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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 1. April 2015; 09:59
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Kommentierte Presseschau:

> Tod eines Mieters

"Rätselhafter Todesfall: Viele Versäumnisse bei Ermittlungen" titelt der
"Standard" am 31.März. Anja Melzer berichtet über einen "Mann, der partout
nicht aus einem Baustellenhaus in Wien ausziehen wollte" und "unter
mysteriösen Umständen" starb. Damit ist auch schon fast alles gesagt.

Rückblick: Melzer berichtete im August letzten Jahres von Cafer I. der in
seinem Wohnhaus unter Baustellengittern tot aufgefunden worden war. Die
Umstände waren rätselhaft. Aus dem Artikel ließ sich aber herauslesen, daß
dem Vermieter der letzte Mieter im Haus eher ein Dorn im Auge war --
schließlich sollte das Haus in der Esterhazygasse 6 generalsaniert und dann
teurer neuvermietet werden.

Lisa Bolyos wird im "Augustin" im September noch deutlicher: "Eigentlich
sollte diese Geschichte Wolf Haas schreiben: Jetzt ist nämlich schon wieder
was passiert. Und das, was da passiert ist, tönt mehr nach einem seichten
Krimi im Immobilienmilieu. Oder nach dem Gründungsmythos einer
Mietrechtsbewegung. Und ist doch keines von beiden, sondern: wahr." Und die
Verfasserin schreibt etwas, was einen Hausbesitzer mit gutem Gewissen
eigentlich zu einer Klage bringen sollte: "Fakt ist, Cafer I. verstarb auf
eine Art und Weise, die die Staatsanwaltschaft Wien dazu bewegt hat,
Ermittlungen einzuleiten. Die laufen, und über laufende Verfahren gibt es
keine Informationen, bestätigt die Staatsanwältin Nina Bussek am
Infotelefon. Was es auch nicht gibt, ist eine Beileidsbekundung des
Hausbesitzers. Oder der Baufirma. Das erstaunt den normal denkenden
Menschen."

Die Nachbarschaft organisierte sich und verlangte Aufklärung, so der
Augustin. Doch weder Hausbesitzer noch Justiz rührten in der folgenden Zeit
ein Ohrwaschel. Nun berichtet der Standard diesbezüglich Folgendes: "Die
Wiener Rechtsanwältin Nadja Lorenz, die die Familie des Verstorbenen als
Privatbeteiligte vertritt, sieht zudem gravierende Verfahrensmängel und
Nachlässigkeit. Wichtige Untersuchungen seien entweder nicht zeitnah oder
gar nicht durchgeführt worden [...] Auch die Spurensicherung wurde erst acht
Wochen nach dem Tod - und erst auf Drängen der Rechtsanwältin - veranlasst.
Am Todestag selbst waren die Gegebenheiten in der Wohnung von der Polizei
nicht dokumentiert worden. [...] Auch ein blutverschmierter Baseballschläger
wurde sichergestellt. [...] Es ist nicht klar, um wessen Blut es sich
handelt und ob auf den Gegenständen andere Spuren zu finden sind, die in
Zusammenhang mit den Geschehnissen stehen könnten. Bis heute hat die
Staatsanwaltschaft keine Untersuchung der Gegenstände angeordnet. Bei der
Staatsanwaltschaft heißt es, die Vorwürfe seien nicht nachvollziehbar. Ihr
sei kürzlich kommuniziert worden, man habe im Moment 'wichtigere Akten auf
dem Tisch', sagt hingegen Anwältin Lorenz. Sie hat Ende Februar einen neuen
Beweisantrag gestellt, geschehen ist seither nichts."

