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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 4. März 2015; 18:07
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Kommentierte Presseschau:

> Extrem daneben: Definiere Extremismus

In Deutschland wird weiter an der Extremismustheorie gestrickt -- also der
Orientierung des Staates, daß er sich von "Extremismen" bedroht fühlen muß
und damit einer Gleichsetzung der radikalen Linken mit der extremen Rechten.
Nun ist wieder so eine Studie herausgekommen: "Linksextremismus in
Deutschland - eine empirische Studie" von Klaus Schroeder und Monika
Deutz-Schroeder.

Darin wird zwar betont, daß man links und rechts nicht gleichsetzen wolle,
sondern nur vergleichen, doch dann findet man zum Thema, was den Extremismus
sei, solche Formulierungen in der Studie:

"Extremismus lässt sich nur relativ von der jeweiligen politischen und
gesellschaftlichen Ordnung aus definieren, was allein schon ein kurzer Blick
in die Zeitgeschichte deutlich macht: Freiheitliche Demokraten galten aus
der Perspektive des Machtzentrums im Nationalsozialismus, aber auch in der
DDR als feindlich-negative Kräfte, mithin als Extremisten. Das insbesondere
vor dem Hintergrund der Erfahrung mit zwei totalitären Systemen in der
deutschen Geschichte heftig umstrittene Extremismusmodell geht davon aus,
dass es auf der linken und der rechten politisch-ideologischen Seite extreme
Kräfte gibt, die die Verfassung und die ihr zugrunde liegende Werteordnung
ablehnen."

Nein, man setzt ja gar nicht gleich -- aber irgendwie sind es halt doch zwei
"totalitäre Systeme", die man vergleichen möchte. Bautzen und Auschwitz sind
sich vom Prinzip her natürlich schon sehr ähnlich.

Und bei der Gelegenheit deutet man auch gleich an, daß die heutige radikale
Linke die DDR wiederhaben möchte.

Überhaupt gehen Schroeders sehr locker mit Kategorien um, wenn sie
Extremismus verorten möchten. Die Aussage: "Unsere Demokratie ist keine
echte Demokratie, da die Wirtschaft und nicht die Wähler das Sagen haben"
steht in dieser Studie unter der Rubrik "Demokratiefeindlichkeit". Wer diese
Aussage bejaht, ist natürlich schwer verdächtig, ein Linksextremist zu sein.
Wer sich gegen diese Punze wehrt übrigens auch. Denn auch die Zustimmung zum
Satz "In unserer Demokratie werden Kritiker schnell als Extremisten
abgestempelt" ist natürlich auch hochgradig dazu geeignet, Extremismus zu
konstatieren.

Während es ja noch verständlich ist, daß "Der Kapitalismus muss überwunden
werden, um die Herrschaft einer kleinen Minderheit über die große Mehrheit
abzuschaffen" von den Autoren als radikal oder extrem eingestuft wird, ist
es schon etwas verwunderlich, daß auch die Zustimmung zu "Ich sehe die
Gefahr eines neuen Faschismus in Deutschland" ordentlich Punkte auf der
"Linksextremismusskala" gibt.

Immerhin: Die Zustimmung alleine zu einigen dieser Sätzen macht noch keinen
Linksextremisten nach der Schroederschen Definition: "Am Ende hatten wir,
mithilfe von infratest dimap, eine Skala von 20 Fragen: Als linksextrem gilt
jemand, der 15 bis 20 Fragen zustimmend beantwortet. Wenn jemand also nur
vier oder fünf Fragen entsprechend beantwortet, ist er kein Linksextremist"
erklärt Klaus Schroeder in einem Interview mit der "Zeit".

Und erst diese feinen Unterschiede: "Wenn die pluralistische Demokratie
abgelehnt wird, ist für uns Feierabend. Wenn jemand mit guten Argumenten nur
den Kapitalismus überwinden will, mag er radikal sein, aber ist eben kein
Extremist." Wobei natürlich Schroeders nicht nur genau definieren können,
was "linksextrem" und was "linksradikal" ist, sondern auch natürlich ganz
genau wissen, daß die Aussage, daß das politische System keine echte
Demokratie sei, eindeutig als Ablehnung der pluralistischen Demokratie
anzusehen ist.

Überhaupt seien ja die Schulen und die Medien an allem Schuld. Allen Ernstes
meint Herr Schroeder in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung: "Der
Marxismus-Kommunismus wird in den Schulen wie in den Medien positiv
gezeichnet. Die historische Realität mit Millionen Toten wird zumeist
verschwiegen."

Und deswegen sei prinzipiell die deutsche Gesellschaft in letzter Zeit
weiter nach links gerückt. Schroeder im Zeit-Interview: "Es gibt eben einen
gewissen Zeitgeist, der mit Willy Brandt schon einmal nach links gerückt
war, mit Helmut Kohl dann eher nach rechts. Und jetzt mit Merkel eben
deutlich nach links. Die Leute denken dann zwar links, wählen aber trotzdem
Merkel."

Das ist zwar nicht sehr logisch, muß aber so sein, weil sonst würden
Schroeders Unsinn erzählen und das kann ja nun nicht sein.

