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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 26. November 2014; 11:12
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Prinzipielles:
> Die Angst der Elite vor der Bevölkerung
Dass sich eine herrschende Elite von dem Volk in Burgen, Schlössern und
ummauerten Klöstern versteckt, ist uns aus der Geschichte bekannt. Weniger
bekannt ist der bedrückende Umstand, dass sich daran nichts geändert hat.
Nur die Mauern sind unsichtbar geworden. Die US-Kulturhistorikerin,
Schriftstellerin und Journalistin Rebecca Solnit erklärt in einem Interview
anlässlich ihres vorletzten Buchs "A Paradise Built in Hell" ganz analog zum
aktuellen Anschlag in Boston, zu dessen Aufklärung Tausende von Polizisten
eine Million Bürger unter Hausarrest stellten, den Begriff "Elite Panic".
Sie sagt: Angehörige der Elite nehmen an, dass der Mensch von Grund auf
selbstsüchtig, käuflich und irgendwie unmenschlich sei; im Wesentlichen so
wie sie selbst. Niemand, so bestätigt uns Solnit, werde unermesslich reich
und mächtig, indem er von Grund auf gut sei. Die Elitemitglieder gingen also
davon aus, dass nur ausschliesslich ihre eigene Macht ein allgemeines
Ausbrechen von zügelloser Gewalt verhindere.
Diese Perspektive ermöglicht es uns, das Verhalten von Angehörigen der Elite
besser zu verstehen. Gerade auf Veranstaltungen der Zivilgesellschaft
(Bürgerforen, Demonstrationen) erlebe ich immer wieder, wie Bürger entsetzt
fragen, wie denn Politiker in diesen oder jenen Angelegenheiten so
entscheiden könnten, wie "dumm" Politiker doch seien. Ein schreckliches
Missverständnis. Die Leute in den Brennpunkten der Entscheidung sind
keineswegs dumm, sondern verfolgen eben nur ihre eigenen Interessen. Und wer
einmal in den Kreis der Elite aufgestiegen ist, verteidigt die Interessen
seiner neuen Zugehörigkeitsgruppe, in der Regel gegen die Interessen der
Gesamtbevölkerung.
Die ständig wiederholten Forderungen einflussreicher Politiker nach mehr
Überwachungskameras, mehr Kontrolle von Mobilfunktelefonie und
Internetkommunikation, mehr biometrischer Überwachung, weiterer Aufrüstung
der Polizeikräfte bei gleichzeitiger Anonymisierung der Polizisten sind
direkte Folgen einer Angst vor einer unkontrollierbaren Bevölkerung, die
sich ungezügelt dann ebenso skrupellos und machthungrig verhalten würde, wie
man das eigentlich von sich selbst zugeben müsste.
Die Vorteile der Zugehörigkeit sind andererseits so massiv, dass nahezu
jeder, der ein solches Angebot bekommt, auch darauf eingeht. Das führt dazu,
dass nahezu jeder, der ausreichend Erfolg hat, in die herrschende
Gesellschaftsschicht assimiliert wird. Und damit ihre Reihen und ihre Macht
verstärkt. Daraus resultiert zum Beispiel ein Glaubwürdigkeitsproblem
junger, zunächst rebellischer Parteien und Bürgerrechtsgruppen - man geht
allgemein davon aus, dass ab einem gewissen Grad des Erfolgs die
Verlockungen der Macht so gross sind, dass der ursprüngliche systemkritische
Ansatz verschwindet, wie das etwas mit der Gewerkschaftsbewegung oder den
Bündnisgrünen (gemeint sind die deutschen Grünen) passiert ist.
Eine Erneuerung der Demokratie - die ja grundsätzlich dafür erfunden wurde,
um die Interessen einzelner Mächtiger mit denen der machtlosen Mehrzahl
aufzuwiegen - kann nur gelingen, wenn die Zentralfiguren einer solchen
Erneuerungsbewegung (ob diese nun Piratenpartei heisst oder anders) die
Kommunikation mit der Basis, also der Allgemeinheit nicht aufgeben. Sobald
ein politisch Handelnder die Peergroup wechselt - also von der Gemeinschaft
der Bürger in die Gemeinschaft der Elite - ist er für die Erneuerung
verloren. Die Herausforderung der nächsten Jahre ist also, einen politischen
Gestaltungsprozess zu etablieren, der die handelnden Personen weniger als
heute einer solchen Gefahr der Korruption aussetzt - natürlich gegen den
Widerstand der Elite, einschliesslich ihrer Medien, die durch ein solches
Vorgehen direkt in ihrer Existenz bedroht wird. Die Elite ist die Quelle
fast aller heutigen gesellschaftlichen Probleme. Um diese Quelle zu
entfernen, genügt es nun eben nicht, ihre Mitglieder umzubringen - an diesem
Missverständnis sind die grossen historischen Revolutionen kläglich
gescheitert. Statt dessen muss ein System etabliert werden, das ein Anhäufen
von Macht verhindert. Ob Karl Marx und Friedrich Engels mit ihrer Idee von
der "Diktatur des Proletariats" in diese Richtung zielten, müssen wir hier
nicht entscheiden; alle Versuche auf der Grundlage des Kommunistischen
Manifests sind jedenfalls maximal gestrandet.
Anstrengungen in dieser Richtung - der einer egalitären Gesellschaft ohne
Ausbeutung der Mehrheit - bedrohen aber zwangsläufig die Interessen, wenn
nicht gar die Existenz der Elite, führen also zu immer verzweifelteren
Verteidigungsanstrengungen. Was wir heute mit Internetsperren,
Vorratsdatenspeicherung, Bestandsdatenauskunft, Indect, Acta, Cispa, Sopa,
Tafta und anderen Instrumenten einer modernen Diktatur erleben, ist Ausdruck
eines Überlebenskampfs. Wir müssen davon ausgehen, dass dieser Kampf mit
allen überhaupt verfügbaren Mitteln geführt wird, und dass Menschenleben
dabei keine Rolle spielen.
Selbst wenn wir davon ausgehen möchten, dass der Mensch im Grunde doch gut
ist, werden sich trotzdem die selbstsüchtigen, soziopathischen Teile der
Gesellschaft zusammenschliessen, um eine Macht-Elite zu bilden. Jedenfalls,
solange man sie nicht daran hindert. Um das zu erreichen, werden letztlich
die Mittel des zivilen Widerstands genügen. In heutigen Worten: Die heutige,
parlamentarische Demokratie muss ein Anarchie-Upgrade erhalten.
(Fritz Effenberger auf seinem Blog)
Quelle:
http://11k2.wordpress.com/2013/04/20/die-angst-der-elite-vor-der-bevolkerung
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