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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 26. November 2014; 10:34
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Kommentierte Presseschau:

> Chinesisch-russische Flotte im Mittelmeer? Wurscht!

Irgendwie will man es nicht recht glauben: Wollen China und Rußland
ernsthaft im Mittelmeer Semanöver durchführen? Und es glaubt auch
anscheinend kaum wer -- vor einer Woche hatten russische Medien verkündet,
der russische Verteidigungsminister Sergei Schoigu hätte das während seines
Besuchs in Peking für 2015 angekündigt. Die Financial Times (FT) berichtete
am 19.November darüber -- aber sonst kaum jemand. Schließlich kann man ja
den russischen Medien nicht glauben, ist ja alles Putin-abhängig. Naja, aber
gerade deswegen könnte man -- wenn man schon die Vorstellung in Zweifel
zieht, daß chinesische Kriegsschiffe sich ins Mittelmeer verirren könnten --
zumindest glauben, daß Putins Minister das so gesagt hat. Und das wäre wohl
eine Nachricht wert gewesen. Am Dienstag abend ergab eine diesbezügliche
Google-Abfrage unter den Massenmedien aus dem deutschsprachigen Raum
lediglich einen Treffer: Die Neue Zürcher Zeitung berichtete -- aber auch
erst am 23.November. Die dortige Analyse dieser Ankündigung ist aber sehr
treffend: "China möchte sich nicht einengen lassen. Die chinesische Führung
misstraut den USA, aber das Verhältnis ist pragmatisch, auch weil
wirtschaftlich viel mehr auf dem Spiel stünde als zwischen Russland und
Amerika. ... Ein Flottenmanöver im Mittelmeer hat für China aber seinen
Reiz. Die Zeiten, da sich nur die Europäer und Amerikaner auf allen
Weltmeeren austoben konnten, sind vorbei, und die Chinesen und Russland
wollen mehr voneinander profitieren."

Noch deutlicher wird Gideon Rachman in einem FT-Kommentar am 25.November
"Die Chinesen werden sicherlich die Symbolik genießen, ihre Schiffe in der
traditionellen Hochburg der europäischen Zivilisation schwimmen zu lassen.
Aber jenseits der Symbolik machen Russland und China auch eine wichtigen
Aussage über das Weltgeschehen. Beide Nationen weisen westlichen
Militäroperationen in der Nähe ihrer Grenzen zurück. China beschwert sich
über US-Marinepatrouillen direkt an seiner Küste; Russland wettert gegen die
Erweiterung der Nato. Durch die Inszenierung gemeinsamer Übungen im
Mittelmeer würden die Chinesen und Russen eine bewusste Nachricht
überbringen: Wenn die NATO in der Nähe ihrer Grenzen patrouillieren kann,
können sie auch im NATO-Kernland patrouillieren. Hinter diesem Muskelspiel
drängen aber Russen und Chinesen auf eine breitere Neuordnung der
Weltpolitik, basierend auf der Idee der 'Einflußsphären'. Sowohl China als
auch Russland glauben, dass sie ein Vetorecht über die Vorgänge in ihrer
unmittelbaren Nachbarschaft haben. Russland argumentiert, dass es nicht
akzeptiere, dass die Ukraine -- ein Land, das seit Jahrhunderten von Moskau
regiert wurde -- nun der westliche Allianz beitreten solle."

Nach den Muskelspielen der NATO-Partner machen also China und Rußland klar,
daß sie das auch können. Und allein diese Ankündigung müßte eigentlich die
Schlagzeilen dominieren, erscheint dieses Retour-Säbelrasseln doch alles
andere als harmlos. Nur: Wer sind schon Rußland und China? Muß man die
wirklich ernstnehmen? Zumindest die westlichen Massenmedien sind
offensichtlich der Meinung: Man muß nicht!

NZZ: http://www.nzz.ch/1.18429806

FT: http://www.ft.com/cms/s/0/74419cd6-71a7-11e4-b178-00144feabdc0.html
Der engl. FT-Kommentar ist u.U. nur im Google-Cache und auf gespiegelten
Seiten lesbar. Titel des Kommentars: "China, Russia and the Sinatra
Doctrine".
*

> Asbestunternehmer freigesprochen

Ebenfalls die NZZ berichtet am 19.November über den letztinstanzlichen
Freispruch für einen Schweizer Unternehmer vor einem italienischen Gericht:
"Das italienische Kassationsgericht hat am Mittwochabend das vorinstanzliche
Urteil gegen Stephan Schmidheiny unerwartet annulliert und die Vorwürfe
gegen den Schweizer Milliardär für verjährt erklärt. Der 67-jährige
ehemalige Industrielle war im Februar 2012 von einem Strafgericht in Turin
zu einer Haftstrafe von 16 Jahren und Schadenersatzzahlungen in Höhe von 80
Mio. EUR verurteilt worden. Das Appellationsgericht verschärfte das Urteil
im Juni 2013 dann sogar noch auf 18 Jahre Haft und 90 Mio. EUR
Schadenersatz."

