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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 21. Jänner 2015; 15:45
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Kommentierte Presseschau:
> Absoluter Unsinn
Online-Umfragen sind nach wie vor beliebt -- selbst auf privaten Blogs
breiten sie sich schon aus. Und es gibt immer noch Leute, die diese Umfragen
ernst nehmen. Wer hat noch nicht ein eMail oder eine Facebook-Botschaft
erhalten, jetzt unbedingt auf dieser oder jener Site in irgendeiner Umfrage
mitzustimmen, damit ein (für den Absender) wünschenswertes Ergebnis
rauskommt? Eben!
Üblicherweise geht es in solchen Umfragen nicht um Parteipräferenzen,
sondern um inhaltliche Problemstellungen. Ob die Ergebnisse daraus irgendwas
mit dem wirklichen Meinungsbild in der Gesellschaft zu tun haben, läßt sich
schwerlich abschätzen. Wenn dann allerdings bei so einer Umfrage doch einmal
die klassische Sonntagsfrage gestellt wird -- also wen man am nächsten
Sonntag wählen würde, wären Wahlen --. ist am Ergebnis wunderbar ablesbar,
wie wenig solchen Umfrage mit einem wirklichen Gesellschaftstrend zu tun
haben; schließlich ist hier der Reality-Check anhand wirklicher
Wahlergebnisse möglich. Eine solche Umfrage startete neulich "Vienna
online": Jede Woche wird dort gefragt, wen man denn bei der nächsten
Wien-Wahl wählen würde. Das Ergebnis der letzten Woche: Knapp die Hälfte
aller Stimmen würde die FPÖ erhalten (was in Wien für die "Absolute" an
Mandaten reichen würde), ein Viertel bekämen die Grünen und drittstärkste
Partei wäre die KPÖ. Die SPÖ käme hingegen nur auf etwas mehr als 5%.
Dies sollte man vielleicht in Erinnerung halten, wenn man sich wieder einmal
die Ergebnisse einer Online-Umfrage zu Gemüte führen möchte.
http://www.vienna.at/umfrage-wen-wuerden-sie-bei-der-wien-wahl-2015-derzeit-waehlen/3831119
Kurz: http://tinyurl.com/akin02vol
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> Vorsicht vor der Kamera
Apropos Wien: Schon vor den Pariser Anschlägen verkündeten die Wiener
Linien, die Videoüberwachung der Öffis nun lückenlos machen zu wollen. Das
berichtete "Die Presse" am 3.Jänner. Das Auge des Schwarzkapplers soll bald
ständig über uns wachen -- egal ob wir in U-Bahn, Bim oder Bus unterwegs
sind. Lediglich kurze Busse sollen einstweilen noch nicht überwacht werden,
weil da der Rückspiegel des Busfahrers ausreichend wäre. Wenn man bedenkt,
dass laut offiziellen Angaben die Polizei 2014 in rund 1400 Fällen
Videomaterial angefordert haben soll, wird klar, wie oft und aus welch
nichtigen Anlässen dies in Zukunft passieren könnte.
http://diepresse.com/home/1328932
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> Christgrüne Partei Deutschlands
Noch katholischer als die hiesigen Grünen sind die in Deutschland. Das mag
in einem Land, das in seiner Gesamtheit gar nicht so katholisch ist,
überraschen, aber gerade viele grüne Spitzenpolitiker sind mit dem römischen
Klerus eng verbandelt. So sitzen sowohl der BaWü-Ministerpräsident als auch
die NRW-Vizeministerpräsidentin und die Berliner Landesvorsitzende im
Zentralkomitee der deutschen Katholiken. Am Samstag hatte die Partei mit dem
offiziellen Titel "Bündnis 90/Die Grünen" ihren ersten religionspolitischen
Kongress -- das berichtet die "taz" am 18.Jänner.
Wobei bei der Veranstaltung weniger die Parteibasis gefragt war, sondern
eher der Klerus aller Geschmacksrichtungen: "Bei dem Kongress mit mehr als
300 Teilnehmern, darunter zahlreiche christliche Theologen, aber auch
Vertreter islamischer Verbände und von Weltanschauungsgemeinschaften sowie
jüdische Wissenschaftler, waren die Ereignisse in Frankreich stets
gegenwärtig". "Spätestens die Attentate von Paris zeigen: Wir müssen
Religionen reinholen in den Öffentlichen Diskurs", zitiert die taz die
Berlin-Chefin Bettina Jarasch. Tenor: Laizismus ist der falsche Weg und
"Staat und Religionsgemeinschaften müssen sich aufeinander beziehen", so der
NRW-Chef Sven Lehmann.
