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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 26. November 2014; 10:36
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Staatsgewalt/Ö:

> Der Terror, der Cyberwar und das Bundesheer

Planungen für Inlandseinsätze des Heeres werden deutlicher


Deutschland und Österreich haben keine militärisch organisierten
Polizeien -- daher stellen sie auch keine Truppen für Eurogendfor (siehe
obstehenden Artikel). Zusätzlich ist es der deutschen Bundeswehr laut
Grundgesetz weitgehend untersagt, im Inneren Polizeiaufgaben zu
übernehmen -- also übt sie diese formal für den Auslandseinsatz (s.a. akin
23/2013).

In Österreich gibt es diese Beschränkung nicht -- hier wird fleißig
offiziell für den Inlandseinsatz geübt. Da das aber immer noch politisch
heikel ist, hat man bislang darüber nie viel in der Öffentlichkeit
geredet -- auch wenn dieser Aufgabenbereich im Kriegsministerium in seiner
Bedeutung mit der klassischen Landesverteidigung immer zumindest
gleichwertig angesehen worden ist.

Seit Ende der Ära Darabos ist die Öffentlichkeitsarbeit etwas anders:
Manöver für Inlandseinsätze werden (angesichts der Legitimationskrise des
Bundesheeres) offensiv vom Ministerium medial transportiert -- zumeist aber
unter leicht veränderten Labels. Da wird zum Beispiel die Abwehr einer
Besetzung eines Rundfunksenders geübt -- allerdings unter der Übungsannahme
ausländischer Demonstranten. Oder -- wie etwa letzte Woche -- man übt "unter
der Leitung des Militärkommandos Wien" "gemeinsam mit Polizei und zivilen
Organisationen" den "Schutz kritischer Infrastruktur im
sicherheitspolizeilichen Assistenzeinsatz, etwa bei Terror-Anschlägen".
Titel der Übung: "Netzwerk 2014".

Terror -- das ist das eine Stichwort. Klingt auch so nach Ausländern. Das
andere ist "Netzwerk" -- vordergründig ist möglicherweise die Kooperation
mit anderen Einrichtungen gemeint oder die Strom- und Wassernetze, doch die
Assoziation mit dem Internet ist wohl auch gewollt, ist doch das Stichwort
"Cyberwar" derzeit sehr beliebt. Klingt ja auch nach Terror und Ausländern.

Den Begriff Cyberwar verwenden hohe Militärs in letzter Zeit gerne in
öffentlichen Diskussionen, deuten damit aber zumeist nur behauptete
Notwendigkeiten an. Erklären will man das nur selten, hofft man doch, daß
das Publikum sich selbst darunter vorstellt, was es möchte. Kaum jemand
fragt, was denn Soldaten in einer Auseinandersetzung machen sollen, die nur
mit Bits und Bytes ausgetragen wird. Ins internet einmarschieren?

Für das Militär bedeutet dieser kybernetische Krieg jedoch recht
unterschiedliche Aufgaben. Das "Tallinn-Manual" der NATO sieht dazu unter
anderem vor, daß der wirklich militärische Part auch die physische
Vorgangsweise gegen Computerexperten im Ausland besteht -- mittels
Kampfdrohnen oder Spezialeinheiten (s. a. akin 13/2013). Das ist aber für
das österreichische Bundesheer sowohl technisch als auch politisch eine
Nummer zu groß. Zum Anderen wird damit aber der physische Schutz sensibler
Infrastruktur verkauft (Kraftwerke, Wasserleitungen, Eisenbahn, aber auch
Verwaltungseinrichtungen), die bereits von Hackern angegriffen worden wäre,
sowie Polizeiaufgaben, um die Folgen einer Störung dieser Infrastruktur in
den Griff zu bekommen.