Schmidheiny war als einstigen Mehrheitsaktionär der italienischen Eternit
bewusste Missachtung von Sicherheitsmassnahmen vorgeworfen worden. Er sei
für den Tod von rund 3000 Mitarbeitern und Anwohnern in vier Gemeinden
verantwortlich, wo er seine Asbestproduktion hatte. Jedoch hatte im nun
letzten Prozeß der Generalstaatsanwalt in seinem Plädoyer die Annullierung
des Urteils gefordert. Er hatte Schmidheiny zwar ausdrücklich für den Tod
von Asbestopfern in Italien verantwortlich gemacht, die Straftat aber für
verjährt erklärt, da die italienische Eternit bereits 1986 in Konkurs
gegangen und die Werke geschlossen worden seien.

Die NZZ macht allerdings kein Hehl daraus, daß ihr dieser Freispruch für
einen verdienten Schweizer Unternehmer eine Genugtuung ist: "Die Gerichte in
Turin hatten das Gesetz wiederholt in ihrem Interesse gebeugt und einen
regelrechten Schauprozess gegen Schmidheiny geführt. Von Unschuldsvermutung
konnte keine Rede sein. ... Auch die einheimischen Medien beschimpften
Schmidheiny schon vor seiner Verurteilung als 'Mörder'. Höchst fragwürdig
war, dass Schmidheiny von den Gerichten in Turin als Einzelner für eine
industrielle Katastrophe verantwortlich gemacht wurde, deren Ausmass zum
gegebenen Zeitpunkt niemand erahnte."

Wie die Schweizer Medien mit Schmidheiny umgegangen sind, ist aber wohl
Ansichtssache. Denn die WoZ sieht das ein bißchen sehr anders: "Es geht hier
nicht um einen Schauprozess, auch wenn dies in gewissen Schweizer Medien
behauptet wird." Und: Was sich in Italien in diesen Eternit-Fabriken
ereignet hat, ist nicht ein Super-GAU, den man nicht hätte voraussehen
können. Dass Asbest tödlich ist, ist schon seit Beginn des letzten
Jahrhunderts bekannt." Maria Roselli, der Autorin des WoZ-Kommentars, die
sich schon seit Jahren mit dem Fall beschäftigt, ist nicht sonderlich gut
auf die Schweizer Medien-, Justiz- und Politiklandschaft in dieser Causa zu
sprechen: "Als 2010 das Buch 'Stephan Schmidheiny. Sein langer Weg zu sich
selbst' erschien, eine Biografie, verfasst vom heutigen 'Blick'-Chef René
Lüchinger und von Ueli Burkhard, suchte ich in den über 200 Seiten des Werks
nach einem Kapitel zur Asbesttragödie. Vergeblich. Einmal mehr wird
Schmidheiny in diesem Buch einzig als weitsichtiger und mutiger Unternehmer
gepriesen, der als Erster dem milliardenschweren Asbestgeschäft den Rücken
kehrte. ... Als dann letztes Jahr Martin Killias, ehemaliger Bundesrichter
und Strafrechtsprofessor, aus dem heiteren Nichts einen Artikel in der
'SonntagsZeitung' veröffentlichte, in dem er die italienischen Richter
anfeindete, die am Rand des Prozesses über den Asbestzementunternehmer
unzulässig gelästert hätten, dachte ich: Schau da, nun arbeitet auch noch
ein ehemaliger Bundesrichter für Stephan Schmidheiny."

http://www.nzz.ch/1.18428103

https://www.woz.ch/1446/schmidheiny-prozess-letzte-instanz/das-erbe-der-schweizer-todesfabrik
KurzURL: http://tinyurl.com/akin26woz
*

> Werners Problem

Zuletzt noch heimisches Theater: "Werner Faymann wird oft weit unter seinem
Wert geschlagen. Warum, weiß ich nicht - aber es ist leider so. Vielleicht
weil er eine zu wenig tiefe Stimme hat. Der Werner wirkt oft noch ein
bisschen jugendlich." Das meint zumindest der SPÖ-OÖ-Chef Reinhold Entholzer
in einem Standard-Interview am 25.11. über seinen Bundesobmann. Naja, diesem
fehlt es tatsächlich am Brunoton der Überzeugung. Doch dafür braucht man
eben nicht nur eine tiefe Stimme sondern eben auch das: Überzeugung.

http://derstandard.at/2000008557627
*


Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die Berichte auf die
Online-Ausgaben
der zitierten Medien. Zeitungsleser: -br-



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