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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 17. Dezember 2014; 03:10
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Glosse:
> Die mit der Demokratie
Debatten übers Wahlrecht werden in Österreich nur geführt, wenn sie
Unterhaltungswert haben
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Es ist auffällig, daß Debatten über das Wahlrecht immer nur dann passieren,
wenn sie einen publizistischen Zusatznutzen haben. Dabei geht es doch darum,
wie Mehrheiten in den jeweiligen Legislativen aller Ebenen, zustande
kommen -- und wie generell die Zusammensetzung dieser Parlamente aussieht.
Es interessiert nur normalerweise niemanden; windige Umfragen über das
angebliche Wahlverhalten, im Wochentakt publiziert, sind viel interessanter.
Fragen nach den Spielregeln, wie denn der Wählerwillen auf die Parlamente
umgesetzt wird, und auch Fragen, ob die Parlamente das Recht hätten, selbst
diese Spielregeln zu bestimmen, um ihre eigene Nachfolge zu gewährleisten,
werden nur sehr selten in einer breiteren Öffentlichkeit gestellt.
So auch jetzt wieder: Wir haben eine Debatte über das Wahlrecht, aber nur
deswegen, weil es sich um einen Zwist in der Wiener Koalition handelt -- um
das letzte wichtige, aber nicht umgesetzte Anliegen der
Regierungsübereinkunft zwischen SPÖ und Grünen von 2010 --, und weil es den
Grünen darum geht, nach den nächsten Wahlen mandatsmäßig besser dazustehen.
Die SPÖ will natürlich kein neues Wahlrecht, weil ihr das bisherige hilft.
Das ist das behandelte Thema -- ein parteipolitischer Interessenskonflikt;
um Demokratisierung geht es dabei nicht.
Über die Mindestklausel, die sichert, daß der Wiener Landtag auch weiterhin
ein exclusiver Klub bleibt, in dem möglichst wenige Parteien vertreten sind,
wird natürlich nicht diskutiert. Und wie bei anderen Landtagen und natürlich
auch dem Nationalrat wird das damit argumentiert, man müsse die Parlamente
vor Zersplitterung schützen und Regierungsbildungen sowie das Regieren
selbst würden dann so schwierig. Natürlich würde es schwieriger und es gäbe
dann vielleicht keine Mehrheiten in der Legislative mehr, die einfach alles
absegnen, was von der Regierung kommt. Das Regieren wäre nicht mehr
effizient, heißt es. No, a a Schod! Aber vielleicht gäbe es stattdessen
echten Parlamentarismus und die Kontrolle der Regierungsarbeit wäre
effizient -- das wollen heute aber nicht einmal die etablierten
Oppositionsparteien, weil sie ja schließlich auch einmal mitregieren wollen.
Die Grünen bemühen sich derzeit, vorzurechnen, welche Effekte ein Wahlrecht,
das die kleineren Fraktionen besserstellen würde, auf die Zusammensetzung
des Landtags hätte. Ihr Anliegen, so Martin Margulies auf seinem Blog, sei,
daß "sich der WählerInnenwille proportional zum Wahlergebnis auch in der
Mandatszuteilung widerspiegeln sollte". Ja, Schnecken, die Abschaffung der
Mindestklausel wäre da aber auf alle Fälle ein viel effektiveres Mittel dies
zu erreichen als das Feilschen um die Kosten von Grundmandaten.
Wiener Kuriosum
Wobei Wien da sowieso ein Spezialfall ist: Während in den Gemeinden
üblicherweise die Zahl der Wahlbeteiligten dividiert durch die Zahl der
Mandate für ein Mandat ausreicht, ist das in Wien nicht so, weil der
Gemeinderat gleichzeitig Landtag ist -- was sowieso ein
verfassungsrechtliches Kuriosum bezüglich vertikaler Gewaltentrennung ist.
Wien ist damit die einzige Gemeinde Österreichs, in der man -- obwohl mit
100 Mandaten zahlenmäßig der größte Gemeinderat -- mit kleinen Listen keine
Chance auf einen Einzug hat. Doch die Debatte geht nur darum, wer von den
etablierten Parteien das größere Stück vom Kuchen kriegt -- und da reden sie
dann von Demokratisierung...
Ganz andere EP-Wahlergebnisse
Nach bisherigen Wahlergebnissen neue Zusammensetzungen bei geändertem
Wahlrecht zu errechnen, ist klassisch milchmädchenhaft. Dabei sollte doch
spätestens nach den letzten Europaparlamentswahlen klar sein, welche
Auswirkungen die unterschiedlichen Ausformungen der Mandatsberechnung nicht
nur auf die Zahl der Mandate sondern auch auf die Wahlergebnisse selbst und
auf die Parteienlandschaft hat. Bei den letzten EU-Wahlen wurde in
Großbritannien die rechtspopulistische UKIP stimmenstärkste Partei -- eine
Partei, die im House of Commons nur durch zwei Parteiwechsler vertreten ist.
In Spanien erzielte die frisch gegründete linke Liste Podemos 8% der Stimmen
(und damit 5 Mandate) -- bei den nationalen Wahlen hätte sie keine Chance
auf ein Mandat gehabt. Nach diesem Erfolg aber wird sie plötzlich in Spanien
als neuer Favorit bei den nationalen Wahlen 2015 gehandelt. Für Deutschland
sitzt jetzt Martin Sonneborn im EP -- und kann unangenehme Fragen stellen.
Bei der Bundestagswahl war "Die Partei" völlig chancenlos gewesen.
All diese auf den ersten Blick erstaunlichen Wahlerfolge sind nur möglich,
weil kleine Kandidaturen -- die dann plötzlich auch groß werden können --
davon profitieren, daß in den meisten nationalem Wahlrechten für die
EP-Wahlen viel eher darauf geachtet wird, daß der Wählerwille in der
Zusammensetzung der nationalen Delegationen wiederzufinden ist. Allerdings
funktioniert das nur in großen Staaten mit entsprechend vielen Mandaten --
in Österreich hat man mit seinen 18 Mandaten auch bei diesem Gremium mit
kleinen Listen keine Chance. Die Pointe: Obwohl dem so ist, gibt es trotzdem
eine Mindestklausel bei österreichischen EP-Wahlen, ganz nach dem Motto:
'Doppelt hält besser, wenn wir unter uns bleiben wollen'.
Der Einfluß des Wahlrechts auf die Parteienlandschaft ist also enorm --
Landtags- und Nationalratswahlen hätten ganz andere Ergebnisse mit einem
Wahlrecht, das nicht am Machterhalt der etablierten Parteien orientiert ist.
Darüber möchte man aber lieber nicht reden. Die Grünen -- resp. ihre
Vorläufer -- hatten dies einst thematisiert, als sie in den jeweiligen
Gremien noch nicht vorkamen. Jetzt reden sie natürlich nicht mehr darüber.
Allerdings versagt auch die vierte Gewalt hier völlig. Die massenmediale
Aufmerksamkeit beschränkt sich bei solch sperrigen Themen auf den
Unterhaltungswert eines Parteienzwists.
*Bernhard Redl*
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