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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 25. Februar 2015; 08:28
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Debatten:
> Grüne Rechtsdrift?
Die Wiener Neustädter Bürgermeister-Affäre und andere Debatten
Die Wogen gingen hoch nach der Vereinbarung, die in Wiener Neustadt die
dortigen Stadtgrünen mit der ÖVP und damit vielleicht auch der FPÖ zur
Bestellung einer neuen Kommunalregierung getroffen hatten. Für Tanja
Windbüchler, Frontfrau der Lokalpartei ist das alles ganz anders. Auf der
Homepage der Partei schreibt sie: "In bilateralen Gesprächen mit dem
Wahlgewinner, der ÖVP unter dem Spitzenkandidaten Schneeberger, haben die
Grünen definiert, unter welchen Bedingungen sie ihn zum Bürgermeister wählen
würden. Die Gespräche sind erfolgreich verlaufen. Zentrale Punkte des Grünen
Wahlprogramms werden erfüllt: der Wr. Neustädter Hauptplatz wird autofrei
gestaltet, die letzten Naturjuwele unter Naturschutz gestellt und die
Situation für Radfahrer in Wr. Neustadt wird deutlich verbessert. Die Grünen
werden den Vorsitz im Prüfungsausschuss übernehmen, angesichts der enormen
finanziellen Probleme nach Jahrzehnten der SPÖ-Alleinregierung eine der
wichtigsten Funktionen im Gemeinderat. Die Grünen haben auch darauf
bestanden, dass die SPÖ weiter einen Vizebürgermeister stellt."
Aber so einfach ist das alles nicht. Die SPÖ ist trotz des Verlustes der
absoluten Mehrheit immer noch die stärkste Partei im Gemeinderat. Der
ÖVP-Bürgermeister kann nur mit den Stimmen auch der FPÖ und zweier
Namenslisten (jeweils ein Mandat) gewählt werden. Und die zwei Grünen
wollten diesen Bürgermeister auch wählen - der zweite Grün-Mandatar ist
mittlerweile abgesprungen, doch die prinzipielle Vereinbarung bleibt.
Also wie ist das jetzt mit der FPÖ? Unterstützen die Grünen nicht zusammen
mit den beiden Namenslisten eine schwarzblaue Stadtregierung? Windbüchler
via Facebook: "ÖVP hat Vereinbarung mit der im Stadtsenat sitzenden FPÖ
geschlossen - mit den Listen = 21 Mandate --> Grüne sind never ever
'Ermöglicher einer schwarz-blauen Regierung', die gibt es jetzt mit oder
ohne uns. Für Grüne heißt das: Keine Koalition! Kein Wählen eines FPÖlers!
Kein 'Grüne machen irgendeinen FPÖler zu irgendwas'. Die Vereinbarung Grüne
und ÖVP -- wie in so vielen Gemeinden bundesweit: Sitz und Stimme im
Umweltausschuss, Sitz und Stimme im Kontrollausschuss + Vorsitz. Grüne in WN
sind und bleiben Oppositionspartei! Alternative dazu: weder Kontrolle der
Vergangenheit, Gegenwart und schwarz-blau in der Zukunft, noch aktiver
Umweltschutz."
