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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 19. August 2015; 17:30
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International / Militär / Asyl:

> Deutsches Militärgerät für Tunis

Flüchtlingsabwehr wird mit Angst vor Jihadisten legitimiert

Deutschland wird Tunesien militärische Ausrüstung zur Verfügung stellen und
nach Möglichkeit auch die sonstige Kooperation mit den tunesischen
Streitkräften ausweiten. Dies ist das Ergebnis eines Besuchs der deutschen
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen in dem nordafrikanischen Land
Ende Juli. Demnach soll die Bundeswehr Militärgerät im Wert von 1,2
Millionen Euro nach Tunesien liefern, darunter eine Barkasse, ein
Schwimmdock zur Reparatur von Booten, Lastwagen, 700 Doppelfernrohre und
3.000 Helme. Außerdem soll sie Techniker der tunesischen Streitkräfte
ausbilden. Offiziell begründet werden die Maßnahmen damit, dass Tunesien
einer wachsenden Bedrohung durch jihadistischen Terror ausgesetzt ist, die
sich zuletzt in dem Attentat vom 26. Juni unweit Sousse zeigte; dabei kamen
39 Menschen zu Tode. In Reaktion darauf müsse nun der Sicherheitsapparat
gestärkt werden, heißt es; vor allem sollten, da der Täter vermutlich aus
Libyen einreiste, die Außengrenzen hochgerüstet werden.

Anders als die offizielle Darstellung suggeriert, ist die militärische
Kooperation mit Tunesien nicht primär durch den jihadistischen Terror
motiviert - denn sie besteht schon seit Jahren und wurde in die Wege
geleitet, als von jihadistischer Bedrohung noch keine Rede war [und Tunesien
noch von Ben Ali regiert war, Anm.]. So hat Berlin bereits im Jahr 2004 den
tunesischen Streitkräften die Lieferung von sechs Schnellbooten aus
Beständen der Bundesmarine zugesagt. Parallel wurde damals auch weiteres
militärisches Gerät geliefert, unter anderem Kommunikationsausrüstung sowie
Bodenüberwachungsradar. Darüber hinaus sind inzwischen beinahe 400
tunesische Soldaten von der Bundeswehr ausgebildet worden. Eine enge
deutsch-tunesische "Sicherheits"-Kooperation ist ausdrücklich bereits am 12.
September 2012 in einer "Gemeinsamen Erklärung" beider Länder ins Auge
gefasst worden: "Deutschland und Tunesien haben die Absicht, im Rahmen einer
Partnerschaft im Bereich der Sicherheit zu kooperieren", hieß es darin.

Dabei zielt Berlin seit geraumer Zeit insbesondere auf die tunesische
Grenzsicherung ab. So teilte die Bundesregierung im Herbst 2014 mit, die
Bundespolizei "unterstütz(e) die tunesischen Grenzbehörden" bereits "im
Bereich Küstenwache, maritime Sicherheit und Seenotrettung sowie
Grenzkontrolle, Dokumenten- und Urkundensicherheit". Im Mai 2015 kündigte
die Regierung an, neben "Ausbildungs- und Beratungshilfen zu verschiedenen
kriminalpolizeilichen Themen" werde die Bundespolizei künftig "ein
bilaterales Grenzpolizeiprojekt zum Kapazitätsaufbau der tunesischen
Grenzbehörden" durchführen. Weiter hieß es: "Es ist geplant, ein gemeinsames
regionales Lagezentrum der Nationalgarde und der Grenzpolizei einzurichten,
die Aus- und Fortbildung der tunesischen Polizei und Nationalgarde zu
stärken, die Aufgabenwahrnehmung an Grenzübergängen zu verbessern und die
Sicherheit in Seehäfen zu optimieren." Ebenfalls laut Auskunft der
Bundesregierung lieferte das Auswärtige Amt "2.700 Splitterschutzwesten und
50 hochwertige Wärmebildkameras an die tunesische Grenzpolizei".

