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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 1. Juli 2015; 19:02
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Südafrika:

> Die Mühen der Ebenen

Hermann Dworczak berichtet aus Johannesburg
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Die 10. Konferenz der WAPE (World Association for Political Economy) fand
vom 19.-21. Juni in Johannesburg/Südafrika statt. An der Konferenz nahmen
rund 80 Personen teil -- der Großteil aus Südafrika und China. Es gab zwar
TeilnehmerInnen aus Indien, Japan, einigen europäischen Ländern bzw einzelne
Teilnehmer aus Brasilien und Australien. realiter gelang es aber nicht die
benötigte Kontinuität zu vorherigen Konferenzen zu schaffen. So fehlten etwa
Länder wie Mexiko und Vietnam, die in den letzten Jahren WAPE-Konferenzen
ausgerichtet hatten.

Dennoch kann man/ frau eine positive Bilanz ziehen. Was an Informationen und
Analysen über Südafrika geboten wurde, war hervorragend. Alle zentralen
Fragen (Abschaffung der Apartheid, aber kein grundsätzlicher
gesellschaftlicher Wandel; herrscht heute in Südafrika ein
"Subimperialismus"?; wie könnte es weitergehen in Richtung Sozialismus?,
etc.) wurden debattiert.

Schwarzsein bedeutet weiter Armut

Ich wurde aber auch unmittelbar Zeuge, wie es um das Leben der grossen
Mehrheit der schwarzen Bevölkerung -- trotz der (formalen) Abschaffung des
Apartheid-Systems bestellt ist.

Ein Freund führte mich in das Beratungszentrum für Wohnungsfragen, das von
der KP Südafrikas unterstützt wird. Das Zentrum befindet sich in einem
kleinen Raum in einer Kirche der Methodisten. Dort saßen 5 schwarze Frauen
und berichteten von der gerade stattfindenen gewaltsamen Delogierung von 89
Familien. Den Familien gehören die Wohnungen, aber das undurchsichtige
System immer neuer "Abgaben" diente als Vorwand für die Räumung. Diese ging
extrem brutal über die Bühne. Eine Organisation namens "Red Ants" (Rote
Ameisen) nahm sie vor -- gemeinsam mit einer Schlägerbande von Jugendlichen.
Es wurde geplündert und Pfefferspray gesprüht -- wobei ein vier Monate altes
Baby zu Tode kam!

Die Frauen erzählten , dass sie und ihre Familien nunmehr auf der Strasse
sitzen und auf Solidarität angewiesen sind. Ich erfuhr, dass es sich bei
diesem beschämenden Ereignis um keinen "Einzelfall" handelt, sondern ein
Teil der systematischen Bemühungen ist, arme Schwarze aus dem Stadtzentrum
von Johannesburg hinauszuekeln.

Museales

Ich besuchte auch das Apartheid-Museum in Johannesburg. Es gibt einen
ausgezeichneten Einblick in die Geschichte Südafrikas, das entsetzliche
Apartheid-System und den Befreiungskampf. In einer Sonderausstellung wird
derzeit das Wirken Mandelas gezeigt.

Man/frau erfährt viel über die verschiedenen Phasen des Befreiungskampfs und
über die unterschiedlichen politischen Strömungen (mit grosser Freude
registrierte ich, dass auch der revolutionäre Marxist Neville Alexander, der
gemeinsam mit Mandela im Gefängnis saß, erwähnt wird).

So toll die Ausstellung ist, so offenkundig sind auch ihre politischen
Grenzen. Sie endet mit einer Tafel, auf der es heißt, dass ein "Triumph des
menschlichen Willens " stattgefundet habe. Diese liberale Sichtweise blendet
gänzlich aus, dass der überwiegende Teil des ökonomischen Unterbaus des
Apartheidsystems (inbesonders in den extraktiven Industrien wie Bergbau oder
Ölgewinnung) weiterexistiert. Schwarz zu sein bedeutet auch heute in den
meisten Fällen arm und ausgebeutet zu sein- wie die oben geschilderte
gewaltsame Rämung zeigt.

Armut -- Kriminalität -- Xenophobie

Der Armut in Südafrika begegnet man/frau überall. Nicht "nur" in den
Townships, ebenso in den Städten. Im Zentrum Johannesburgs wird gebettelt:
vor den meisten Fast-Food-Shops, vor Hotels, aber auch direkt vor der
landesweiten Zentrale des Gewerkschaftsbunds Cosatu. Im zentral gelegenen
Stadtteil Braamfontein begegne ich den ganzen Tag über Stirlern, also Armen,
die die Mistkübel nach für sie brauchbaren Resten durchsuchen.

