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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 4. Februar 2015; 18:44
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Griechenland/EU/Glosse:
> Chance für die EU, Chance für die Linke
"Sie glaubten, sie seien an der Macht, dabei waren sie nur in der
Regierung." Der Satz wird immer wieder Tucholsky zugerechnet. Ob er wirklich
von ihm stammt, ist unklar, aber egal. Denn er beschreibt sehr treffend
Tucholskys Analysen des Elends der Sozialdemokratie. Und Syriza könnte in
die selben Fallen tappen -- der Satz könnte ihr also als Mahnung dienen.
Regieren wird für Syriza nicht leicht werden -- die Notwendigkeit eines
Koalitionspartners war dabei das geringste Problem. Da gibt es die billig zu
habenden "Unabhängigen Griechen". Wenn Tsipras und Co. das geschickt
anstellen, können sie die benutzen wie einstens Kreisky die FPÖ. Auch
außenpolitisch scheint es so, als hätte Tsipras nur für den Besten gelernt:
Die Annäherung an Rußland war sicher kein schlechter Schachzug --
Machtblöcke gegeneinander auszuspielen, ist, wenn man es geschickt macht,
eine elegante Trickserei, um selbst Souveränität zurückzugewinnen. Tito,
schau oba!
Sozialdemokratie des 21.Jahrhunderts?
Ein viel schwerwiegenderes Problem wird für Syriza die eigene, höchst
heterogene Abgeordneten- und Ministerriege sein. Eine klare Linie wird
mittelfristig nur schwer zu fahren sein, weil es einen weiten Range an
möglichen Kompromissen gibt. Syriza hat ja nicht angekündigt, Griechenland
in den Sozialismus zu führen, sondern mit keynesianischen Methoden eine
soziale Marktwirtschaft zu rekonstruieren. In Wirklichkeit ist Syriza eine
erneuerte Sozialdemokratie, die das Versumpfen in der Korruption noch vor
sich hat. D.h., wie ernst Syriza mit ihren Ankündigungen machen wird, bleibt
abzuwarten -- der Troyka den Sessel vor die Tür zu stellen, war allerdings
ein vielversprechender Anfang.
Zum anderen wird es vom reichen Teil der EU Angebote an Griechenland geben
müssen -- diese Herrschaften wollten zuerst einmal gar nichts zugestehen.
Jetzt zeichnet sich ab, daß es Angebote geben wird, die so aussehen, daß ein
Teil der griechischen Regierung und ihrer Basis sie nolens-volens
akzeptieren würde, der andere aber nicht. Die Hoffnung von Merkel, Juncker
und Co. könnte dabei sogar sein, die griechische Regierung zu spalten und
damit das Problem "Syriza" wieder loszuwerden.
Bislang ist speziell von deutscher Regierungs- und Bankenseite öffentlich
Sturheit angesagt. An der Austerität gäbe es kein vorbeikommen, heißt es.
Noch sieht es so aus, als wollte man lieber eine Regierung der Goldenen
Morgenröte riskieren als eines Sozialprogramms.
Dabei wäre ein Blick in die Geschichte lehrreich. Nach dem Hitler-Krieg
hatte man Deutschlands Schulden großteils gestrichen (auch wenn das
völkerrechtlich heute teilweise wieder umstritten ist), um Westdeutschland
in die sogenannten westlichen Welt zu integrieren. Nur deswegen konnte
Deutschland ökonomisch wieder so stark werden -- und ist dadurch von neuen
nationalistischen Bewegungen weitgehend verschont geblieben.
Griechenland hingegen hat nicht seine Nachbarn überfallen, sondern verdankt
seine Pleite einer eigenen korrupten Elite, westeuropäischen Spekulanten und
dem Diktat einer EU-Wirtschafts- und Währungspolitik, die für ein
exportschwaches Land ungeeignet ist. Moralisch hätten Griechenland und
andere Schuldenstaaten der EU weitaus höheres Anrecht auf eine
Schuldenstreichung. Nur war Moral noch nie ein machtpolitisches Druckmittel.
Relevant ist da nur die Bedrohung der EURO-Stabilität.
Vielleicht ist aber Syriza auch die letzte Chance für die EU: Diese
Regierung könnte der Anlaß sein zu einer grundsätzlichen Richtungsänderung.
Denn was nicht nur Griechenland, sondern die gesamte EU braucht, ist der oft
zitierte new deal -- ansonsten werden Griechenland und andere Staaten
entweder die rechtsstaatlichen Vorstellungen der EU aufkündigen und einfach
einseitig ihre Schulden sistieren. Oder: Man überläßt den gesamten
Kontinent -- innerhalb und außerhalb der EU -- den Faschisten.
Kein Sieg für Bobos
Der momentane Sieg Syrizas hat aber noch eine ganz andere Bedeutung für die
europäische Politiklandschaft. Denn während anderswo Sozialdemokratie und
bürgerliche Rechte durch die extreme Rechte gefährdet sind, kommt in
Griechenland und Spanien der Druck von links. Und das ist generell eine
Chance für die Linke; nicht vordergründig, in Regierungen zu kommen oder das
Wirtschaftssystem verändern zu können, sondern vor allem wieder zu den
traditionellen Themen zurückzukehren -- marxistisch ausgedrückt: zum
Hauptwiderspruch zwischen Arbeit und Kapital.
Denn während sich in Mitteleuropa die Linke die Themen von der Rechten
diktieren läßt, kann sie in Griechenland und Spanien selbst Themen setzen --
leider bedurfte das erst einer Verarmung weiter Schichten. Doch dann wurde
klar, daß das Problem nicht die erstarkende extreme Rechte ist -- obwohl die
speziell in Griechenland bekanntermaßen ganz besonders wild drauf ist --
sondern der Kapitalismus und die Herrschaft des Geldadels.
Syriza ist der Beweis, daß der effektivste Antifaschismus einer ist, der den
Gedemütigten eine soziale Alternative anbietet. Der mitteleuropäischen
Bobo-Linken, die die Armen verachtet, weil diese gerne rechtsextreme
Parteien wählen und sich nicht politisch korrekt ausdrücken, sollte der
Erfolg von Syriza eine Lehre sein.
*Bernhard Redl*
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