"Da bleibe ich lieber 100 Jahre Opposition"
Das sieht man anderswo in der Partei aber sehr anders. Martin Margulies
verlangt, "den mehr als zu Recht bestehenden grünen 'cordon sanitaire' rund
um die FPÖ" aufrechtzuerhalten. Er schreibt dazu auf seinem Blog: "Vierzig
Kilometer von Wien entfernt bietet sich unter dem Schlagwort 'bunt regieren'
ein mehr als seltsames Bild. Alle gegen die SPÖ. Nicht dass mir die
SP-Wiener Neustadt (die tagelang gehofft hat, sich mit einer rot-blauen
Koalition über die Runden zu retten) leid tun würde, doch so verlottert kann
eine Sozialdemokratie nicht sein, dass ich mich deshalb auf ein
Arbeitsübereinkommen mit ÖVP und FPÖ einlasse. Da bleibe ich lieber 100
Jahre Opposition. Punkt. Die UnterstützerInnen von Anträgen kann man sich
nicht aussuchen. Und oft genug gibt es gleich welcher Farbkonstellation
gemeinsame Oppositionsinteressen nach mehr Kontrolle, Transparenz und
Demokratie. Aber gemeinsam mit einer in breiten Teilen rechtsextremen FPÖ
jemanden zum Bürgermeister zu wählen, der gerade eben einen Stadtsenatssitz
der ÖVP den Freiheitlichen schenkt und einen von ihnen auch noch zum
Vizebürgermeister macht - sorry, es gibt einfach Grenzen. [...] Im
Normalfall richtet man sich auf gleicher Ebene nichts aus. Als Budget- und
wirtschaftspolitischer Sprecher der Wiener Grünen würde es mich auch nicht
freuen von GrünpolitikerInnen anderer Bundesländer beständig Zensuren zu
erhalten oder kommentiert zu werden. Aber das ist halt kein Normalfall. Und
ich sage es auch ganz offen - ich finde es steht euch nicht zu, mit eurer
Aktion die Glaubwürdigkeit der Grünen im Kampf gegen Rechtsextremismus,
Rassismus und FPÖ in Frage zu stellen."
Inoffiziell war dazu von NÖ-Grün-Chefin Madeleine Petrovic zu hören, daß sie
es nicht goutiere, wenn sich die Wiener in Niederösterreich einmischten,
wenn sie von der Situation keine Ahnung hätten.
Doch auch Josef Baum, erfahrener Kenner der niederösterreichischen
Landespolitik ("Liste Baum & die Grünen", Purkersdorf) setzt hinzu: "Allein
die Person des designierten neuen Wr. Neustädter Bürgermeisters verschlägt
mir komplett den Appetit, um es vorsichtig auszudrücken. Dass die Grünen
dort bei dieser Unappetitlichkeit mitspielen, gibt noch eines drauf. Das
wird auch nicht dadurch entschuldigt, dass die SP ähnliches getan hat oder
tut... bitte, Grüne in Wr. Neustadt, überlegt euch das noch einmal! [...]
Zuwächse der Grünen sind sehr positiv, aber, siehe Wr. Neustadt, auch keine
Garantie für was Gescheiteres."
Denn der künftige Bürgermeister Klaus Schneeberger ist nicht irgendein
Kommunalpolitiker, sondern auch seit 15 Jahren der "Mann fürs Grobe" (so ein
Insider) von Landesfürst Erwin Pröll: Seit 2000 übt er das Amt des
Klubobmanns der Mehrheitsfraktion niederösterreichischen Landtag aus.
Kritik auch an Wiener und Salzburger Grünen
Allerdings müssen sich auch die Wiener Grünen vorwerfen lassen, sie
drifteten gerade mit ihrer Kandidatenliste für die Landtagswahl nach rechts
ab (siehe "Leserbrief/Wien/Gruene: Und noch ein Schritt nach rechts..." im
heutigen akin-pd).
Zumindest eine Bürokratisierung verortet Florian Klenk im Falter bei der
Listenerstellung anhand des Umgangs mit dem bisherigen Gemeinderat Klaus
Werner-Lobo. Dieser "Paradefall eines widerborstigen, engagierten und
umtriebigen Politikers" wäre nämlich "ziemlich brutal abgewählt" worden. Und
das habe systemische Gründe, so Klenk: "Die neue Wiener Landesliste zeigt,
dass -- von einigen Ausnahmen abgesehen -- nicht jene Persönlichkeiten
präferiert wurden, die als Citoyens ein eigenes Projekt auf die Beine
stellten (neben Lobo etwa der Menschenrechtsanwalt Georg Bürstmayr), sondern
jene Parteiangestellten, die die richtigen Netzwerke aktivieren konnten. Ist
das schlimm? Es ist der hohe Preis einer Basisdemokratie, die die Partei
langfristig langweiliger machen wird."
