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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 4. März 2015; 18:19
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BRD/Kapitalismus:

> Mehr privat mit viel Staat

Wie Deutschland seine privaten Pensionsversicherer sponsern will
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Da soll noch einer sagen, Sozialdemokraten verstünden nichts von Wirtschaft.
Sigmar Gabriel, deutscher Vizekanzler, Wirtschaftsminister und SPD-Chef ist
ein leuchtendes Beispiel dafür, daß das gar nicht wahr ist. Nachdem
Privatisierung generell -- wie wir alle wissen und tagtäglich erfahren --
der Königsweg zu wirtschaftlicher Prosperität und funktionierendem
Sozialstaat ist, durften wir vor kurzem die Headline lesen: "Private
Investoren sollen Straßen und Schulen finanzieren -- Die Expertenkommission
des Wirtschaftsministers plant eine Teilprivatisierung der Infrastruktur
über sogenannte Bürgerfonds" (Die Zeit).

Wenn man dann genauer hinschaut, stellt man fest, daß mit "Bürger" vor allem
Versicherungen gemeint sind. Denn die Finanzinstitutionen haben ja -- neben
all den anderen Schwierigkeiten, die täglich den Schlagzeilen zu entnehmen
sind -- ein massives Problem: Wo legen wir das Geld rentabel UND sicher an?
Und gerade die Versicherungen in Europa trifft das Problem ganz besonders:
Durch das boomende Geschäft mit den Zusatz-Pensionsversicherungen braucht es
immer mehr solcher Anlagemöglichkeiten. Doch lohnende Firmenbeteiligungen
sind gut, aber mittlerweile aus, und Staatsanleihen (griechische zum
Beispiel sind unsicher, deutsche oder österreichische bringen keinen Profit)
sind auch nicht mehr das, was sie mal waren.

Also muß der Staat einspringen. Und "Mehr privat -- weniger Staat" und
staatliche Förderung unter einen Hut zu bringen, schafft halt immer noch am
besten die Sozialdemokratie.

Wie schaut also dieses Modell aus? Wenn man das ganze Geschwurbel wegläßt
und Tacheles redet, bleibt über:

- Bürger zahlen in Zusatzversicherung ein.

- Versicherung kauft sich in öffentliche Projekte ein.

- Bürger zahlen Steuern.

- Staat und eventuell noch Bürger über Mautgebühren o.ä kaufen die
Leistungen aus diesen Projekten.

- Versicherung zahlt aus diesen Leistungen Zusatzpensionen aus.

Das ergibt ganz viele Fliegen mit einer Klappe:

1) Der Staat kann sich verschulden, ohne daß das Verschulden heißt, sprich:
daß es nicht als Staatsverschuldung ausgewiesen wird.

2) Zusatzpensionen für diejenigen, die sich das leisten können, werden von
allen Steuerzahlern mitfinanziert.

3) Die privaten Versicherungen, die ihr Geld anlegen müssen, finden rentable
und trotzdem sichere Anlageformen.

4) Das Prinzip der privaten Pensionsversicherung wird so eher in die Lage
versetzt, langsam aber sicher das Umlageverfahren der öffentlichen Hand
zurückzudrängen.

5) Der Staat kann sich damit aus seiner Verantwortung als Pensionszahler
immer mehr zurückziehen.

6) Die Versicherungen verdienen gut daran -- sonst würden sie weder bei
diesen Projekten mitmachen noch Pensionsversicherungen anbieten.

Also quasi eine Win-Win-Situation.

Denn sonst müßte man ja einfach auch weiterhin Pensionen im kostengünstigen
Umlageverfahren finanzieren und öffentliche Projekte ohne Zusatzprofite für
Finanzinstitutionen aus Steuergeldern finanzieren.

Das wäre aber heutzutage ja fast schon Kommunismus. Und den kann ja niemand
wollen. Am allerwenigsten die SPD.
*Bernhard Redl*


Zeit-Bericht:
http://www.zeit.de/wirtschaft/unternehmen/2015-02/infrastruktur-sigmar-gabriel-teilprivatisierung-strassen-schulen-kommission



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