Der Zeitungleser denkt sich: Tja, Österreichs Mühlen der Justiz mahlen halt
langsam. Und die Spurensicherung kann ja nicht überall gleichzeitig sein.
Schließlich gibt es Wichtigeres wie zum Beispiel 14jährige
Vielleichtterroristen, die mit sich selbst terroristische Vereinigungen
eingehen...

http://derstandard.at/2000004296484

http://derstandard.at/2000013652997/


http://www.augustin.or.at/zeitung/tun-und-lassen/ein-mariahilfer-mietkrimi.html
Kurz: http://tinyurl.com/akin08krimi

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> Grüner Putin-Versteher

Alexander van der Bellen hat wiedermal ein Interview gegeben. Es ist bei
"Nachgehakt.at" unter dem Titel "Van der Bellen: Die SPÖ betrachtet Wien als
ihren Besitz" nachzulesen. Interessanter aber als seine Äußerungen zu
kommunalen Themen sind dabei aber seine Aussagen zu außenpolitischen Themen,
zum Beispiel zum Verhältnis der EU zu Rußland: "Ich glaube, wenn ich mich
öffentlich dazu geäußert hätte, wäre ich als Putin-Versteher diffamiert
worden. Ich finde es skandalös, wie nahezu die gesamte europäische Presse,
Österreich ist da keine Ausnahme, nicht einmal versucht, russische
Positionen zu verstehen. Die Krim war nie ukrainisch, außer in den letzten
50 Jahren. Chruschtschow hat die Halbinsel aus unerfindlichen Gründen damals
der Ukraine angegliedert. Wenn es eine indigene Bevölkerung dort gibt, dann
sind das die Tataren, sicher nicht die Ukrainer. Ein weiterer wichtiger
Punkt ist die militärisch-strategische Position Russlands. Als 1989 der
eiserne Vorhang fiel und die Wiedervereinigung Deutschlands bevorstand, ist
Russland zugesichert worden, dass die NATO-Grenze nicht weiter nach Osten
verschoben wird. Das geht aus US-Quellen hervor. Die Russen haben aber das
Pech, dass das niemals schriftlich vereinbart wurde. Und was ist passiert?
Die NATO-Ostgrenze verläuft heute direkt an den Grenzen zu Russland. Ich
kann schon verstehen, dass das ein Stirnrunzeln in Russland hervorruft."

Stirnrunzeln hervorgerufen haben wohl auch diese Aussagen Van der Bellens
bei der jetzigen Grün-Führung.

Zum "Arabischen Frühling" meint der frühere Grün-Obmann: "Ich war nie
euphorisch, muss ich gestehen. Und das aus einem einfachen Grund: Was sind
wesentliche Elemente einer funktionierenden Demokratie? Es geht nicht darum,
dass die Mehrheit entscheidet. Bevor man die Mehrheit entscheiden lässt,
muss klar sein, worüber sie nicht entscheiden darf. Wenn ich in einem Land
wie dem Irak plötzlich Wahlen ausschreibe und mir keine Gedanken über die
unterschiedlichen Gruppierungen mache, dann wird Schlimmes passieren. Die
Mehrheit wird die Minderheit unterdrücken. Man muss kein Prophet sein, um
ein solches Szenario vorherzusagen. Wir hatten im Nationalratsklub lange vor
dem Arabischen Frühling die Nahostexpertin Karin Kneissl zu Besuch. Sie
sagte damals etwas sehr bemerkenswertes: Viel wichtiger als Demokratie, ist
die Einführung von rechtsstaatlichen Mindeststandards. Das heißt etwa, dass
nicht der Onkel verhaftet wird, wenn gegen den Neffen etwas vorliegt. Das
ist ausschlaggebender als alles andere. Ich gebe aber zu, man steht oft vor
beschissenen Entscheidungen. Ich war für die Intervention der NATO in
Libyen, weil glaubhafte Belege vorlagen, dass Gaddafi die Stadt Bengasi mit
tausenden Toten zerstört hätte. Aber das Bombardement hat hundert Jahre alte
Stammeskulturen neu aufleben lassen. Wenn ich schon meine Fehler aufzähle:
Ich war auch für die Waffenlieferungen an die afghanisch-indigene
Bevölkerung nach der sowjetischen Invasion."

