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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 17. Juni 2015; 16:45
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Arbeit/Soziales/Initiativen:
> Carevolution: Widerstand gegen Sozialabbau in OÖ und Wien
Bei einer Veranstaltung von work{AT}sozial am 3. Juni 2015 im Wiener "Club 
International" am Yppenplatz informierten BetriebsrätInnen über zunehmend 
unerträglicher werdende Arbeitsbedingungen, geplante Verschlechterungen und 
sich dagegen formierenden Widerstand. Ein Hoffnungsschimmer im Kampf gegen 
"rot"-grüne bzw. schwarz-grüne Versuche die Krise des Kapitalismus auf dem 
Rücken der davon betroffenen Menschen (PatientInnen/KlientInnen und im 
Sozialbereich Beschäftigte) auszutragen.
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Johannes Reiter, Zentralbetriebsratsvorsitzender bei "Pro mente 
Oberösterreich" und Landesvorsitzender von work{AT}social berichtete von den 
schon länger schwelenden Auseinandersetzungen in seinem Bereich. Der Verein 
beschäftige 1400 KollegInnen, die psychiatrisch beeinträchtigte Menschen 
betreuen. Die gute Nachricht zuerst: Am 16. Juni werde wieder gestreikt! 
[Anm. d. Red.: Doch nicht! Kurz vor dem geplanten gewesenen Streik kam es zu 
einer Einigung mit der gpa-djp. [1]] 2010 gab es bereits einen Warnstreik, 
doch dieses Mal würde sich nicht "nur" die Belegschaft von "Pro mente OÖ" 
beteiligen, sondern alle Betriebe im sozialen Bereich mitmachen.
"Pro mente OÖ" wurde seit seiner Gründung 1964 bis ins Jahr 2000 vom Land 
immer "pauschal finanziert", meinte Reiter. Seit 2000 sei es aber zu einer 
Reihe von Kürzungen gekommen und 2008 hätte das Land den Verein 
aufgefordert, alle Altverträge mittels Änderungskündigung aufzulösen. Eine 
Betriebsversammlung, an der sich 800 KollegInnen beteiligt hätten, hätte das 
Ergebnis erbracht, dass die Änderungskündigungen abgelehnt wurden. Niemand 
wäre bereit gewesen diese zu unterschreiben. Da das schwarz-grün regierte 
Land nicht alle 1400 KollegInnen kündigen konnte, wäre es möglich geworden 
eine Übergangslösung zu verhandeln, die die alten Bedingungen bis ins Jahr 
2020 absichern sollte.
Als Reaktion darauf hätten die politisch Verantwortlichen geplant 33% der 
Beratungsstellen von "Pro mente OÖ" mittels Direktive des Landes (2010) zu 
schließen. Es kam zu dem erwähnten Warnstreik mit dem Ergebnis, dass ein für 
das Land nicht billiger Sozialplan vereinbart worden sei. Die Schließungen 
hätte man zwar nicht verhindern können, aber die KollegInnen machten die 
Erfahrung, dass sie mit "guter betriebsrätlicher Organisation und der 
Bereitschaft sich auf die Füße zu stellen" einiges erreichen können.
Natürlich gaben die schwarz-grünen Sozialabbauer nicht einfach klein bei und 
es kam zu weiteren Verschlechterungen, Einschränkungen und Kündigungen. Im 
Jänner 2015 ließ die Landesrätin für Soziales Gertraud Jahn mit ihrem Plan 
25 Millionen Euro einzusparen (500 Arbeitsplätze) aufhorchen. Unter den 
damaligen Bedingungen hätten bereits drei bis viertausend Menschen auf 
Betreuungsplätze warten müssen! Als Reaktion wurde eine Kundgebung, an der 
sich 2200 KollegInnen beteiligt hätten, organisiert. Das Land Oberösterreich 
hätte reagiert und angeboten, die Kürzungen auf 17 Millionen Euro zu 
reduzieren und in den nächsten fünf Jahren keine Einschränkungen mehr 
vorzunehmen, sowie für denselben Zeitraum keine Kündigungen auf Grund der 
Kürzungen durchzuführen. Weiter sollte in den nächsten fünf Jahren das 
Soziallbudget jährlich um fünf anstatt um zwei oder drei Prozent erhöht 
werden. Auch die BAGS-KV-Erhöhung sollten valorisiert werden.