Und auch in Salzburg-Stadt werden die Bürgerlisten-Grünen (so wie die nicht
im Gemeinderat vertretene KPÖ) von manchen Antifaschisten scheel für ihre
Kooperation mit der FPÖ auf einer Demokratie-Plattform angesehen. Der
Hintergrund: Seit 2006 wird dort an einem kommunalen plebiszitären
Instrument gefeilt, das Modell wird 2013 auch prinzipiell von allen Parteien
außer der ÖVP im Gemeinderat abgesegnet. Doch eine tatsächliche Verankerung
im Salzburger Stadrecht ist bis heute nicht geschehen. SPÖ und ÖVP wollen
nur mehr eine sehr abgespeckte Version der Mitbestimmung zulassen. Um doch
noch die Originalvereinbarung Wirklichkeit werden zu lassen, versuchen
einige NGOs nun gemeinsam mit Grünen, Neos, KPÖ und FPÖ eine möglichst
breite Front gegen die rotschwarze Blockade aufzubauen.
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Kommentar: Was ist gerade noch koscher?
Zuallererst: Die Kritik an der Wiener Landesliste ist völlig überzogen -- da
sind etliche Leute drauf, die selbst der SPÖ zu weit links stehen und der
sich die ÖVP wahrscheinlich nur mit vorgehaltenem Kruzifix nähern wollte. Es
ist einfach so, daß bei den Wiener Grünen ein unheimliches Griß um die
Männerplätze auf der Liste herrschte und da konnten halt bei den wenigen zu
erwartenden Mandaten nicht alle zum Zug kommen. Daß nicht die komplette
Liste eindeutig der Linken zuzurechnen ist, ist der Tatsache geschuldet, daß
die Grünen nunmal in ihrer Gesamtheit keine dezidiert linke Partei sind --
aber das war früher auch nicht anders. Und wenn Klenk meint, die
Basisdemokratie mache die Liste langweiliger, dann würde er sich aber schwer
wundern, wie fad die Liste erst wäre, würde sie nach alter östereichischer
Sitte von einem Parteisekretariat erstellt.
Auch die Kooperation in Salzburg mag zwar seltsam aussehen, doch geht es
hier um eine themenspezifische Kooperation in Demokratiefragen. Hier hat man
sich zusammengefunden, um das "divide et impera" der beiden alten
Staatsparteien zu überwinden. Das ist auch nichts Neues, so etwas gab es
auch schon im Nationalrat: 2009 schlossen sich FPÖ, BZÖ und Grüne zusammen,
um Verfassungsmehrheiten zu blockieren, um die Regierungsparteien zu
zwingen, einen Untersuchungsausschuss nicht abzudrehen -- ohne diesen
Zusammenschluss hätte man ÖVP und SPÖ nicht unter Druck setzen können.
Deswegen hieß das aber noch lange nicht, daß man sich inhaltlich irgendwie
mögen oder auch nur kooperieren muß. Ähnliches gilt für die jetzigen
Versuche der Grünen in Wien, mit FPÖ und ÖVP eine Wahlrechtsreform
durchzuziehen. Daran kann man zwar kritisieren, daß das eine Reform sein
soll, die maßgeschneidert nur genau diesen drei Parteien mehr Mandate
verschaffen soll, aber auch hier ist die Kooperation exakt auf ein
gemeinsames Anliegen eingegrenzt und kann nicht als inhaltliche
Zusammenarbeit oder Annäherung in anderen Fragen angesehen werden. In
Angelegenheiten der Demokratisierung kann man unter Umständen schon mal --
sofern man vorsichtig und kar ist -- auch mit Leuten kooperieren, an die man
sonst nicht anstreifen wollte.