Man hätte sich -- so VdB -- dort "einige tausende Tote erspart. Hat sich
irgendetwas verändert? Man ist die sowjetische Besatzung losgeworden und die
Taliban sind an die Macht gekommen."

Das kann man einmal so auf sich wirken lassen. Unkommentiert hingegen kann
der Zeitungsleser die Einleitung der Redaktion zu diesem Interview nicht
stehen lassen: "Alexander Van der Bellen lenkte elf Jahre lang die Geschicke
der Grünen in Österreich. Er übernahm die Partei bei einem Stimmenanteil von
fünf Prozent, den er innerhalb von neun Jahren verdoppeln konnte."

Äh, hallo? Fällt da noch jemand was auf? Stört es noch irgendjemand, wenn
eine Partei nach Gutsherrenart "geführt" wird und der oberste Boß alleine
für das Wahlergebnis verantwortlich gemacht wird? Ist eine Partei ein
Konzern mit einem allmächtigen Generaldirektor, der noch dazu ohne Hilfe die
ganze Arbeit macht?

Dem Zeitungsleser fällt da nur Bert Brecht ein: "Der junge Alexander
eroberte Indien. / Er allein? / Cäsar schlug die Gallier. / Hatte er nicht
wenigstens einen Koch bei sich?"

http://www.nachgehakt.at/alpenrepublik/van-der-bellen-die-spoe-betrachtet-wien-als-ihren-besitz-
Kurz: http://tinyurl.com/akin08vdb

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> Dämpfer für Podemos

Am 22.März waren Regionalwahlen in Andalusien. Ergebnis: PSOE
(Sozialdemokratie) leichte Verluste, aber mit 35% stärkste Partei, PP
(Volkspartei) schwer abgestürzt, Podemos ("Wir können") mit 15% nicht so
stark wie erwartet. Die "Frankfurter Rundschau" analysierte das unter dem
Titel: "'Wir können', aber nicht alles" wie folgt: "Andalusien, mit 8,4
Millionen Einwohnern Spaniens bevölkerungsreichste Region, bildete den
Auftakt für ein Superwahljahr, das so spannend zu werden verspricht wie kein
anderes in den vergangenen drei Jahrzehnten. Im Herbst stehen nationale
Wahlen an, im September sind die Katalanen zur Stimmabgabe aufgerufen, schon
im Mai werden 13 Regional- und mehr als 8000 Kommunalparlamente gewählt."
Wahrscheinlich werde, so Martin Dahms in der FR, die politische Landschaft
am Ende des Jahres eine völlig andere sein, doch möglicherweise der Wandel
nicht so drastisch ausfallen wie erwartet. Denn die Überraschungspartei der
EU-Wahlen punktete nicht ganz so toll: "In Andalusien hat Podemos nun
schlechter abgeschnitten als erwartet. Das staatliche
Sozialforschungsinstitut CIS, das gewöhnlich die verlässlichsten
Umfrageergebnisse liefert, gab der Partei 19,2 Prozent - am Ende waren es
stattdessen 14,8 Prozent. Das ist ein respektables Resultat für eine neue
politische Gruppe mit bescheidener Infrastruktur, aber es ist nicht die
angekündigte Revolution des Parteiensystems. Einer der möglichen Gründe für
diesen Dämpfer ist der Auftritt einer anderen neuen Kraft, die wie Podemos
einen Wandel verspricht. [...] Die Partei heißt Ciudadanos ('Bürger') und
wurde 2006 in Katalonien als Gegenkraft zum katalanischen Nationalismus
gegründet. Seit dem vergangenen Jahr betreibt sie ihre Ausbreitung über den
Rest Spaniens und bietet sich mit klassisch liberalem Profil enttäuschten
PP-Wählern an. In Andalusien erhielt sie jetzt 9,3 Prozent, rund drei Punkte
mehr als vom CIS vorhergesagt. Die spanische Politik ist bunter geworden.
Die Neuen profitieren vom Missmut über die Regierung, während es die
Sozialisten zumindest in Andalusien geschafft haben, die meisten ihrer
verbliebenen Getreuen um sich zu scharen."