Die betroffenen Trägerorganisationen hätten die angekündigten Kürzungen von 
25 Millionen akzeptiert und danach auch die um 17 Millionen. Die Belegschaft 
hätte dafür allerdings eine Gewährleistung, keine weiteren Kündigungen 
auszusprechen, gefordert. Somit hätte sich erstmals die Chance auf einen 
"betriebsinternen" Streik -- also keinen "politischen" -- für eine 
Betriebsvereinbarung, die garantiert, dass in den nächsten fünf Jahren 
niemand gekündigt wird und außerdem dass im Falle des Endes von befristeten 
Anstellungsverhältnissen adäquat nachbesetzt wird, geboten.
Die Trägerorganisationen waren, wie Johann Reiter meinte, perplex. Es folgte 
eine weitere Demonstration mit 3500 Leuten. Das Land hätte für den 9. Juni 
Betriebsräte, Gewerkschaften und Geschäftsführungen der Trägerorganisationen 
zu Verhandlungen eingeladen. Die 17 Millionen stünden also jetzt zur 
Debatte.
Auch in Wien regt sich Widerstand
Eine Vertreterin der KrankenpflegerInnen des AKH-Wien kritisierte, dass für 
verschiedene Tätigkeiten, die früher den ÄrztInnen oblagen, zunehmend das 
Pflegepersonal herangezogen werde. Daraus resultiere zusätzlicher 
Arbeitsaufwand und eine zusätzliche Übernahme von Verantwortung seitens des 
Pflegepersonals. Die PflegerInnen seien im Dienst zu zweit für 28 
PatientInnen zuständig. Sie frage sich, woher sie die Zeit für die 
eigentliche Pflege der PatientInnen nehmen solle, wenn sie nun auch noch 
Aufgaben der ÄrztInnen übernehmen muss. Prinzipiell hätte sie nichts 
dagegen, diese zusätzlichen Arbeiten zu übernehmen, allerdings bräuchte es 
dafür mehr Personal. Die Pflege sei, im Sinne der Ausbildung, nicht mehr zu 
gewährleisten. Hinzu kommt, dass zunehmend mehr PflegehelferInnen statt 
diplomiertem Pflegepersonal eingestellt werde, was die Situation nicht 
leichter machen würde. Denn PflegehelferInnen dürften gewisse Tätigkeiten 
gar nicht erst übernehmen.
Der Ärztemangel würde durch dieses "Arbeitspaket 7" (so nennt sich die 
Verschlechterung offiziell) nicht beseitigt werden. Zeitweise müssten 
Stationen gesperrt werden! Wartelisten für OP´s und andere Eingriffe seien 
extrem lang. Diese Missstände betreffen alle Berufsgruppen. Teilweise sei 
einE AbteilungsleiterIn für vier Stationen zuständig. Die KollegInnen würden 
ihre Arbeit einfach nicht schaffen und es gäbe Chaos. Viele Stationen, vor 
allem die Interne und die Unfallchirugie hätten Gangbetten. Das sei für 
PatientInnen und Personal untragbar. PatientInnen hätten dadurch 
"Null-Intimsphäre" und es gäbe keine PatientInnen-Rufanlagen, da so etwas am 
Gang einfach nicht existieren würde. Die Stimmung unter den KollegInnen 
hätte sich im letzten halben Jahr verschlechtert. Dies müsse sich ändern! 
Man hätte die Aktivitäten von "Carevolution" in Salzburg begrüßt, denn das 
Problem sei in ganz Österreich und nicht nur in Wien. So sei sie auf 
"Carevolution Wien" gestoßen.
