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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 20. Mai 2015; 15:51
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Kommentierte Presseschau (I):
> Arme Richter
Österreichs Richter fühlen sich drangsaliert. "Wir brauchen ein
Justizschutzgesetz" zitiert "Die Presse" die Richterin Gabriela
Thoma-Twaroch. Im Rahmen der Tagung "Richterwoche" Anfang des Monats kam es
zur Sprache: "Die Zahl der Anfeindungen und Drohungen gegen Richter steigt.
Diffamierungen im Internet zerrütten das Vertrauen in die Rechtsprechung",
so die Presse.
Was man sich da alles in den Foren anhören müsse: "'Sie agiert
voreingenommen' und 'Betrügerin' lauten die harmloseren dort anzutreffenden
Wortmeldungen. Auch einer Familienrichterin wurde bereits angedroht, wegen
eines angeblich ungerechten Urteils, mit Salzsäure überschüttet zu werden."
Letzteres ist sicher schlimm. Jedoch: "Ein Gegensteuern ist schwierig. Zwar
gibt es Beschwerdestellen und eine Task Force der Wiener Polizei, doch die
Rechtsverfolgung bleibt den Betroffenen selbst überlassen. Ein Weg, der
selten gegangen wird. Kaum ein Richter möchte sich schließlich den Anschein
der Befangenheit aussetzen, indem er selbst einen Prozess anstrebt. Was
bleibt, ist noble Zurückhaltung und damit eine Situation, die aus Sicht von
Justizbeamten geändert gehört." Meint die Presse.
Michael Reiter vom Justizministerium wird zitiert, daß es sehr wohl schon
Entwürfe für ein solches Justizschutzgesetz gäbe: "Daß damit Kritikern ein
'Maulkorb' aufgezwungen wäre und das Recht auf freie Meinungsäußerung (Art.
10 EMRK) verletzt würde, glaubt Reiter nicht. Immerhin sei auch in der
Europäischen Menschenrechtskonvention vorgesehen, dass das 'Vertrauen der
Öffentlichkeit in die Integrität der Richterschaft' zu wahren sei."
Wo das allerdings Reiter aus der EMRK herausliest, ist nicht überliefert.
Und wie man mittels Maulkorb das Vertrauen wiederherstellen könne, auch
nicht. Ganz offensichtlich mag man das bei der Richterschaft mit dem
Öffentlichkeitsprinzip nicht so und meint, die dritte Gewalt im Staat dürfe
nicht so genau beobachtet werden wie die beiden anderen. Und diese Empörung
hat natürlich überhaupt nichts mit in letzter Zeit häufiger auftretenden
Gerichtsblogs wie etwa prozess.report zu tun.
http://diepresse.com/home/4726532
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> Phantasielose ÖVP
Die ÖVP hat sich ein neues Parteiprogramm gegeben. Da steht natürlich viel
Blödsinn drin, aber immerhin einen Knieschuß hat Andreas Khol mit knapper
Not noch gegen Sebastian Kurz verhindern können: Die Forderung nach einem
"minderheitenfreundliches Mehrheitswahlrecht" bekam nicht die nötige
Zweidrittelmehrheit am Parteitag. Denn nach dem angestrebten Modell hätte
bei der vergangenen Nationalratswahl die SPÖ 40 Mandate dazubekommen und die
ÖVP 20 Mandate verloren. "Wollt ihr das?" zitierte die APA Khol. Genau eine
Stimme hatte dann gefehlt, um das im Programm zu verankern. Allerdings: Eben
nicht ganz zwei Drittel der Delegierten waren dafür -- es kann also durchaus
so sein, daß die ÖVP dies bald wieder aufs Tapet bringt.
Viel lustiger allerdings -- und das wurde sehr wohl beschlossen -- ist ein
Punkt des Programms, der davon ausgeht, daß die ÖVP immer in der Regierung
sein wird. Darauf macht der Parlamentsjournalist Johannes Huber in seinem
Blog aufmerksam: "Als die ÖVP vor 45 Jahren aus der Regierung flog, hatte
sie ein Problem, wie sich erfahrene Politikbeobachter erinnern: Das Statut
sah vor, dass auch der Kanzler dem Parteivorstand angehört. Was insofern
pikant war, als dieser nun ja Bruno Kreisky hieß und Sozialdemokrat war.
Zumal Kreisky allerdings keinen Wert auf eine Mitgliedschaft legte, ließ
sich die Sache ohne weitere Folgen ausbügeln".
Gelernt hat man in der ÖVP daraus, daß man die Statuten doch anpassen müsse.