Und auch als Kreisky 1970 die FPÖ und ein paar alte Nazis in der eigenen
Partei nutzte, um sein Reformprogramm eines "modernen Österreichs"
durchzusetzen, war das sehr sinnvoll -- retrospektiv betrachtet, kann man
als Linker nur sagen: Gut, daß dem alten Schlawiner damals nicht zu sehr vor
seinen Mehrheitsbeschaffern gegraust hat. Ähnliches darf heute für die
Syriza-Regierung gelten: Eine verrückte rechte Kleinpartei, die sich
korrumpieren läßt mit ein paar Posten, ist sicher ein besserer Partner als
eine wirtschaftsliberale Partei, die ständig mitregieren will.
Weitaus problematischer allerdings ist da die Geschichte in Wiener Neustadt.
Da geht es auch um Posten und eine wenige konkrete Anliegen -- nur daß es
hier umgekehrt ist: die Grünen benutzen nicht eine rechte Partei, sondern
sie werden von ihr benutzt. Es ist halt ein Unterschied, ob man selbst eine
starke Partei ist und eine Kleinpartei als Mehrheitsbeschaffer oder auch nur
zur öffentlichen Legitimation für einen politischen Spottpreis zukauft --
oder ob man eben selbst diese Kleinpartei ist.
Der Argumentation, daß man ja gar keine Koalition bilde und auch den FPÖler
nicht wählen werde, kann man zwar noch über weite Strecken folgen.
Allerdings ist in Kommunen generell so ein Arbeitsübereinkommen immer eine
relative Sache: Man erinnere sich an den Grazer ÖVP-Bürgermeister, der trotz
aufrechter schwarz-grüner "Koalition" sich in manchen Fragen die FPÖ als
Mehrheitsbeschaffer holte, wenn die Grünen nicht mitstimmen wollten -- und
sich dann darüber beschwerte, daß die Grünen unzuverlässig seien. Freie
Mehrheitsbildung ist in vielen Gemeinden völliger Usus.
Und genau da hakt es: Denn in Wiener Neustadt wurde das als großartiges
neues Modell von "bunt regieren" verkauft -- was bedeutete, einen Schwarzen
zum Bürgermeister zu machen.
Das Problem an der Geschichte ist auch die buchstäbliche Optik: Bei der
Präsentation der Einigung stand die Grüne Windbüchler gleich als nächste
beim neuen Bürgermeister Schneeberger und lächelte in die Kamera. Viel
Vertrauen konnte man da nicht entwickeln in ihre Amtsführung als zukünftige
Vorsitzende des Kontrollausschusses.
Die seltsame Um-die-Ecke-Koalition mit der FPÖ (die da ebenso nur ein
Beiwagerl ist) ist da weitaus weniger zu kritisieren. Die Verbandelung mit
einem Schneeberger, der halt ein bißchen mehr ist als nur Stadtchef seiner
Partei, ist das Anrüchige. Denn immerhin wird es sich bei den nächsten
Landtagswahlen in Niederösterreich in spätestens drei Jahren vielleicht
nicht mehr für die "Absolute" der ÖVP ausgehen. Und nachdem die Grünen immer
so gerne überall mitregieren wollen, heißt es wohl beizeiten, die
Kooperationsfähigkeit auszutesten. Und dann erscheint dieses kommunale "Bunt
regieren" plötzlich nicht mehr so lieb-harmlos.
Aber da hör ich wahrscheinlich nur das Gras wachsen. Das grüne nämlich. Oder
die Nachtigallen trappsen...
*Bernhard Redl*
Links:
ORF zu "bunt regieren": http://noe.orf.at/news/stories/2694881
Margulies:
https://martinmargulies.wordpress.com/2015/02/16/die-grenze-der-nichteinmischung-ist-erreicht
Grüne Wr. Neustadt:
http://bezirkwienerneustadt.gruene.at/themen/ortsgruppe/gruene-wr-neustadt-zur-buergermeisterwahl-in-wr-neustadt
Windbüchler:
https://www.facebook.com/tanja.windbuechler/posts/10204808909455828
Baum: http://www.purkersdorf-online.at/blog/baum.php?itemid=277
Blau-grün-orange 2009: http://derstandard.at/1256744638074
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