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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 4. März 2015; 18:15
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Glosse:

> Arme Ukraine! Jetzt auch noch Spindelegger!

Den Menschen in der Ukraine bleibt auch nichts erspart. Sie durchleiden
einen Bürgerkrieg, leben in einer Oligarchie statt in einer Demokratie und
jetzt hetzt ihnen der Milliardär Dimitri Firtasch, der wegen eines
US-Haftbefehls ausgerechnet in Österreich festsitzt, Michael Spindelegger
und Karl Schlögl auf den Hals.

Spindelegger, der weltberühmte Ex-ÖVP-Chef, und Schlögl, vom Innenminister
Österreichs zum Bürgermeister von Purkersdorf aufgestiegen, sollen
Direktoren der "Agency for the Modernization of the Ukraine" werden, einem
Verein, den sich Firtasch zusammen mit Bernard-Henry Levy ausgedacht hat.
Levy ist bekannt als Philosoph, der auf alles eine und nur eine Antwort hat:
Bombardierung. Ob Serbien oder ein Taschendiebversteck -- Levy fordert das
Eingreifen der NATO, denn Krieg heißt Frieden. Dem
Ukraine-Modernisierungsverein sollen auch noch Peer "Hartz IV" Steinbrück,
der deutsche Ex-EU-Kommissar Günter Verheugen sowie ein paar britische Lords
beitreten. Man mag zwar der Ansicht sein, die Ukrainer hätten in den
vergangenen Monaten einiges falsch gemacht, aber sowas haben sie nicht
verdient. Sowas hat niemand verdient.

Für den moralischen Zustand unserer Zeit sehr aussagekräftig ist, dass
Spindelegger und Schlögl einem auf fragwürdige Weise reich gewordenen
Milliardär, der per Haftbefehl gesucht wird, nicht etwa nachdrücklich das
Loch zeigen, das der Zimmermann hinterlassen hat, sondern ganz geil auf ihre
neuen, sicherlich bestens dotierten Jobs sind. Der Gedanke, ein Oligarch
könnte bei der "Modernisierung der Ukraine" noch anderes im Kopf haben außer
freedom and democracy und Eiapopeia, kommt solchen Leuten ebenso wenig wie
Alfred Gusenbauer der Verdacht, der kasachische Präsident sei womöglich ein
Diktator und kein liebevoller Landesvater. Natürlich ist es nicht
auszuschließen, dass der eine oder andere Milliardär tatsächlich noch was
anderes im Sinne hat außer noch reicher zu werden. Milliardäre sind ja auch
nur Menschen und als solche vor philantropischen Anfällen und ernsthaft
demokratischen Wallungen nicht gänzlich gefeit. Die Erfahrung zeigt
freilich, dass vor allem osteuropäsche Oligarchen, die ihren Reichtum selten
guten Geschäftsideen, aber häufig einem robusten Durchsetzungsvermögen
während der wörtlich mit Bomben und Granaten geführten Verteilungskämpfe um
die ausverkauften Volksvermögen verdanken, unter einer "Modernisierung" vor
allem den Eigenutz verstehen, ihren Reichtum ohne die Gefahr enteignet,
eingesperrt oder erschossen zu werden, genießen zu können. Das will ich gar
nicht abwerten, denn rechtsstaatliche Sicherheit kommt letztlich ja allen
zugute, nicht nur den Dagobert Ducks. An weiteren Merkmalen einer
entwickelten Demokratie wie etwa einem ausgebauten Sozialstaat ist solchen
Figuren schon viel seltener und weniger gelegen. Das nämlich würde heißen,
dass sie von ihren Milliarden ein paar Prozent an die Allgemeinheit abgeben
müssten, und dies wiederum ist nach (neoliberalem) Modernitätsverständnis
fast so teuflisch wie Kommunismus oder Mafiaherrschaft.

Ich habe grundsätzlich gar nichts dagegen, wenn Leute für ukranische
Oligarchen oder kasachische Diktatoren arbeiten. Es muss ja jeder essen und
Miete zahlen. Ein bisserl unwohl wird mir aber, wenn das ehemalige
Spitzenpolitiker machen. Da liegt dann halt, wie auch im Falle von
Ex-Politikern, die nach ihrer Polit-Karriere hohe Posten bei internationalen
Konzernen bekleiden, der Verdacht nahe, diese Leute machten Politik im
Interesse jener, die sie später mit traumhaft bezahlten Jobs belohnen. Man
kann auch sagen: Es besteht Korruptionsverdacht.

Früher mal war es so, dass Politiker ihre politische Laufbahn und die
wenigstens teilweise Umsetzung ihrer Überzeugungen als höchstes
anzustrebende Lebensziel betrachteten. Heute hat man zunehmend den Eindruck,
das wahre Ziel sei der Traumjob nach der Politik.
*Bernhard Torsch*


Blog: https://lindwurm.wordpress.com



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