Ganz ohne Widerspruch bleibt das aber dann doch nicht: "Manche Grüne
plädieren allerdings für eine stärkere Trennung von Kirche und Staat, etwa
der ehemalige Europaabgeordnete Frieder Otto Wolf, heute Präsident des
Humanistischen Verbands, der Konfessionslose repräsentiert. Das deutsche
Staatskirchenmodell sei unwiederbringlich dahin, sagte Wolf. 'Der Versuch,
den Islam an Bord zu holen, um die Privilegien der Kirchen zu rechtfertigen,
wird nicht funktionieren', sagte er."
Sein Wort in Gottes Ohr! Oder besser: im Gehörgang "jenes höheren Wesens,
das wir verehren" -- wie das Heinrich Böll (nachdem die grüne
Bildungsstiftung benannt ist) dies einst seinen Dr. Murkes formulieren
ließ...
http://www.taz.de/!153045/
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> Archaische Riten
Apropos Deutschland und Religion. Der Kölner Stadtanzeiger berichtete am
13.Jänner Erstaunliches: "An einem Karfreitag darf es in Köln keine
öffentliche Beschneidungsfeier von Muslimen geben. Mit dieser Entscheidung
bestätigte das Verwaltungsgericht Köln ein Verbot, das die Stadt Köln gegen
den Betreiber des Kölner 'Eurosaals' verhängt hatte. Das Gericht begrÜndete
seine Entscheidung mit dem 'unterhaltenden Charakter' einer
Beschneidungsfeier, bei der 'Gesang, Tanz sowie das Festmahl' zu den
zentralen Bestandteilen zählten. Das widerspreche dem stillen Charakter des
Karfreitags, der dem Gedenken an Kreuzigung und Tod Jesu gewidmet ist."
Ein säkulares Gericht erklärt, dass die Feier eines seltsamen
Körperverletzungsritus der einen Religion deswegen nicht erfolgen darf, weil
es einer anderen Religion nicht passt. Hallo, wir leben im 21.Jahrhundert!
Oder?
Zur Ehrenrettung der Kölner Justiz sei erwähnt, dass das dortige Landgericht
2012 für ziemliche Aufregung gesorgt hatte, weil es die Beschneidung von
Jungen aus religiösen Gründen als strafbar angesehen hatte. Diese
Entscheidung hatte in Deutschland eine wilde Debatte hervorgerufen und man
änderte in Windeseile das Gesetz dahingehend, dass religiöse Beschneidung
nicht als Körperverletzung anzusehen sei. Auch die christlichen Kirchen
waren damals der Meinung, das Entfernen der Vorhaut sei wichtiger für das
gesellschaftliche Zusammenleben als die physische Integrität des
potentiellen Religionsnachwuchses.
Meint nun also das Kölner Verwaltungsgericht die Religionen gegeneinander
ausspielen zu können? Oder ist das einfach nur noch blöd und
mittelalterlich?
http://www.ksta.de/politik/verwaltungsgericht-koeln-islamische-beschneidungsfeier-an-karfreitag-verboten,15187246,29554818.html
Kurz: http://tinyurl.com/akin02koeln
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> Ein ganzes Land auf den Beinen?
Apropos Religionskrieg. "Eine Million Tschetschenen drohen den Christen"
titelte krone.at am 19.Jänner. Dabei ging es um die Demo in Grosny gegen die
Mohammed-Kandidaturen. Irgendwer in der Redaktion bewies aber dann doch
Realitätssinn. Denn viel mehr Einwohner als eine Million hat ganz
Tschetschenien nicht und selbst die sind nicht alle ethnische Tschetschenen
und auch nicht alle Moslems. Abzüglich aller Bettlägrigen, Gefängnisinsassen
und sonstigen Inmobilen hätte das übrige Land zum Zeitpunkt der Demo
ziemlich entvölkert sein müssen, damit so eine Demo zustande gekommen
wäre -- die Krone hatte schlicht die Regierungspropaganda für bare Münze
genommen, weil es gerade so schön gepasst hat. Kurz darauf wurde die
Headline geändert. Nun titelte die Online-Ausgabe des Massenblatts:
"Tschetschenen zeigen 'Liebe zum Propheten'". Im Fließtext wurde die Zahl
der Demonstranten reduziert auf "zumindest Zehntausende". Weil: Nix Genaues
weiss man halt auch nicht.
