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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 17. Juni 2015; 16:47
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Debatte/Recht/Diskriminierung:

> Lücke im Gesetz

Die österreichischen Gesetze schützen jede Einzelperson geht es um Leumund,
guten Ruf oder nur um Unterstellungen. Insbesondere, wenn es sich um
Geschriebenes, Gedrucktes und sonst für die Öffentlichkeit bestimmte
Äußerungen handelt. Da gibt es Klage- und Eingriffsmöglichkeiten. Da gilt
für den/die Täter "Wahrheitsbeweis antreten oder bezahlen."

Wenn also ich, als Herr/Frau XY, einer unguten Eigenschaft, eines
schädlichen Verhaltens oder sonst etwas Ehrenrührigen bezichtigt werde,
schützen mich unsere Gesetze. Niemand dürfte mich also grundlos als "Gefahr
für die hiesige Kultur" bezeichnen, ohne mit einer Anzeige rechnen zu
müssen.

Wie anders geht es mir aber als Mitglied irgendeiner Gruppe! Da habe ich
nach dem Gesetz keine Möglichkeit mich zu wehren. Auch wenn ich mich als
einzige Person in der Gemeinde zum Islam bekenne, darf jeder ohne Sanktionen
zu befürchten schreiben: "Der Islam (und seine Anhänger) gefährden unsere
Kultur." Somit wäre ich, als Person, auf den Pranger gestellt. Meines
Wissens gibt es kein Gesetz, das es mir erlaubt, mich rechtlich zu wehren.

"Die Juden sind mit allen Wassern gewaschen und als Hausherren und
Geschäftsleute gefährlich." oder "Die Asylsuchende und Zuwanderer wollen nur
unseren Sozialstaat ausnnützen." Wenn ich -- von den Nazis zum Jüdischen
gestempelt -- in Österreich normal leben will, werde ich damit sofort
diskriminiert. Aber die Behauptungen treffen "nur" die Gruppe, für mich
persönlich ist dagegen anscheinend kein Rechtsmittel vorgesehen. Die
Beispiele lassen sich beliebig fortsetzen.

Ich fordere deshalb alle demokratisch Gesinnten auf, diesen Schutz für
Gruppen und deren Angehörige zu verlangen und dies abseits politischer
Himmelsrichtungen!

Würde dies eine Beschneidung demokratischer Rechte bedeuten?

Nun, wir sind alle für die Freiheit der Person. Aber das beinhaltet bestimmt
nicht die Freiheit andere Menschen zu betrügen, zu berauben oder zu töten!

Und wenn wir für die Freiheit der Rede, der Presse und der Kunst sind,
beinhaltet das die Freiheit andere Menschen zu diskreditieren, zu
diskriminieren, aus der Gesellschaft auszuschließen? Und das ohne
Wahrheitsbeweis, ohne konkreten Anlass und nur aufgrund der Zugehörigkeit zu
einer Gruppe!
*Dora Schimanko*

*

>Stellungnahme der Redaktion

Ganz so einfach ist die Sache nicht: Erstens gibt es einen Unterschied
zwischen Beleidigung und Übler Nachrede. Nur bei letzterer ist ein
Wahrheitsbeweis möglich. Wenn jemand als "Gefahr für die hiesige Kultur"
bezeichnet wird, wird kaum ein Richter dies als Beleidigung ansehen, sondern
als politische Wertung. Ob dies eine zulässige Äußerung ist, ist aber
diskutierbar. Wenn es sich um eine soziale Gruppe handelt, über die ein
Pauschalurteil gefällt wird, könnte eventuell da nach dem
Verhetzungsparagraphen geklagt werden -- ab einem gewissen Level wird so
etwas auch tatsächlich zur Anklage gebracht. Oder man kann im Zusammenhang
mit Religion mit dem bekannten §188, "Herabwürdigung religiöser Lehren"
operieren -- der aber trotz Entschärfung durch die der Broda'sche Reform
immer noch demokratiepolitisch eher bedenklich ist. Ob wir uns daher
zweitens wünschen sollen, dass bei solchen Vorurteilen gleich geklagt werden
kann, wagen wir zu bezweifeln, weil dann keine Gruppe mehr kritisierbar ist.
Es gibt immer wieder Katholiken, die gerne strengere Gesetze in diesem
Bereich hätten.

Damit wäre jede Kritik, jede Satire oder auch nur ironische Behandlung
religiöser Themen unmöglich. Und wenn dann religiöse und ethnische Gruppen
allein wegen ihrer Identität als Gruppe alles klagen könnten, könnte man das
auch anderen sozialen oder politischen Gruppen nicht mehr verweigern.
Aussagen wie "Die Sozialdemokraten verraten die Arbeiter" oder "Die FPÖ ist
eine Gefahr für das friedliche Zusammenleben der Kulturen" oder "Die ÖVPler
zerstören den Sozialstaat" oder "Die Industriemanager sind alle Ausbeuter"
oder "Den Grünen sind Bäume wichtiger als Menschen" oder auch nur der
Begriff "Finanzmafia" wären dann nicht mehr straflos möglich und daher auch
nicht diskutierbar. Das kann doch nicht das Ziel sein?

Die Judikatur des Medienstrafrechts genauso wie zivilrechtlicher Klagen nach
§1330 ABGB ist sehr komplex, da die Gerichte oft auch zwischen den
Rechtsgütern der Ehre, des guten Rufs und des sozialen Friedens einerseits
und der freien Meinungsäußerung andererseits abwägen müssen. Hier im Sinne
des Schutzes vor Diskriminierung übermäßig Druck auf eine Seite der
Waagschale ausüben zu wollen, ist nicht ungefährlich.
*Ilse Grusch, Bernhard Redl*



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