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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 22. April 2015; 17:59
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VERWORTET:

> "Niedrige Beweggründe"

Abgesehen davon, dass das Wort "Beweggründe" kaum in einem anderen
Zusammenhang auftaucht, ist die Floskel seit etlicher Zeit aus dem
österreichischen Strafrecht verschwunden. Im deutschen Strafrecht gibt es
sie noch bei Mord, die niedrigen Beweggründe, da wird wie folgt aufgezählt:
"Mörder ist, wer aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebes, aus
Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam
oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder um eine andere Straftat zu
ermöglichen oder zu verdecken, einen Menschen tötet."

Was sind sie also, diese "niedrigen Beweggründe", die die Journale und
Gazetten noch kennen? Ich erlaube mir die Vermutung, dass die meisten
Menschen darunter hauptsächlich Habgier verstehen, vielleicht auch noch
Rache. Es gehe den TäterInnen also um schnöden Mammon oder sie ziehen
Befriedigung aus der Tatsache, dass andere jetzt leiden, so wie sie früher.
Als "höhere Beweggründe" können z.B. der Wunsch nach Gerechtigkeit (übrigens
auch einmal zu "verworten"), früher auch die Verteidigung des eigenen
Besitzes (dazu zählt natürlich die Familie!) sowie des "Vaterlandes"
angenommen werden.

Wie sich die Maßstäbe geändert haben! Wir arbeiten alle aus "niedrigen
Beweggründen", um schnöden Mammon zu verdienen, den wir dann wieder für so
unedle Dinge wie Mieten und Lebensmittel ausgeben. Wer die n.B. erfunden
hat, hatte offensichtlich keine derartigen Bedürfnisse, Die Wendung muss
eine großbürgerliche Kindheit hinter sich haben. Und die Rache haben Polizei
und Justiz übernommen - oder Gott, der sie komplett für sich beansprucht.
("Die Rache ist mein, spricht der Herr") Komisch, hat der Alte im Himmel
niedrige Beweggründe? Am schnöden Mammon kanns ihm ja nicht mangeln. Aber
wir - wir leben in Zeiten, in denen sich eine Zeitschrift als "Magazin für
den persönlichen Vorteil" bezeichnet. Das ist schon wieder so eine Floskel ,
die heute ganz alltäglich daherkommt, aber auch hier gilt: Erfunden von
einem Großbürger des 19.Jahrhunderts. Der tut natürlich nichts für seinen
persönlichen Vorteil, er kann sichs leisten, stets für die Allgemeinheit das
Beste zu wollen. Sagt er. (Meistens er, ganz selten sie). Auf seinen
persönlichen Vorteil zu achten ist heute nicht mehr ehrenrührig, aber
gleichzeitig ein Symptom für die Entsolidarisierung der Gesellschaft. Die
nützt wem und die schadet wem.

Also - schuld ist wie immer die Klassengesellschaft und später der
Kapitalismus. Die, die viel haben, bezeichnen die, die mehr haben wollen als
ihnen nach Meinung der Vielhabenden zusteht, als gierig. (Überbau: Gier ist
eine der sieben Todsünden). Die Obrigen bezeichnen das Verhalten der
Niedrigen als niedrig und die Sprache der Herrschenden ist die herrschende
Sprache. Da aber im Kapitalismus die Gier als Treibmittel gebraucht wird,
wird letztendlich die Gier doch noch als das richtige Sozialverhalten
dargestellt.

Ziemlich kompliziert, das mit den niedrigen Beweggründen. Wie immer kommt es
drauf an, wer definiert. Meistens haben wir zu wenig Zeit um nachzufragen.
Daher ist der Begriff entbehrlich.
*Ilse Grusch*



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