Nachzulesen ist die Schroedersche Definitionswut u.a. unter:

http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-02/demokratie-linksextremismus-studie-klaus-schroeder-fu-berlin-interview/komplettansicht
Kurz: http://tinyurl.com/akin06ex1

http://www.sueddeutsche.de/politik/extremismus-es-gibt-ein-grosses-unbehagen-an-der-demokratie-1.2365993
Kurz: http://tinyurl.com/akin06ex2

http://fsi.spline.de/wp-content/uploads/2015/02/Presse-LE-Langfassung-Febr-2015.pdf
Kurz: http://tinyurl.com/akin06ex3

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> Kurier zu Grünen Frauen: Grandios daneben


Die bemerkenswerteste Schlagzeile lieferte -- trotz harter Konkurrent von
"Heute" und "Österreich" der "Kurier": "Grüne Frauen: Keine Straße für
NS-Opfer". Der Hintergrund: Eine Vertreterin der Grünen Frauen hatte in
einem geleakten Email gemeint, man möge doch für die nächste
Straßenbenennung nicht den eben verstorbenen Spiegelgrund-Zeitzeugen
Friedrich Zawrel ehren, sondern eher eine Frau, da diese immer noch zuwenig
für Straßennamen in Betracht gezogen würden.

Die hochgekochte Debatte war ja an sich schon eher blöd, aber die
Schlagzeile des Kurier drehte es so, daß man eine Headline hatte, die
knallig war, aber mit dem Inhalt gar nichts mehr zu tun hatte. Denn erstens
war es nur die Stellungnahme einer einzigen Frau bei den Grünen und nicht
der ganzen Organisation, zweitens haben die Grünen Frauen sicher nichts
gegen die Ehrung von NS-Opfern, drittens können Opfer ja auch weiblich sein
und viertens soll Zawrel ja nicht als Opfer geehrt werden, sondern für sein
Engagement in der Aufarbeitung der NS-Verbrechen. Es ist fast schon Kunst,
soviel Verdrehungen auf einmal in eine einzige Schlagzeile zu packen.

http://kurier.at/chronik/wien/gruene-frauen-keine-strasse-fuer-ns-opfer/117.176.240
Kurz: http://tinyurl.com/akin06frau

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> NoWKR: Bisserl daneben

Die Berichterstattung über das OGH-Urteil in der Causa Josef S. war
bisweilen recht holprig. Als Beispiel hierfür sei die Presse zitiert: "Wie
das Urteil festhält, hat S. andere Demo-Teilnehmer angewiesen, Polizisten
mit Gegenständen zu bewerfen und 'selbst im Rahmen der Zusammenrottung'
mehrere Gewalttaten gesetzt. S. verletzte Polizisten, beschädigte die
Eingangstür einer Polizeiinspektion und schlug Scheiben von Polizeiautos
ein. Zehn verletzte Polizisten und Sachschäden in Höhe von rund 500.000 Euro
waren die Folge der Aktion."

Nur: Im OGH-Urteil steht davon gar nichts. Das war ja auch gar nicht der
Inhalt des Verfahrens vor dem Höchstgericht und den Wahrheitsgehalt dieser
Behauptungen hatte der Oberste Gerichtshof auch gar nicht zu prüfen. Dort
war lediglich überprüft worden, ob eine Nichtigkeitsrüge relevant sei, also
ob das Verfahren vor dem Erstgericht unfair oder formal fehlerhaft gewesen
sei. Das hat der OGH verneint.

Die eigentliche Berufungsverhandlung findet erst statt -- vor dem
Oberlandesgericht. "Der Schuldspruch ist rechtskräftig, das Strafmaß könnte
sich noch ändern" schreibt die Presse. Im OGH-Entscheid heißt es: "Die
Entscheidung über die Berufung kommt somit dem Oberlandesgericht zu." Auch
wenn das OLG höchstwahrscheinlich dem Erstgericht in der Schuldfrage nicht
widersprechen wird, hat von einer Rechtskräftigkeit der OGH nichts
vermeldet.

http://diepresse.com/home/4665241

https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20150122_OGH0002_0130OS00113_14P0000_000/JJT_20150122_OGH0002_0130OS00113_14P0000_000.html
Kurz: http://tinyurl.com/akin06wkr

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> Aus dem Paralleluniversum: Fiona gegen bösen Blick

Die witzigste inoffizielle Werbeeinschaltung der letzten Zeit verdanken wir
übrigens auch der "Presse": "Fiona Grasser entwirft Schmuck gegen 'böse
Blicke'. Da heißt es im Artikel: "Fiona Pacifico Griffini-Grasser hat für
das Label Cadenzza der Firma Swarovski Schmuck designt. Die Urenkelin des
Unternehmensgründers Daniel Swarovski und Ehefrau von Ex-Finanzminister
Karl-Heinz Grasser hat sich bei ihren Entwürfen von höheren Mächten leiten
lassen, namentlich Buddha und der Hand von Fatima. Die ersten Stücke der
Kollektion 'by fiona' sind ab März erhältlich."Und zitierte die
High-Society-Neo-Designerin: "Die Hand der Fatima wiederum hat eine
beschützende Symbolik. Ich bin Fan der weiblichen Figuren in den
Weltreligionen, und die kraftspendende Hand der Fatima gibt mir Stärke und
bringt Glück". Denn diese gelte im islamischen Volksglauben als magisches
Abwehrmittel vor dem "bösen Blick, dessen Ursache der Neid ist".

Ja, der Neid, darunter leidet die arme Fiona wahrscheinlich selbst am
Meisten.

http://diepresse.com/home/4664844/

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Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die Berichte auf die
Online-Ausgaben
der zitierten Medien. Zeitungsleser: -br-



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