Während Berlin für die deutsch-tunesische "Sicherheits"-Kooperation in den
kommenden Jahren laut Berichten 100 Millionen Euro bereitstellen will,
spannt die deutsche Regierung zugleich die EU für die Abschottung der
tunesischen Grenzen ein. War Außenminister Frank-Walter Steinmeier im
vergangenen Jahr noch mit dem Versuch gescheitert, eine
EU-Grenzschutzmission nach dem Vorbild von EUBAM Libya zu organisieren, so
scheint nach dem Terroranschlag vom 26. Juni der Widerstand in der EU
geschwunden zu sein. Am 20. Juli stellten die EU-Außenminister Unterstützung
für die tunesischen Repressionsapparate in Aussicht - vor allem für die
Absicherung der Außengrenzen des Landes. Der Ministerpräsident und der
Außenminister Tunesiens, die beide mit den EU-Außenministern über zukünftige
Maßnahmen diskutierten, drückten ihre Zustimmung aus: Seine Regierung zähle
auf die Unterstützung der EU, teilte der tunesische Ministerpräsident Habib
Essid ausdrücklich mit.

Für Berlin wäre eine starke Einwirkung auf die tunesische Grenzabschottung
ein dreifacher Erfolg. Zum einen würde nicht nur die Bewegungsfreiheit von
Jihadisten, sondern vor allem auch diejenige von Flüchtlingen empfindlich
eingeschränkt, die aus Nordafrika in die EU übersetzen wollen. Zum zweiten
gelänge es der Bundesrepublik mit einer größeren nationalen Beteiligung,
stärkere Beziehungen zu den Repressionsapparaten Tunesiens aufzubauen; dies
brächte neue Vorteile in der Rivalität mit Frankreich, das bislang in seinen
ehemaligen Kolonien eine dominante Stellung innehat.

Zum dritten würde eine EU-Grenzschutzmission in Tunesien das Bestreben
Berlins und der EU voranbringen, die südlichen Mittelmeer-Anrainer insgesamt
stärker zu kontrollieren. Wie die Bundesregierung mitteilt, stehen die
aktuellen Maßnahmen in Tunesien im Zusammenhang mit Bemühungen um die
"Schaffung eines euro-mediterranen Raums" der "wirksamen Koordination und
Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Sicherheit. Die Schaffung eines
derartigen "Raums" brächte der deutsch dominierten EU einen direkten Zugriff
auf den südlich an Europa grenzenden Staatengürtel in Nordafrika - und damit
intensivere Kontrolle über ein Gebiet, das gegenwärtig aus verschiedensten
Gründen in der EU für Unruhe sorgt.
(german-foreign-policy.com/bearb.)

Literatur:
Ministerin bietet Tunesien Hilfe zur Grenzsicherung an. http://www.bmvg.de
29.07.2015.
Gemeinsame Erklärung anlässlich der ersten deutsch-tunesischen
Regierungskonsultationen auf Staatssekretärsebene. Berlin, 12. September
2012.
Christian Mölling, Isabelle Werenfels: Tunesien: Sicherheitsprobleme
gefährden die Demokratisierung. SWP-Aktuell 62, Oktober 2014.
Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Abgeordneten Andrej
Hunko, Christine Buchholz, Annette Groth und der Fraktion Die Linke.
Deutscher Bundestag, Drucksache 18/3054 vom 05.11.2014.
Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Abgeordneten Andrej
Hunko, Niema Movassat, Wolfgang Gehrke, Kathrin Volger und der Fraktion Die
Linke. Deutscher Bundestag, Drucksache 18/4915 vom 18.05.2015.
Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage des Abgeordneten Andrej
Hunko und der Fraktion Die Linke. Berlin, 14. Juli 2015.
Stefan Braun: Deutschland will den Frühling retten.
http://www.sueddeutsche.de 10.07.2015.
Julian E. Barnes, Laurence Norman: EU Exploring Security Mission to Assist
Tunisia. http://www.wsj.com 20.07.2015.
Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Abgeordneten Andrej
Hunko, Niema Movassat, Wolfgang Gehrke, Kathrin Volger und der Fraktion Die
Linke. Deutscher Bundestag, Drucksache 18/4915 vom 18.05.2015.

Quelle: http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/59173 (nur für
Abonnenten im Volltext abrufbar)



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