Allerdings nicht viel: "Gleich zwölf Mal kommt das Wort 'Regierung' im neuen
Statut vor, das diese Woche beschlossen worden ist. Bisweilen entsteht sogar
der Eindruck, die Partei verstehe sich als bestimmendes Organ der Republik.
Ein Beispiel: 'Fasst der Bundesparteivorstand inhaltliche Beschlüsse zu
aktuellen Fragen (Bundesregierungspolitik, Bundesgesetzgebung), so sind
diese verbindlich und umzusetzen.' Oder: Zu den Aufgaben der Bundespartei
zählt unter anderem die 'Koordination und Information über die Arbeit der
Bundesregierung'" zitiert Huber das neue Programm. Und was den
Parteivorstand angeht, formuliert man jetzt ein bißchen vorsichtiger als vor
1970: "Das ranghöchste Mitglied der Bundesregierung, das der ÖVP angehört"
sei nun dort Mitglied. So steht das jetzt im Parteiprogramm. Das überhaupt
kein ÖVP-Angehöriger mehr in der Regierung sein könnte, ist für die Partei
nach wie vor unvorstellbar. Der Titel Hubers Blogkommentar lautete daher:
"ÖVP: Opposition? Gibt's nicht. Man ist Regierung".
http://diepresse.com/home/4730333
http://johanneshuber.me/2015/05/14/ovp-opposition-gibts-nicht-man-ist-regierung/
Kurz: http://wp.me/p2EDLB-BO
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> Unaufgeklärte Innenministerin
Das "profil" hat unsere Innenministerin interviewt. Und das klingt dann so:
Frage: "Nach deutschen Medienberichten hat der US-Geheimdienst NSA offenbar
mithilfe des deutschen Bundesnachrichtendienstes systematisch
Kommunikationsdaten quer durch Europa abgesaugt. So könnten auch
österreichische Regierungsstellen, Behörden und Unternehmen bespitzelt
worden sein. Haben Sie davon aus der Zeitung erfahren?"
Mikl-Leitner: "Ja. Diese Vorwürfe stehen im Raum, und wenn derartige
Vorwürfe im Raum stehen, dann gehören sie auch aufgeklärt. Dazu haben wir
jetzt auch alle notwendigen Maßnahmen gesetzt. Zum einen ist unser
Verfassungsschutz mit den deutschen Sicherheitsbehörden in Kontakt. Zum
zweiten haben wir eine Sachverhaltsdarstellung bei der Staatsanwaltschaft
Wien eingebracht. Darüber habe ich auch meinen deutschen Amtskollegen
informiert. Es ist mir wichtig, auch den diplomatischen Weg zu beschreiten,
um hier volle Aufklärung zu erfahren."
Jo eh! Vielleicht sollte sie mal auch ihren Ministerkollegen Gerald Klug
ansprechen. Der hatte schon 2013 ähnliches Herumgeeiere zum Thema verlauten
lassen in einem Interview mit der "Presse":
Frage: "Es gibt eine Frage, die Sie noch immer nicht beantwortet haben: Gibt
es einen Vertrag mit der NSA?"
Klug: "Es liegt im Wesen von Nachrichtendiensten, dass sie am
erfolgreichsten sind, wenn sie geheim arbeiten. Daher ist dieses Thema nur
eingeschränkt öffentlichkeitstauglich. Aber das Heeresnachrichtenamt
arbeitet auf Basis von Gesetzen und wird mehrfach strengstens kontrolliert.
Dass die eine oder andere Form der Zusammenarbeit vertraglich fixiert wird,
sofern sie auf Basis der Gesetze beruht, dagegen spricht nichts."
Frage: "Das war ein verschwurbeltes Ja."
Klug: "Es ist ein grundsätzliches Ja zur Zusammenarbeit mit ausländischen
Nachrichtendiensten im Rahmen der bestehenden Gesetze."
Frage: "Also auch mit der NSA?"
Klug: "So wie wir mit verschiedenen ausländischen Nachrichtendiensten
zusammenarbeiten, tun wir das fallweise auch mit der NSA. Die konkrete
Zusammenarbeit mit einzelnen Diensten kommentiere ich nicht." (...)
Frage: "Warum gibt man es nicht einfach zu?"
Klug: "Es gibt gute Gründe, nachrichtendienstliche Tätigkeiten nicht breit
zu diskutieren, weil wir in diesem Bereich auf gute Zusammenarbeit
angewiesen sind."
Damit ist wohl alles geklärt.
http://www.profil.at/oesterreich/5638439
http://diepresse.com/home/1441943
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Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die Berichte auf die
Online-Ausgaben der zitierten Medien. Zeitungsleser: -br-
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