Auch für viele, die einen relativ fixen Job haben, ist die Lage trist: In
dem kleinen Hotel, in dem ich wohne, bekommt der Rezeptionist 4500 Rand
monatlich, also knapp 300 Euro. Er erzählt mir, dass es "in der Monatsmitte
sehr eng wird. Ich muss mich dann um zusätzliche Arbeiten umschauen."

Bei einem Besuch des historisch interessanten Friedhofs von Johannesburg (er
hat auch einen eigenen jüdischen Teil) mache ich eine ähnliche Erfahrung.
Der dortige -- private -- Sicherheitsbeamte verdient im Rahmen einer
5-Tage-Woche monatlich 3000 Rand (bei zusätzlichen Sonntags- oder
Feiertagsdiensten etwa 3500 Rand). Dem Ort angepasst ließe sich sagen:
zuwenig zum Leben, zuviel zum Sterben.

Das Elend führt dazu, dass Südafrika weltweit ganz oben in der Tabelle der
Kriminalitätsrate liegt. Ich erlebte eine typische Szene: Auf meinem Weg zu
einer Veranstaltung in den wegen seiner "Modernität" und "Entwicklung"
hochstilisierten Stadtteil Newtown umringt am späteren Nachmittag ein Gruppe
jünger Männer einen schwarzen, etwas besser gekeideten Mann, der mit einem
Koffer Richtung Bahnhof geht, um ihn auszurauben. Nur weil zuviele Passanten
da sind und einige dem Bedrohten helfen, kann dieser entfliehen...

Die strukturelle Armut ließ auch die Xenophobie massiv erstarken. Sowohl auf
der WAPE- Konferenz als auch in Seminaren in der Cosatu oder den
Bildungszentren der Gewerkschaften wird der Hass auf den "anderen" Schwarzen
zur Sprache gebracht: Südafrikaner gegen Menschen etwa aus Tansania,
verschiedene Provinzen gegeneinander, ja eine Stadt, eine Dorfgemeinde gegen
die andere!

In einem Gewerkschaftsseminar, in dem es insbesonders um Ausbildungsprobleme
für junge, weibliche Schwarze geht, sagt ein Diskussionsteilnehmer treffend
hinsichtlich der hier angerissen Probleme: "Ja, es hat nach 1994 einige
Verbesserungen gegeben. Aber nach wie vor wird unser Land von 4 Familien
kontrolliert".

Neoliberales Trio

Die politische Landschaft des Landes wird von einer "Dreier-Koalition"
bestimmt: ANC, Cosatu und die KP Südafrikas (SACP) bilden die
Zentralregierung. Deren ökonomische Ausrichtung ist seit 1994 weitgehend
neoliberal: niedrige Löhne, um billig zu exportieren und ausländisches
Kapital anzulocken. Dieser Kurs, der die Armut und die strukturellen
Probleme des Landes nicht löste, hat in letzter Zeit zu einigen politischen
Auffächerungen geführt -- insbesonders nach dem Massaker von Marikana, bei
dem einige Dutzend MinenarbeiterInnen von der Polizei erschossen wurden.

Die SACP, deren strategische Orientierung auf dem -- stalinistischen --
Zwei-Etappen-Modell basiert, hat in einem jüngst veröffentlichen Dokument
für eine zweite "radikalere Phase der nationaldemokratischen Revolution"
optiert. Deren "Radikalität" erschöpft sich jedoch in Forderungen nach mehr
Kontrolle des privaten Sektors und mehr Veredelung der Produkte der
extraktiven Industrien. Nach wie vor wird um deren Überführung in die
öffentliche Hand ein Umweg gemacht -- obwohl diese selbst in der
Freedom-Charta des ANC vorgesehen ist.

Demgegenüber gibt es eine Linke, die für einen strategischen Bruch mit dem
Kurs des Landes seit 1994 eintritt. Wichtigster Akteur in dieser Hinsicht
ist die Metallarbeitergewerkschaft NUMSA, die im Vorjahr aus dem Cosatu
ausgeschlossen wurde/ausgetreten ist. Die NUMSA hatte im Vorjahr 350 000
Mitglieder und wird heute auf über 400 000 Mitglieder geschätzt. Sie
vertritt nicht nur in Gewerkschaftsfragen eine feste Klassenlinie, sondern
wirkt im Rahmen der linken "United Front" dafür, dass auch auf politischer
Ebene eine Bewegung in Perspektive einer Partei entsteht, die unabhängig von
der (klein)bürgerlichen Führung des ANC agiert.

Auf der WAPE-Konferenz liess einer ihrer Sprecher, Azwell Banda, nichts an
Deutlichkeit missen. Sich auf Marx und Lenin beziehend (insbesonders "Staat
und Revolution") unterstrich er, dass sich seit 1994 zwar die Regierung,
aber nicht die Macht im Land geändert hat.
*

Fortsetzung folgt -- da Redaktionssommerpause aber leider nur auf dem Blog:
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