http://www.krone.at/Welt/Tschetschenen_zeigen_Liebe_zum_Propheten-Mega-Demonstration-Story-435385
Kurz: http://tinyurl.com/akin02grosny
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> Bilderstürmer
Der vom New York Journal 1898 nach Havanna entsandte Zeichner Frederick
Remington schrieb an seinen Chef in New York: "Hier gibt es keinen Krieg,
ich bitte um Rückbeorderung." Dieser, der angehende Zeitungszar William
Randolph Hearst, telegrafierte ihm: "Bleiben Sie! Liefern Sie mir die
Zeichnungen, ich liefere Ihnen den Krieg." Hearst startete eine massive
Kampagne und tatsächlich erklärten kurz darauf die USA Spanien aus vom New
York Journal erfundenen Gründen den Krieg. Orson Welles zitierte später im
Film Citizen Cane diese Begebenheit.
Bilder sind mächtig -- das haben wir im Zusammenhang mit den Pariser
Anschlägen wieder erfahren müssen. Nicht nur die Karikaturen, auch die
Bilder der europäischen Elite als demonstrierende Masse und auch deren
Decouvrierung als Scheindemo durch Ablichten aus einer anderen Perspektive
gingen um die Welt. Hanno Rauterberg versucht in der "Zeit" einen
Erklärungsversuch dieser Bildermacht: "Weil es in den Kriegen von heute oft
keine klaren Fronten gibt, keine Feinde, die auf offenem Feld gegeneinander
antreten, wird der Kampf vermehrt auf symbolischem Terrain ausgetragen. ...
So war es, als die Riesenbuddhas in Bamian zertrümmert wurden. So war es,
als in New York die Hochhäuser fielen. Dass dabei Menschen starben, war für
die Attentäter ein willkommener Nebeneffekt. Viel wichtiger schien es, die
architektonischen Zeichen der Macht zu fällen - und das live aller Welt vor
Augen zu führen. Für viele ist der Westen in diesem Bilderkrieg keineswegs
nur das Opfer. Sie verweisen auf die Folterszenen aus Abu Ghraib. Sie
erinnern an den Denkmalsturz in Bagdad, als eine Skulptur von Saddam Hussein
so publikumswirksam vom Sockel gestoßen wurde, als wäre es ein Akt
leibhaftiger Entmachtung. Und nicht zuletzt erscheint manchen Muslimen auch
die Verhöhnung ihres Propheten wie ein kriegerischer Angriff auf den Islam
und seine Kultur."
Und der Autor bricht es auf die ganz persönliche Ebene herunter: "Jeder, der
ein Foto seiner Liebsten zerschneidet, zerschneidet nicht nur ein Stück
Papier. Wenn die Schere das Gesicht zerteilt, dann blutet niemand, und
niemand schreit auf, und doch ist es ein seltsamer Vorgang, rabiat,
erschreckend vielleicht. Denn im Bild ist etwas Abwesendes anwesend. Im Bild
kommt dem Menschen etwas entgegen, das sehr fernliegen kann. Nur deshalb
trägt ein Vater das Foto seiner Kinder in der Brieftasche mit sich herum: Er
will nicht das Bild, er will die Kinder immer dabeihaben. Das Bild schenkt
Nähe. Das Bild verleiht aber auch Macht."
Aber man müsse trotzdem die Kirche im Dorf lassen: "Niemals sind Bilder so
mächtig, dass sie einen Befehl zum Töten erteilen. Nie würden sie billigen,
dass der eine Mensch dem anderen die Freiheit oder gar das Leben nimmt.
Bilder werden nicht schuldig, schuldig sind nur die Attentäter."
http://www.zeit.de/2015/03/bilder-macht-charlie-hebdo-karikaturen
Kurz: http://tinyurl.com/akin02zeit
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> Erschießt Deserteure?
War da noch was? Ah ja, neben all der Religionshysterie gibt es ja noch
einen Krieg in Europa. Nämlich den in der Ukraine. Der droht ein wenig in
Vergessenheit zu geraten, schließlich ist er gar so banal-säkular. Die
"junge welt" berichtet aber darüber. Laut dieser wird der Bürgerkrieg
zumindest von Kiew aus weiter angefacht. Im dortigen Parlament soll
beschlossen worden sein, die Bataillonskommandeure zu ermächtigen, Desertion
und ähnliche Vergehen "mit allen Mitteln einschließlich Waffengebrauch" zu
unterbinden. Außerdem sollen 100.000 Zivilisten als Soldaten mobilisiert
werden -- man wolle dabei vor allem die bei den Arbeitsämtern registrierten
Arbeitslosen einberufen, hieß es.
https://www.jungewelt.de/2015/01-19/051.php
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