Alpbach wird heute [Anm.: Text von 31.8.2015] Dr. Thilo Sarrazin zu
Gast sein. Kontrovers, keine Frage. Er wird über "Sackgasse Europa? Asyl-
und Flüchtlingspolitik auf dem Prüfstand" am Podium reden. Es ist eine
geplante Provokation. Natürlich lässt man auch den Protest am Forum zu.
Natürlich dürfen auch Vertreter_innen des Zentrums für politische Schönheit
ihren Widerspruch zu Sarrazin kund tun. Denn das gehört wie Sarrazin dazu.
Es ist ein Spiel, ein Abwägen, ein Austarieren. Auf der einen Seite Protest
gegen die aktuelle Flüchtlingspolitik vieler Regierungen, auf der anderen
Seite jemand, der seinen Rassismus in wichtige Worte verpackt. Immerhin, er
hat viele Zahlen in seinem Buch. Und überhaupt, was der schon alles
geleistet hat - dem muss man zumindest zuhören. Er kann ja auch korrekte
deutsche Sätze formulieren. Käme es nicht Zensur gleich, diese kontroversen
Meinungen auszusparen? Was Dr. Sarrazin mehr qualifiziert über Asylpolitik
zu sprechen, als eine x-beliebige Anwohnerin aus Heidenau wird leider nicht
erläutert. Warum muss der Rassismus eines kapitalreichen Mannes gehört
werden? Der einzige Unterschied zwischen Sarrazin und dem "Pack" in Heidenau
ist, dass Ersterer die Codes kennt, die für das Fortkommen in bürgerlichen
Schichten angemessen sind. Das macht ihn aber eigentlich gefährlicher, denn
er macht Rassismus akzeptabel. Keine großen Massen finden die Pogromstimmung
in Heidenau wirklich in Ordnung. Mit Sarrazins feingeschliffener Vorarbeit
kann aber auch das Forum Alpbach leben. Rassismus beginnt nicht bei
brennenden Unterkünften. Er beginnt weit davor. Er beginnt sehr viel
bequemer. Er beginnt dort, wo Sarrazin ein legitimer, kontroverser
Gesprächspartner ist. Alle, die das befördern, sind genauso Schuld, wie
jene, die Heidenau verharmlosen. Dennoch: Gegen die doofen Nazis in Heidenau
zu sein, aber bei Sarrazin Speichel lecken geht sich nicht aus. Das hat
nichts mit Antirassismus zu tun. Das ist einzig und allein bürgerliche
Befindlichkeit. ###

Quelle: http://schmetterlingssammlung.net/2015/08/31/herrdrsarrazin/



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