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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 19. November 2014; 09:15
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Spanien:
> Herausforderer Podemos Nr.1 bei Umfragen
Im Herbst 2015 stehen in Spanien Neuwahlen an. Die Bewegung "Podemos" ("Wir
können") scheint ein neuer echter Herausforderer der beiden alten
Herrschaftsparteien Spaniens zu sein. Die Bewegung, die als Folge der
Protestwelle 2011 ("15-M", "Indignados") zu sehen ist, wurde im Jänner 2014
gegründet, meldete sich widerwillig aus rechtlichen Gründen im März als
Partei an und schaffte im Mai bei der EP-Wahl aus dem Stand spanienweit 8%.
Seither besetzt sie 5 der 54 spanischen Mandate. Und der Höhenflug schein
weiterzugehen. "El Pais", die wichtigste Tageszeitung des Landes,
veröffentlichte am 1.November eine Umfrage, wonach Podemos in der
Parteienpräferenz des Wahlvolkes mit 27,7% erstmals auf Platz 1 liegt --
knapp vor den Sozialdemokraten (PSOE, 26,2%) und deutlich vor der
konservativen PP (20,7%). Noch deutlicher ist aber bei dieser Befragung die
Zahl derjenigen Wahlberechtigten, die man nicht erst durch Zusatzfragen
einschätzen mußte. 22,2% der Befragten erklärten auf die Sonntagsfrage ohne
Umschweife Podemos wählen zu wollen -- fast soviel wie PSOE und PP
zusammengenommen haben.
Was will Podemos? Konkrete Eckpunkte sind u.a.:
- Die Aufhebung der 2011 beschlossenen "Schuldenbremse" (§135 der spanischen
Verfassung);
- Die konkrete Anwendung des $128 der Verfassung ("Der gesamte Reichtum des
Landes in seinen unterschiedlichen Formen und was auch immer seine
Rechtsform sein möge, untersteht dem allgemeinen Interesse");
- Beibehaltung des öffentlichen Charakters der Bildung und der Gesundheit;
- Erhöhung der Löhne und Wiederindustrialisierung;
- Schaffung eines Bestandes an öffentlichen Wohnungen;
- Widerstand gegen eine restriktive Reform des
Schwangerschaftsabbruchsgesetzes;
- Abschaffung der Ausländergesetze:
- Austritt Spaniens aus der Nato
- und das Recht Kataloniens, über seine Unabhängigkeit selbst zu
entscheiden.
Der Vergleich von Podemos mit Syriza in Griechenland drängt sich auf -- auch
deswegen, weil Podemos bei den EP-Wahlen inhaltlich zwar kaum ein Problem
gehabt hätte, mit der traditionellen Linken "IU" zu kandidieren, strukturell
stellte es sich aber als Unmöglichkeit heraus. Während die IU klassisch
Parteikandidaten aufstellen wollte, bestand Podemos auf offenen Vorwahlen
für die Kandidaten -- nicht unähnlich dem amerikanischen Vorbild. Auch
diesbezüglich ist die Assoziation mit Obamas "Yes, we can" naheliegend.
Momentan steigen in den Umfragen die Popularitätswerte steil nach oben.
Allerdings sind natürlich Umfragewerte keine Wahlergebnisse. Und viel über
den Wert eines Viertels wird Podemos wohl kaum steigen. Vor allem aber
schweigt diese Umfragestatistik über die regionale Verteilung dieser
Zustimmung -- was speziell in Spanien von großer Bedeutung ist. Denn Spanien
hat ein Wahlrecht, daß zwar prinzipiell auf Listen basiert, faktisch aber
eher zum Mehrheitswahlrecht tendiert -- was das bisherige Zweiparteiensystem
des Landes erklärt. Während in großen Wahlkreisen auch kleine Parteien eine
Chance haben, gilt in den vielen kleinen Wahlkreisen eine Stimme für einen
Außenseiter üblicherweise als verloren. Bei den Europawahlen war das kein
Problem -- da galt ein ziemlich reines Verhältniswahlrecht. Bei diesen
Wahlen machte Podemos seine meisten Stimmen im riesigen Madrid -- bei einer
Parlamentswahl mit den selben 8% hätte Podemos nur rund 3% der Abgeordneten
bekommen.
Wenn allerdings die jetzigen Umfragen wirklich an der Urne realisiert werden
könnten und auch in den dünner besiedelten Gegenden Podemos punkten kann,
wären auch 40% der Mandate erreichbar. Das von PSOE und PP so heißgeliebte
bisherige Wahlrecht könnte sich dann gegen die Platzhirschen selbst wenden.
-br-
Die aktuellen Umfrageergebnisse (spanisch):
http://elpais.com/elpais/2014/11/01/media/1414863136_871026.html
Homepage von Podemos (spanisch): http://podemos.info
Der Forderungskatalog ist zum Großteil nach Wikipedia zitiert.
Näheres zum spanischen Wahlrecht siehe auch akin 27/2011,
http://akin.mediaweb.at/2011/27/27spanie.htm
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