Ein anderer Sprecher, der seit einigen Jahren das Flugblatt "Klartext" 
herausgibt, hat ebenfalls den Eindruck, dass sich im letzten halben Jahr die 
Stimmung verändert hätte. Man hätte für März dieses Jahres ein 
Vernetzungstreffen organisiert. Über zwanzig KollegInnen aus fast allen 
großen Krankenhäusern und der mobilen Pflege seien beteiligt gewesen. 
Darüber sei man sehr überrascht gewesen, da es seit Jahren Versuche gebe, 
Vernetzungen zustande zu bringen. Diese hätten aber bis dato nicht 
gefruchtet.
Die gemeinsame Diskussion hätte, wenig überraschend, gezeigt, dass es in 
allen Krankenhäusern dieselben Probleme und Entwicklungen gäbe. Es wurde 
beschlossen eine Kampagne aufzuziehen und sich "Carevolution Wien" zu nennen 
und eine facebook-Seite [2] zu starten. Die Kernforderungen seien: Schluss 
mit der Überlastung, mehr Personal, angemessene Löhne und gemeinsam für mehr 
Mitbestimmung.
Als erste Aktion schloss man sich solidarisch einer ÄrztInnen-Demonstration 
an, um zu zeigen, dass man einen gemeinsamen Kampf im Gesundheitsbereich 
anstrebe und um eigene Forderungen zu präsentieren. "Carevolution Wien" sei 
keine gewerkschaftliche Initiative, es gäbe aber Zusammenarbeit mit 
PersonalvertreterInnen und anderen Initiativen. Man würde monatliche 
Vernetzungstreffen von AktivistInnen und PflegerInnen, die aber auch offen 
für andere Berufsgruppen seien, organisieren. Beim Pflegekongress der 
"Hauptgruppe 2", an dem 700 KrankenpflegerInnen aus dem 
Krankenanstaltenverbund teilgenommen hatten und am SchülerInnenkongress der 
KrankenpflegerschülerInnen (bei einer der beiden Veranstaltungen sei auch 
der "Gewerkschaftsapparat" vertreten gewesen) habe man versucht, sich 
bekannt zu machen.
Für den ersten Mai 2015 wurde die erste größere Aktion, ein Flashmob mit dem 
Motto "Pflege am Boden", der laut Berichten am Rathausplatz den Aufmarsch 
der SPÖ für ca. fünf Minuten blockiert hätte, durchgeführt. Daran hätten 
ungefähr hundert Menschen teilgenommen und sehr viel kämpferischen Spaß 
gehabt. Zwei oder drei Tage später hätte die Tageszeitung "Kurier" auf der 
Titelseite den Gewerkschaftspräsidenten Foglar zitiert, der vor einem 
Aufstand der Pflegekräfte warnte. Kontakte zur GdG seien hergestellt und für 
den 12. Mai, den internationalen Tag der Pflege, ein weiterer Flashmob mit 
ca. 200 Leuten organisiert worden. Daraufhin hätte die GdG angekündigt, dass 
es Verhandlungen für mehr Lohn und mehr Personal in der Pflege geben werde. 
Allerdings stehe man dieser Ankündigung skeptisch gegenüber, sehe es aber 
als guten Fortschritt und Hebel weiter arbeiten zu können. Für Juli sei eine 
Pflegedemo geplant. Für Herbst überlege man eine übergreifende Demo für den 
Sozial- und Gesundheitsbereich, da es darum ginge andere Berufsgruppen ins 
Boot zu holen. Es brauche eine andere Prioritätensetzung in der Gesellschaft 
und in Wien gäbe es eine Gelegenheit vor den Wahlen daraufhin zu weisen...
*rodie*
[1] http://gpa-djp.at/cms/A03/A03_0.a/1433999956811
[2] https://www.facebook.com/carerevolutionwien
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