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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 10. Dezember 2014; 14:30
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Dramatisches
> Es gibt doch keinen Dollfuß-Mythos in der ÖVP
[Radioaufführung:
http://cba.fro.at/275622]
Am 19.11.2014 wurde im Wien-Museum im Rahmen einer Podiumsdiskussion ein
Buch mit dem Titel "Der Dollfuß-Mythos" vorgestellt. Am Podium saßen die
Autorin, Lucile Dreidemy, der Zeitgeschichtler Oliver Rathkolb, der
Nationalratspräsident i.R. Andreas Khol sowie Alexandra Föderl-Schmid vom
Standard als Moderatorin. Zunächst präsentierte die Autorin ihr Buch, in dem
sie die These vertritt, dass das bürgerliche Lager seit der Ermordung des
Diktators im Verlauf des Nazi-Putsches an einer Legende stricke, welche
Dollfuß als einen für Österreich gefallenen Märtyrer glorifiziere. Darauf
replizierte der Nationalratspräsident i.R., dass von einer solchen
Mythologisierung keine Rede sein könne, weil man mittlerweile, nicht zuletzt
aufgrund seines eigenen Engagements, zu einem sehr differenzierten
Dollfußbild gefunden habe.
Nach einigen weiteren Wortmeldungen auf dem Podium kam es dann zu einer
angeregten Diskussion mit dem Saalpublikum. Sie ist vielleicht etwas anders
abgelaufen, als ich es im Folgenden notiert habe. Möglicherweise sogar
ziemlich anders. Ganz sicher aber hat sie sich genau so angefühlt.
DRAMOLETT
für einen Nationalratspräsidenten i.R., eine Phalanx von Historikern, zwei
Stimmen aus dem Publikum und einen unsichtbaren Chor
Der Nationalratspräsident i.R.: Ich verwahre mich gegen die Phalanx hier auf
dem Podium und gegen die Unterstellungen in diesem Buch. Für die
österreichische Volkspartei gibt es da keine Legendenbildung. Wir haben
unser Verhältnis zu Dollfuß in Ordnung gebracht. Sein Bild hängt zwar noch
immer in unserem Parlamentsklub. Aber darunter hängt jetzt eine Tafel, auf
der seine wichtigsten politischen Fehler festgehalten sind. Er war kein
Faschist, hat aber das Parlament ausgeschaltet, als Diktator regiert und so
weiter.
Naive Stimme aus dem Publikum: Herr Kohl, Sie gestehen zu, dass Dollfuß das
Parlament ausgeschaltet und als Diktator regiert hat. Wieso war er dann kein
Faschist?
Erfahrene Stimme aus dem Publikum: Bitte nicht! Das diskutieren wir jetzt
seit zwanzig Jahren!
Der Nationalratspräsident i.R.: Der Faschismus ist das Böse schlechthin mit
Konzentrationslagern und so weiter. Ich kann Ihnen da ein Buch nennen, wo
alle Kriterien ganz genau aufgelistet sind. Dollfuß war nur ein Kind seiner
Zeit, das die Fehler seiner Zeit gemacht hat. Er war aber kein Faschist.
Erster Historiker aus dem Publikum: Muss man nicht von Faschismus sprechen,
wenn es doch auch im Heimwehrstaat Anhaltelager gab?
Der Nationalratspräsident i.R.: Nein, das muss man nicht, weil Faschismus
ist etwas absolut Grausliches und Dollfuß war ein Märtyrer. Im Unterschied
zu Karl Renner. Der hat den Krieg gemütlich in Gloggnitz ausgesessen. Und
trotzdem hab ich dafür gesorgt, dass für ihn eine Ehrentafel im Parlament
angebracht wird. Sie sehen also, ich gönne auch Ihnen Ihre Säulenheiligen.
Bitte lassen Sie doch die unseren in Frieden ruhen.
Zweiter Historiker aus dem Publikum: Das Klerikale war der wesentliche Kitt,
mit dem Dollfuß die Gesellschaft zusammenhalten wollte. Könnte man ihn da
nicht vielleicht einen Klerikalfaschisten nennen?
Der Nationalratspräsident i.R.: Nein, das kann man nicht, weil Faschismus
ist das Böse schlechthin und Dollfuß war nur ein Kind seiner Zeit. Lesen Sie
die Tafel unter seinem Bild in unserem Parlamentsklub. Unser Verhältnis zu
ihm ist sauber.
Dritter Historiker aus dem Publikum: Dollfuß regte am 12. Februar 1934 die
Vergasung der streikenden Arbeiter des Gaswerks an. Wenn das nicht absolut
böse ist ...?
Der Nationalratspräsident i.R.: Er war eben ein Kind seiner Zeit und machte
die Fehler seiner Zeit.
Der Historiker auf dem Podium: Rings um Österreich gab es damals
faschistische Bewegungen und Staaten. Der Dollfuß wollte sich da halt
einreihen und hat sich die eine oder andere Anleihe genommen. Man sollte
also vielleicht von einem Imitationsfaschisten sprechen.
Der Nationalratspräsident i.R.: Nein, sollte man nicht. Denn Dollfuß war
ehrenwert und ist als Märtyrer gestorben.
Schon während der letzten Worte des Nationalratsprädidenten i.R. beginnt der
unsichtbarer Chor im Hintergrund leise und sehr gefühlsbetont mit dem Gesang
der Bundeshymne. Der Nationalratspräsident i.R. steht auf, nimmt Haltung an
und beginnt mitzusingen. Nach und nach erheben sich auch die anderen
Podiumsteilnehmer sowie das gesamte Publikum und fallen zuerst zögernd, dann
immer lauter werdend, in den Chor ein. Währenddessen verdunkelt sich die
Bühne langsam bis zur totalen Finsternis. Vorhang.
*Karl Czasny*
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