Im "Truppendienst" (4/2013) liest sich das dann so: "Fest steht allerdings,
dass bei einem Cyber-Angriff auf die lebenswichtige Infrastruktur,
zusätzlich zum bereits angeführten Personenkreis aus IT und Technik eine
große Anzahl an Hilfskräften benötigt wird, um der Bevölkerung in den sicher
auftretenden Engpässen bei der Versorgung mit Wasser und Lebensmitteln sowie
bei der medizinischen Grundversorgung Hilfe leisten zu können.
Glücklicherweise verfügt Österreich über ausreichend viele Hilfskräfte in
den Rettungsdiensten ... und Feuerwehren..., die im Bedarfsfall auch durch
die Aufbietung von 300 000 Zivildienern erheblich verstärkt werden können.
... Schlechter sieht es bei den Zahlen der Sicherheitskräfte aus, die in
einer solchen Katastrophenlage für die Aufrechterhaltung der inneren Ordnung
und Sicherheit und für 'SCHUTZ & HILFE' bei der Bevölkerung sorgen müssen.
... Darüber hinaus sind in der Folge eines Blackouts, der nicht nur durch
einen Cyber-Angriff, sondern auch durch ganz alltägliche Ereignisse
ausgelöst werden kann, rasch verfügbare Sicherheitskräfte gefordert, die
praktisch 'aus dem Stand heraus' in den Einsatz (z. B. Objektschutz) gehen
müssen. Dazu sind regelmäßige Übungen in der Einsatzorganisation notwendig,
um das koordinierte Zusammenwirken im Team für die absehbaren Einsatzarten
gemeinsam trainieren zu können."

Sprich: Mit dem Stichwort "Cyberwar" kann man unter Angabe eines eher
unwahrscheinlichen Bedrohungsszenarios, das aber modernen Ängsten
entspricht, Polizeiaufgaben üben und muß nicht zugeben, daß man den Einsatz
bei Bedrohungen der "inneren Sicherheit" durch die eigene Bevölkerung übt.

Vorbild Assistenzeinsatz an der Grenze

Wenn man dann noch die Headline "Zu viele Demos: Polizei in Geldnot" liest,
wie sie der ORF über die mangelnde Finanzierung der Wiener Polizei letzte
Woche verbreitete, kann schon ein gewisser Verdacht aufkommen. Es klingt
danach, als könnte oder wollte sich die Republik bald nicht mehr zwei
Gruppierungen der Staatsgewalt mit völlig getrennten Aufgabenbereichen und
Kommandostrukturen leisten, sondern würde häufiger polizeiliche
Assistenzeinsätze des Heeres konkret ins Auge fassen wollen. Der zwei
Jahrzehnte dauernde Assistenzeinsatz an der Grenze, der anfangs noch als
"Schutz" vor ausländischen Grenzgängern verkauft wurde, zuletzt aber schon
eher als Zusatzpolizei im grenznahen Hinterland angesehen wurde (und 2011
von Minister Darabos beendet wurde), könnte Vorbild für eine sukzessive
Erweiterung der Mobilisierungfähigkeit des Heeres für genuin polizeiliche
Aufgaben werden.

Damit aber schlüge man etliche Fliegen mit einer Klappe: Man bekäme ganz
verfassungsgemäß eine militärische Assistenzpolizei -- die auch "robuster"
vorgehen könnte -- ohne dabei die formale Trennung zwischen Polizei und Heer
aufzuheben. Gleichzeitig liessen sich durch eine solche Nutzung des
Heeres -- das ja ansonsten praktisch eher wenig zu tun hat --
Synergieeffekte nutzen, mit denen man finanzielle Einsparungen bei beiden
Körperschaften der Staatsgewalt kompensieren könnte. Und außerdem wäre damit
die Frage, wozu wir -- angesichts eines eklatanten Mangels an potentiellen
Außenfeinden -- noch eine Armee brauchen, elegant beantwortet.

Derlei Umstrukturierungen sind zur Zeit noch nicht spruchreif. Auch
existiert wohl kein großer Plan dafür, sondern lediglich ein paar Generäle
und Stabsoffiziere machen sich Gedanken in diese Richtung. Allerdings könnte
das Heer genau in dieses Modell abdriften, weil damit auf der Seite der
Staatsmacht allen gedient ist.

Die Veröffentlichungspolitik solcher Übungen und Sandkastenspiele geht
jedenfalls genau in diese Richtung. Der jetzige Minister scheint solchen
Ideen auch nicht mehr so abgeneigt zu sein wie sein Vorgänger. Der Trend ist
allgemein absehbar -- und er ist gefährlich.
*Bernhard Redl*


Truppendienst:
http://www.bundesheer.at/truppendienst/ausgaben/artikel.php?id=1600
Netzwerk 2014: http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20141114_OTS0178
http://www.bundesheer.at/archiv/a2014/netzwerk_2014/index.shtml
ORF: http://wien.orf.at/news/stories/2680282/



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