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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 10. Dezember 2014; 14:36
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Justiz/Glosse/Termin:

> Fluchthilfe als Verbrechen

Gedanken zum Tag der Menschenrechte: Flucht ist kein Verbrechen. Fluchthilfe
schon - darf das wahr sein?
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Am 10.12. wird jedes Jahr der sogenannten UNO-Menschenrechtserklärung vom
10.12.1948 gedacht. In deren Artikel 14 heißt es:

"Jeder hat das Recht, in anderen Ländern vor Verfolgung Asyl zu suchen und
zu genießen.

Dieses Recht kann nicht in Anspruch genommen werden im Falle einer
Strafverfolgung, die tatsächlich auf Grund von Verbrechen nichtpolitischer
Art oder auf Grund von Handlungen erfolgt, die gegen die Ziele und
Grundsätze der Vereinten Nationen verstoßen."

Nun hat diese Erklärung in Österreich keinerlei verbindlichen Charakter. Sie
ist nicht Teil unserer Verfassung, nicht einmal Gesetz oder wenigstens eine
Verordnung, ja nicht einmal ein völkerrechtlicher Vertrag, an den Österreich
gebunden wäre - sie ist rechtlich gesehen so gut wie gar nichts (damit
unterscheidet sich die österreichische Rechtslage von der deutschen, die
zumindest für politische Flüchtlinge im engeren Sinn sogar in der Verfassung
einen Anspruch auf Asyl vorsieht).

In Österreich gibt es kein Verfassungsrecht auf Asyl. Aber es gilt: wer
glaubhaft machen kann, im Sinn der "Genfer Flüchtlingskonvention" verfolgt
zu sein (UND davor in keinem anderen Teil seines Heimatstaates Schutz finden
zu können, UND dass nicht ein anderer EU-Staat nach der
"Dublin-III-Verordnung" für sein Asylverfahren zuständig wäre), der / die
hat Anspruch auf Asyl.

Das liest sich zwar schon ein wenig anders als das obige Zitat. Aber es gibt
ihn auch in Österreich, den Anspruch auf Schutz - längst nicht für alle
zwar, aber immerhin. Und es ist auch nicht so, dass Österreich diesen Schutz
ganz generell verweigern würde. Gerade momentan erhalten die meisten jener
Flüchtlinge aus Syrien, die es bis nach Österreich geschafft haben (und
dabei ihren "Reiseweg" verbergen konnten, um nicht sofort wieder
zurückgeschoben zu werden), durchaus rasch Asyl. Andere - viele andere! -
werden aber schon an Österreichs Grenzen zurückgewiesen, oder aus dem Zug
geholt und wieder nach Italien geschickt, wo man sie erst recht wieder
Richtung Norden losschickt... ein verrücktes, ein perverses Spiel mit
Menschen, die wie Pakete behandelt und damit um den allerletzten Rest ihrer
Würde gebracht werden.

Das Boot wäre voll, heißt es dann, wörtlich oder sinngemäß, gerne - und das
klingt doch etwas zynisch, wenn man sich die Zahlen vor Augen hält:
Österreich wird im Jahr 2014 vielleicht um die 25.000 neue AsylwerberInnen
vorübergehend aufnehmen (und viele von ihnen wieder wegschicken) - in den
Nachbarstaaten Syriens leben Millionen! Wie lange sie dort überleben, steht
derzeit in den Sternen. Diese Menschen können nicht einmal das Recht auf
Leben, Freiheit und Sicherheit ihrer Person, wie es im Artikel 3 der
UNO-Menschenrechtserklärung festgehalten ist, geltend machen...

Trotz alledem: eines steht auch in Österreich, selbst bei noch so strenger
Gesetzesauslegung, fest: Flucht ist kein Verbrechen. Weder die illegale
Einreise nach Österreich noch das Einbringen eines Asylantrages (egal, wie
begründet oder nicht) sind gerichtlich strafbar.

Haftstrafe bis zu 10 Jahren

Fragt sich nur, warum eigentlich die Hilfestellung bei einer Handlung, die
selbst überhaupt nicht gerichtlich strafbar ist, in Österreich als
gerichtlich strafbares Vergehen, ja unter bestimmten Begleitumständen sogar
als Verbrechen (mit einer Höchststrafe von 10 Jahren Haft!) geahndet wird.
In Wiener Neustadt wurden vor Kurzem sieben Personen wegen derartiger
Verbrechen (!) zu längeren, sogar "teilbedingten" Haftstrafen verurteilt -
weil sie Menschen bei Handlungen unterstützt haben, die per se überhaupt
nicht strabar waren!

Dieser einen Frage müssen wir uns stellen, und zwar sofort, weil aus
gegebenem Anlass:

Flucht ist kein Verbrechen, Fluchthilfe aber schon - darf das wahr sein?

So, wie die Bestimmung, die den Wiener Neustädter Fluchthilfeprozess erst
möglich machte (§ 114 FPG) derzeit ausgelegt wird, läuft sie direkt auf
dieses rechtlich paradoxe, menschlich geradezu perverse Ergebnis hinaus. Das
ist nicht gut. Da hängt etwas gewaltig schief.

Darüber sollte nachgedacht, geredet und gestritten werden - nicht nur am 10.
Dezember, sondern so lange, bis das wieder halbwegs repariert ist.

*Georg Bürstmayr*

*

Für heute, den 10. Dezember, ruft Asyl in Not zu einer Demo für die
ersatzlose Streichung der Paragraphen §114 FPG ("Schlepperei") und §274 StGB
("Landfriedensbruch").
Beginn 18 Uhr: Westbahnhof /
Christian Broda Platz. Marsch auf der Mariahilferstraße zum Marcus Omofuma
Stein, weiter auf der Ringstraße; 20 Uhr Schlußkundgebung am Ballhausplatz.



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