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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 6. Mai 2015; 16:27
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Arbeit/Recht/Moderne Zeiten:

> Transfer psychologischer Daten an das AMS ist voll okay

Ein menschlicher Fehler beim bfi-Salzburg legte offen, welch sensible Daten
von Arbeitslosen an das AMS gehen: Die Volksanwaltschaft findet nichts
dabei.


Anfang Februar wurden der Piratenpartei Dokumente zugespielt, die belegten,
dass beim bfi Salzburg Ergebnisse und Auswertungen von psychologischen Tests
und Berichte über TeilnehmerInnen der AMS Maßnahme "Aufstieg" im Netz des
bfi auch für KursteilnehmerInnen frei zugänglich waren. Die Initiative
"Aktive Arbeitslose Österreich" schaltete die Volksanwaltschaft ein. Nach
mehr als einem Jahr stellte die Volksanwaltschaft dem bfi Salzburg und dem
AMS Salzburg nun einen Persilschein aus: Es sei nur ein Versehen einer neu
angestellten Psychologin gewesen, die Daten auf das falsche Laufwerk zu
speichern, aber sonst sei doch alles in Ordnung gewesen.

Die Volksanwaltschaft hat vom AMS Salzburg die Fördervereinbarung und die
Datenschutzvereinbarung des AMS Salzburg mit dem bfi Salzburg eingeholt und
nach monatelangen Studien hat das Büro von Volksanwalt Günther Kräuter die
Antwort geschrieben und alles für in Ordnung befunden: Dass es bei
psychologischen Testdaten beruflicher Eignungsdiagnostik um sensible Daten
handelt, deren verpflichtende Erhebung einer expliziten gesetzlichen
Regelung bedarf, bekümmert offenbar nicht.

Für den Erhebungszweck will Volksanwalt Kräuter drei Möglichkeiten anbieten:
"Beratung bei der Berufswahl" (§ 22 Abs. 2 Ziffer 2 AMSG), Unterstützung bei
der Herstellung oder Erhaltung der Vermittlungsfähigkeit von Arbeitskräften"
(Ziffer 3), "Unterstützung bei der Qualifizierung von Arbeitskräften".
(Ziffer 4)

Auch bei der Frage, ob die Datenerhebung durch das Arbeitsmarktservicegesetz
(AMSG) gedeckt ist, zaubert Kräuter zwei Begründuneg aus seinem Hut: "Daten
über berufliche Fähigkeiten und Fertigkeiten" (§ 25 Abs. 1 Ziffer 2 lit. d
AMSG) sowie ganz allgemein: "Daten über sonstige persönliche Umstände, die
die berufliche Verwendung berühren". (§ 25 Abs. 1 Z 2 lit. e AMSG).

Bloß: Bei sensiblen Daten wirkt der Zaubertrick nicht ganz, weil diese erst
konkret genannt werden müssen und in der Form nirgends im Gesetz
aufscheinen. Ein psychologischer Test enthält meistens auch Daten zur
Persönlichkeitsstruktur, die das AMS keinesfalls erheben darf! Diese fallen
unter den Schutz der Privatsphäre nach Artikel 8 Europäische
Menschenrechtskonvention. Eine Beratung ist zudem dazu da, den Beratenen
Informationen zu geben, aber nicht Datamining für das AMS zu betreiben! Mit
diesen Schmähs kann die Obrigkeit viele, viele sensible Daten sammeln.

Öffentliches Interesse an der Psyche

Laut Büro Kräuter liege aber natürlich ein "wichtiges öffentliches
Interesse" an diesen Daten vor, denn Arbeitslose haben für die
Volksanwaltschaft offenbar bestenfalls nachrangige Rechte. Besonders keck:
Arbeitslose müssten gar nicht um Zustimmung der Datenerhebung gefragt
werden, weil Arbeitslose ja gemäß § 10 AlVG eine Bereitschaft zeigen müssen,
sich "nach- oder umschulen zu lassen" und dies einen "wesentlichen Aspekt
des Tatbestands der 'Arbeitswilligkeit'" nach § 9 AlVG darstelle. Will die
Volksanwaltschaft zudecken, dass da vielleicht keine Zustimmung eingeholt
wurde und die Speicherung der Daten der Psychotests daher möglicherweise
illegal war? Erst recht klärt die Volksanwaltschaft nicht, ob diese Tests
durch eine rechtswidrige Androhung von Existenzvernichtung durch
Bezugssperren erzwungen wurden und ob diese Daten an das AMS übermittelt und
weiter verarbeitet wurden.

Dumm nur, dass der Verwaltungsgerichtshof ganz entgegen der von der
Volksanwaltschaft unterstellten unbeschränkten Pflicht "mitzuwirken"
Arbeitslosen zugesteht, (gesetzlich nicht vorgesehene) Datenübermittlungen
ans AMS ohne Bezugssperre abzulehnen (VwGH GZ 96/08/0042 RS 4, GZ 96/08/0308
RS 4), Formulare nicht auszufüllen und Daten nicht bekannt zu geben (VwGH GZ
2005/08/0027). Auch scheint der Volksanwaltschaft entgangen zu sein, dass
die Erhebung von Daten, die eine Maßnahmen rechtfertigen oder zur Auswahl
einer Maßnahme dienen, nicht in dieser selbst gemacht werden dürfen, sondern
dass das AMS diese selbst zu erheben hätte (VwGH GZ 2009/08/0105 RS 3 und GZ
2006/08/0161 RS 3).

Außerdem stellte der VwGH erst im Juni 2014 rechtswidrige Datenerhebungen
und ärztliche Untersuchungen pikanterweise auch beim Wiederholungstäter bfi
fest sowie, daß selbst ein Dienstleistervertrag nach Datenschutzgesetz nicht
alles legalisiert (VwGH GZ 2013/08/0280).
(Aussendung Aktive Arbeitslose/gek.)

Info: http://www.aktive-arbeitslose.at


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