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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 18. März 2015; 15:40
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Wer a Göd hat / Glosse:

> Armutskonferenz: Ein Schritt vorwärts

Die Armutskonferenz feierte heuer ihr 20jähriges Jubiläum. Im gediegenen
katholischen Bildungshaus "St. Virgil", abgeschieden von jeglicher
Öffentlichkeit inmitten eines idyllischen Parks gelegen, machten sich jene
Menschen wieder einmal Gedanken über die Armut, die aus dieser
Gedankenmacherei einen eigenen Job geschaffen haben. Diejenigen, die von
Armut tatsächlich betroffen sind, waren ausnahmsweise wirklich präsent.
Nicht nur im Publikum, sondern auch am Podium. Es war eine beeindruckende
zweitägige Veranstaltung, an der zum ersten Mal von Armut betroffene
Menschen auf Augenhöhe mit jenen diskutiert haben, die daran glauben, Armut
bekämpfen zu können. Allein das genügt. Ich bin nicht so naiv, dass ich
denke, jetzt wird sich in unserem unverschämten Gesellschaftssystem etwas
Grundlegendes ändern. Aber ich bin davon überzeugt, dass diese
Armutskonferenz ein Beispiel dafür ist, einander zu begegnen. Den andern zu
verstehen. Zu fühlen, wie sich Armut anfühlt. Irgend so ein Vertreter der
Industriellenvereinigung war ebenfalls anwesend, und unverschämt wie diese
reichen Leute nun mal sind, hat sich diese Person auch zu Wort gemeldet mit
einer Aussage, dass es ohnehin zuviele soziale Leistungen auf Kosten der
öffentlichen Hand gäbe. Diese Person hat die Armutskonferenz verlassen, weil
er hier keinem Menschen begegnete, der auch nur ansatzweise Verständnis
dafür aufzubringen vermochte, seine Sorgen um ein funktionierendes
Sozialsystem in dem Sinn zu teilen, das ihm seinen Reichtum belässt, ohne
die Frage zu stellen, wer dafür büßen soll.

Wär ich nicht reich, wärst Du nicht arm

Radikaler als je zu vor hat sich die Armutskonferenz diesmal mit der
Reichtumsfrage beschäftigt. Die Kritik bleibt dennoch aufrecht: es gibt nach
wie vor die sogenannten Vorkonferenzen. Eine für die Frauen und eine für die
von Armut und Armutsgefährdung betroffenen Menschen. Die finden am Vorabend
statt. Anders als sonst flossen die Ergebnisse diesmal in die offizielle
Diskussion ein. Wieso werden die ach so wichtigen "Politiker_innen" nicht in
Vorkonferenzen eingeladen, um darüber zu reden, was es alles zu verändern
gäbe. Wieso sind nach wie vor nicht die Betroffenen die Akteure und
Akteurinnen einer Konferenz, in der es um ihre ureigensten Interessen geht.

Die Armutskonferenz hat einen Fortschritt gemacht. Sie hat von Armut
betroffene Menschen sichtbar gemacht. Aber es ist ihr nach immerhin 20
Jahren nicht gelungen, den Expert_innen das Ruder in die Hand zu geben. Es
ist ihr nicht gelungen, den betroffenen Menschen endlich eindeutig das Wort
zu überlassen, und es ist ihr nicht gelungen, zuzuhören. Das kann ich jetzt
nicht beweisen, es ist nur ein Gefühl. Die sogenannten
Armuts-"Expert_innen", die gutes Geld damit verdienen, sich mit Armut zu
beschäftigen, haben sicherlich die besten Absichten Armut zu bekämpfen, aber
ohne jegliches Gefühl dafür, wie es sich anfühlt, arm zu sein.

"Wir müssen hier raus, das ist die Hölle, wir leben im Zuchthaus" -- So
klingt ein Song von TonSteineScherben; wenn es uns ernst ist, dann sollten
wir nicht aufhören, für Gerechtigkeit einzustehen, auf die Straße zu gehen
und zu kämpfen, ich glaube nicht, dass ich die ach so wichtigen Leute auf
der nächsten 1. Mai Demo sehen werde, aber wir werden nicht aufgeben. Es
wird uns nicht gelingen, von heute auf morgen Armut abzuschaffen, aber es
wird uns gelingen, indem wir unser Wissen und Gewissen nicht aufgeben, für
eine gewalt- und herrschaftsfreie Welt aufzustehen.
*rosalia krenn*



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