In ein ähnliches Horn stößt das deutschsprachige andalusische Onlineblatt
strandgazette.com und schildert die Probleme mit der neuen Buntheit: "Die
Koalitionsbildung könnte zu einem Problem werden, da Díaz [Spitzenkandidatin
der PSOE] die absolute Mehrheit nicht erreichen konnte. Susana Díaz war in
Andalusien angetreten um die absolute Mehrheit zu gewinnen. Dass dies nicht
klappen wird, war schon vor der Wahl so gut wie sicher. Zu stark haben sich
die Protestparteien Podemos und Ciudadanos im Wahlkampf positioniert. Díaz
hatte außerdem bereits vor der Wahl eine Koalition mit Podemos abgelehnt.
Mit Izquierda Unida kann aufgrund deren schlechten Abschneidens nun auch
nicht mehr gerechnet werden. Ciudadanos hatte ebenfalls im Vorfeld der Wahl
bereits eine Koalition mit der PSOE ausgeschlossen und bei einer großen
Koalition würde wohl die PP nicht mitspielen. Die nächsten Tage könnten in
Andalusien also noch spannend werden. Wie es in Andalusien nun weitergeht
kann noch niemand sagen. Fakt ist auf jeden Fall, dass das
Zwei-Parteien-System in Andalusien nun endgültig Geschichte ist."

Allerdings ist auch bei diesem Wahlergebnis ein Blick auf das Wahlrecht kein
Fehler. Denn bei der Regionalwahl kam ein relativ faires Wahlrecht zur
Anwendung. Auch kleinere Kandidaturen haben hier Chancen und große Parteien
bekommen nur wenig Prozent mehr an Sitzen als sie an Wählerstimmen haben.
Dieses Wahlrecht ist vergleichbar mit jenem zur Europawahl, aber kaum mit
jenem für das nationale Parlament. Daher sind 15 statt 19% bitterer für
Podemos, als es auf den ersten Blick scheinen mag -- umgelegt auf die
nationale Wahl heißt das nämlich, daß man in vielen Wahlkreisen mit 19% eine
Chance auf ein Mandat hätte, mit 15% aber nicht. Ein Reststimmenverfahren
gibt es nämlich bei spanischen Parlamentswahlen nicht, was der Grund für das
bisherige Zweiparteiensystem auf nationaler Ebene ist, das auf regionaler
und kommunaler Ebene vielerorts schon länger nicht mehr vorhanden ist.

Umgekehrt könnte sich aber gerade das als Trumpf für Podemos herausstellen.
Denn bei diesem System ist allerhöchstens für eine überregionale
Protestpartei Platz. In vielen der kleineren Wahlkreisen, in denen Podemos
gute Chancen auf ein oder sogar mehrere Mandate hat, wird eine Stimme für
die Ciudadanos als "verloren" gelten.

Vieles wird also davon abhängen, was man im Herbst Podemos zutraut. Insofern
sind schlechte Regionalwahlergebnisse ein viel stärkerer Dämpfer als es zum
Beispiel in Österreich für eine Protestpartei der Fall wäre.

http://www.fr-online.de/politik/podemos-in-spanien--wir-koennen---aber-nicht-alles,1472596,30198568.html
Kurz: http://tinyurl.com/akin08FR

http://www.strandgazette.com/2015/03/22/wahlergebnisse-2015-in-andalusien-psoe-bleibt-staerkste-kraft/
Kurz: http://tinyurl.com/akin08strand

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Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die Berichte auf die
Online-Ausgaben der zitierten Medien. Zeitungsleser: -br-



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