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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 17. Dezember 2014; 02:59
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Schnorrbrief der Woche:

> Vorhang auf

ODER: Warum wir nicht von der Rolle sind.

Der theatralische Spendenaufruf der Deserteurs- und Flüchtlingsberatung
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Was waren die Zeiten doch einfach, als wenige Zutaten für ein erfolgreiches
Theaterstück ausreichten. Ein simpler Plot: Mann und schwangere Frau suchen
verzweifelt nach einer Unterkunft für die Entbindung. Schlichte Requisiten:
ein Stall, mit Stroh ausstaffiert und mit Ochs und Esel garniert. Sparsame
Spezialeffekte: drei Fremde mit Geschenken, einem geschweiften Stern
folgend. Und das Happy End: Das Kind kommt zur Welt und bringt die Rettung
für die Menschheit. Die Geschichte funktionierte und wird seit 2000 Jahren
aufgeführt.

Große Ambitionen .

Dass es heutzutage mehr braucht, um das Publikum in den Saal zu locken und
das Lob des Boulevards zu erheischen, wissen alle - auch die österreichische
Asylpolitik. Seit Jahrzenten wird deshalb geschickt am rechtlichen Drehbuch
gefeilt und dieses in einem Tempo überarbeitet, dass keine Langeweile
aufkommen kann. Es werden raffinierte Bösewichte konstruiert, die illegal
unser Land überschwemmen und unseren hart verdienten Wohlstand bedrohen. Vor
dieser Bedrohung kann uns lediglich die effiziente, sparsame und wirksame
Verwaltung retten. Doch der letzte Akt dieses fremdenrechtlichen
Trauerspiels lässt sogar abgebrühte Kritiker_innen dieses Genres nach Luft
schnappen. Die Umgestaltung des österreichischen Fremdenwesens seit 1.
Jänner 2014 zeigt eindrucksvoll, dass hier niemand anderes als Ochs und Esel
Regie führen können.

Zauberhafte Illusionen .

Dabei war das Marketing ausgezeichnet. Über Jahre hinweg wurde der Hype
aufgebaut und das neue System als effizient, schnell und klar angepriesen.
Und in der Reihe "Verwaltungsgerichtsbarkeit neu" sollte das Bundesamt für
Fremdenwesen und Asyl das Glanzstück darstellen. Und tatsächlich wurde das
Bundesamt zum Blockbuster. Nur Tretgitter konnten die Warteschlangen davor
in den Griff bekommen. Die Phantasie der Zuschauer_innen wurde dadurch
angeregt, dass sie sich Requisiten wie Räumlichkeiten, Ausstattung oder ein
funktionierendes Datensystem vorstellen mussten. Die Darsteller_innen übten
sich meisterhaft in der Kunst der Improvisation, da ihnen niemand die
Skripte mit den rechtlichen Bestimmungen zur Verfügung gestellt hatte. Eine
Dramaturgie, die eine komplette Untätigkeit des österreichischen Asylwesens
mit dem Höhepunkt der Syrien-Krise vereint, sucht bislang ihresgleichen. Und
die asylrechtliche Variante der weihnachtlichen Herbergssuche lässt sogar
Josef und Maria kopfschüttelnd in der Krippe zusammenrücken, da dort mehr
Platz zu sein scheint als in einem österreichischen Bundesland. Menschen
hingegen, die aufgrund von Krieg und Verfolgung ihren Herkunftsstaat
verlassen haben, wurden einmal mehr zu Statist_innen degradiert. Ohne
Sprechrolle warten sie die unzähligen Akte bis zum Ende des Stücks ab. Ihre
Gage von rund EUR 300 pro Monat, von der auch Kost und Logie aufgebracht
werden muss, bietet dabei kaum die Möglichkeit, menschenwürdig zu leben. Und
auf den Brettern, die die Welt deuten, wird ihnen erklärt, dass ihr
Fluchtgründe unplausibel, ihre Angaben unglaubwürdig und ihre
Herkunftsstaaten völlig sicher seien.

Liebenswürdige Antagonist_innen .

Auch wir spielen in dieser unfreiwilligen Komödie unsere Rolle. Als
Deserteurs- und Flüchtlingsberatung bieten wir seit mehr als 20 Jahren
Beratung, Vertretung und Unterstützung für Flüchtlinge an. Wir haben unsere
Texte gelernt und improvisieren, wo es sein muss. Unser Drehbuch schreiben
wir selbst. Unsere Vorstellungen sind kostenlos. Unsere staatliche Gage ist
nicht vorhanden.

Deshalb benötigen wir Ihre Hilfe. Werfen Sie ein paar Münzen in unseren
Gitarrenkoffer. Stehen Sie selbst im Rahmen einer Benefizveranstaltung für
uns auf der Bühne. Gewähren Sie uns Subventionen in Form von Daueraufträgen.
Lassen Sie Ihrer Vorstellungskraft freien Lauf. Von uns werden Sie dafür
sicher Standing Ovations erhalten.

Kontakt: Deserteurs- und Flüchtlingsberatung, Schottengasse 3a/1/59, 1010
Wien
Tel.: +43/1/533 72 71, Fax.: +43/1/532 74 16
http://www.deserteursberatung.at
Konto: IBAN: AT63 1400 0010 1081 3332, BIC: BAWAATWW



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