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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 13. Mai 2015; 17:11
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70-Jahr-Gedenken in Mauthausen / Glosse:

> Gedanken zur Befreiungsfeier

Am Sonntag hatte ich es endlich geschafft. Nach dreißig Jahren war ich
wieder einmal im ehemaligen KZ-Mauthausen. Und das, wie ich schon seit
Jahren wollte, bei der Befreiungsfeier. Es war das erste und wahrscheinlich
auch das letzte Mal, dass ich an dieser "Gedenkveranstaltung" teilgenommen
habe. Ich weiß nicht genau, was ich mir erwartet habe, aber am Schluss war
ich einigermaßen desillusioniert...

Der Hauptakt dieses "Gedenkens" war der Einzug der verschiedenen
Delegationen. Sicher, der bunte Umzug hatte einen gewissen Charme.
Allerdings mutete er schon etwas folkloristisch an. Fahnen, Banner, Kränze
und verschiedenste Uniformen waren zu sehen. Es wurde musiziert (meist aus
der Konserve?) und auch manche berührende Worte vorgetragen. Aber ein
konkreter Bezug zu Faschismus und Rechtsextremismus, nicht nur als
Erscheinung der Vergangenheit, sondern als reale Bedrohung in Gegenwart und
Zukunft wurde nicht hergestellt.

Vor dem Einzug spazierte ich durchs Gelände, versuchte mich an die Eindrücke
von vor dreißig Jahren zu erinnern, als ich mit der Schule hier war,
betrachtete die schöne Umgebung rund um die Gedenkstätte und die vielen
Menschen vor den zahlreichen Mahnmalen. Ich konnte und wollte mir den
Horror, dem die Menschen hier ausgesetzt gewesen waren, nicht vorstellen.
Ich wäre sicher in Tränen ausgebrochen und das wollte ich in Anwesenheit der
vielen Menschen nicht. Es ist schon komisch mit dem Gedenken: Wie macht
man´s richtig? Welche Gefühle sind echt? Wie viel eigenen, mit den
Naziverbrechen nicht in Zusammenhang stehenden, Schmerz oder Trauer bringt
man mit?

Beim Herumgehen lauschte ich der Rede eines jüdischen Mannes, der vor der
aktuellen Gefahr durch Antisemitismus warnte. Er warnte auch vor
Hasspredigern in Moscheen. Dabei vergaß er, dachte ich mir zeitgleich, zu
erwähnen, dass es auch "Hasspredigten" gegen muslimische Menschen gibt. Auch
das ist eine aktuelle Gefahr, die von Rassismus ausgeht.

Es sei hier ziemlich "unwirklich", meinte ein mir Bekannter und ich stimmte
ihm zu. Besonders widersinnig war das Auftreten der uniformierten Soldaten.
Mit Stiefeln im KZ! Das erinnerte unwillkürlich an das Geräusch, das wir von
Dokumentaraufnahmen von Naziaufmärschen kennen. Und diese blödsinnigen
soldatischen Rituale wie Gleichschritt in Trippelschritten! Diese
Soldatenpuppen, die stramm und marionettenhaft dümmlich in der Gegend
herumstanden! Braucht man die um zu Gedenken oder geht´s da vielleicht um
was anderes?

Was mich auch einigermaßen verwundert hat, war der Sicherheitsaspekt. Hören
wir denn nicht immer von abstrakten und konkreten Bedrohungsszenarien? Nicht
von RechtsextremistInnen, nein! Die sind ja nur "krank" (Definition der
Repressionsministerin Mikl-Leitner) und hacken die Website der Gedenkstätte.
Nein, die "Islamistenbrut" ist gemeint! IS und Co bedrohen uns doch
angeblich überall.... Oder wie Nikolas Busse in der FAZ schreibt: "Die
Zeiten sind aber ernst genug, dass jeder im Alltag die Augen offenhalten
sollte"[1].

Komischer Weise gab es in Mauthausen keine Taschenkontrollen oder gar
strengere Maßnahmen der Überwachung. Ins ehemalige KZ gelangte man ohne
irgendeine Kontrolle! Will man ein Konzert in der Arena Wien besuchen, muss
man sich gefallen lassen, dass von Security-Leuten in der eigenen Tasche
herumgekramt wird. Man könnte ja ein Getränk hineinschmuggeln. Auf dem
Gelände der Gedenkstätte waren zwar zahlreiche Security-Leute mit Kabel im
Ohr und Beule an der Hüfte, doch es war wirklich schwer vorstellbar, dass
diese Herren einen Anschlag hätten verhindern können. Ich selbst war der
amerikanischen Delegation so nahe (auf maximal einen halben bis einem Meter
Distanz), dass auch der an Tom Cruise erinnernde Herr mit Sonnenbrille und
(vermutlich) strengem Blick nichts ausrichten hätte können, wenn ich uns per
Knopfdruck in die Luft sprengen hätte wollen. Einen Rucksack hatte ich
dabei.

Nun ja, für Mikl-Leitner gelten wahrscheinlich generell andere
Realitätsbezüge. So erzählte mir Einer aus der Gruppe, mit dem ich in
Mauthausen war, dass er beobachtet hätte, wie die aufrechte Antifaschistin
aus einem Gebäude gekommen war um der nächstbesten Person die Hand zum Dank
aufzudrängen. Schade, dass mir das nicht passiert ist, dachte ich. Ich hätte
ihr gesagt, dass ich Menschen mit Blut an den Händen nicht die Hand gebe und
sie u.a. an ihr Handeln gegen die Refugee-Bewegung erinnert.

Eine Gruppe autonomer Frauen hob sich positiv von den anderen
TeilnehmerInnen ab. Sie erinnerten mit Schildern an das Verbrechen im
Mittelmeer unter Beteiligung Österreichs und skandierten "No border, no
nation! Stop deportation! ". Auf den Schildern stand: "Our sisters and
brothers are dying in the sea!" Ich meine, das ist ein guter Weg ernst
gemeinten Gedenkens! Die wohlfeilen Worte von Moderatorin und Schauspielerin
Mercedes Echerer und des Gewerkschafters und Vorsitzenden des "Mauthausen
Komitees Österreich" Willy Mernyi waren es für mich nicht.

Fazit: Die Befreiungsfeier in Mauthausen war ein Gedenkevent, aber kein
Moment des Innehaltens und darüber Nachdenkens was wir tun können und
müssen, damit sich die Gräuel von Mauthausen und andere furchtbare
Verbrechen nicht wiederholen. Salbungsvolles Runterbeten von Sätzen wie:
"Nie, nie, niemals vergessen!" reicht hier nicht. "Wer aber vom Kapitalismus
nicht reden will, sollte auch vom Faschismus schweigen" (Max Horkheimer)
*ro*die*


[1]
http://www.faz.net/nach-dem-anschlagsversuch-in-hessen-wachsam-bleiben-13569471.html



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