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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 19. November 2014; 09:27
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Glosse/Ukraine:

> Vom Drohen und Verhandeln

Der Kampf um die Ukraine geht weiter -- auch in der "taz"

Es war im Dezember 2013, kurz nachdem die DemonstrantInnen von Maidan zum
ersten Mal versucht haben, die Gebäude der Administration des ukrainischen
Präsidenten einzunehmen. Da wendeten sich über 600 Privatpersonen und
Organisationen mit einem "Offenen Brief von Ukrainern in Deutschland und
Freunden der Ukraine" an die deutsche Bundeskanzlerin und an die
Öffentlichkeit: "Wir wenden uns an die deutsche Regierung mit der dringenden
Bitte, alle möglichen diplomatischen Maßnahmen zu ergreifen, um eine weitere
Gewalteskalation in Kiew zu verhindern und eine friedliche und demokratische
Lösung der derzeitigen Regierungskrise zu ermöglichen. [.] Wir bitten Sie
daher, die Situation in der Ukraine sehr aufmerksam zu beobachten und im
Falle einer weiteren Destabilisierung umgehend darauf zu reagieren.
Engagement seitens der europäischen Institutionen und insbesondere
Deutschlands würde nicht als hegemoniales Gebaren ausgelegt werden, sondern
ist die einzige Hoffnung der Menschen in der Ukraine auf Frieden und
Gerechtigkeit. Wir bitten Sie, diesem historischen Auftrag gerecht zu
werden",.

Seitdem ist viel Zeit vergangen, viel Blut geflossen und viele weitere
Aufrufe verschiedener Konfliktparteien an die jeweiligen Schutzmächte wurden
verfasst. Manchmal bringen solche Aufrufe die Entscheidungsträger im Westen,
wie in Russland, in Verlegenheit. Ihnen Folge zu leisten, bedeutet meist
eine weitere Eskalation, sie zu ignorieren, bedeutet, Verbündete im Stich zu
lassen. Manche Verbündete können auch zur Last werden. "Föderalisten",
respektive "Separatisten" in der Ostukraine können zwar nicht mehr gewinnen,
aber sie einfach fallen zu lassen, wäre für Russland ein
Schwächeeingeständnis.

Halbfriedliche Diplomatie

Dass die ergriffenen Maßnahmen zu lasch sind, gegen Russlands Pochen auf
seinen Ordnungsmachtstatus, das las und hörte man in den westlichen Medien
fast jeden Tag. Die Diplomatie sollte härter sein, zugleich wird sie als
Gegenstück zur kriegerischen Lösung angepriesen. Das ist aber ein
folgenschwerer Irrtum. Diplomatische und militärische Mittel dienen
grundsätzlich demselben Zweck und ergänzen sich laufend. So könnte es schon
auffallen, dass mit Staaten, die über ein größeres militärisches Potential
verfügen, mehr bzw. länger verhandelt wird, als mit solchen, die ohne große
Gefahr militärisch bedroht werden können. Des Weiteren dürfte aufmerksamen
BeobachterInnen nicht entgehen, dass Diplomatie ständig auf militärische
Möglichkeiten verweist. Drohen mit ökonomischen und ggf. militärischen
Konsequenzen gehört zum Auftrag der DiplomatInnen. Diplomatischen Druck
können nur diejenigen Staaten aufbauen, die über entsprechende ökonomische,
militärische und politische Stärke verfügen.

Im Falle der Ukraine lässt sich gut erkennen, wie die Forderung nach
Verhandlungen und der Abbruch eben dieser als Instrument dient. Russland ist
als Atommacht immer noch eine harte Nuss für konkurrierende Weltmächte - und
setzt seinen Status ein, um Verhandlungen mit ostukrainischen Aufständischen
zu erzwingen. Wenn einige westliche Staaten in diesem Punkt nachgeben, wird
es von der ukrainischen Regierung als Verrat gewertet. Die USA geben ihren
europäischen NATO-Partnern ebenfalls zu verstehen, dass der Geduldsfaden in
Sachen Russlands Einmischung gerissen sei. Man fand einen Konsens
dahingehend, dass Russlands Ansprüche außerhalb der eigenen Grenzen eine
Regelverletzung darstellen. Es soll als eine Ordnungsstörung behandelt
werden. Doch diese Ordnung ist nicht einfach so da - sie muss erst
durchgesetzt werden. Gegen Russland, einen Staat, welcher nach der
Einführung der kapitalistischen Wirtschaftsweise festgestellt hat, dass die
Geschäftsinteressen keineswegs an den eigenen Grenzen enden, und dass die
anderen kapitalistischen Staaten keine Freude an starker Konkurrenz haben.
Gerade das, was in den westlichen Medien als Russlands Abkehren vom rechten
Weg dargestellt wird, ist das Ergebnis einer politischen Entscheidung
Russlands, ein kapitalistischer Staat zu werden, der im Weltwettbewerb der
Staaten bestehen kann.

Die Interessen, die mit dem Machtwechsel in Kiew aus dem ukrainischen
Staatsapparat aussortiert wurden, versucht Russland zu wahren, indem bei
Verhandlungen mit dem Westen klar gemacht wird, dass die Wiederherstellung
des staatlichen Gewaltmonopols im Südosten der Ukraine keine innere
Angelegenheit der Ukraine sei; was der Westen im Bezug auf die
Maidan-Proteste ebenfalls deutlich gemacht hat. Die Forderung von
Gewaltverzicht gegenüber einer gewalttätigen Opposition ist ein
unmissverständliches Signal der Großmächte an die Regierungen schwächerer
Staaten. Ab und zu lässt die Kiewer Regierung den Eindruck erwecken, dass
sie darauf eingeht und verhandeln werde, aber sobald die Regierungstruppen
Kampferfolge zu vermelden haben, werden alle Abmachungen über den Haufen
geworfen. Wer militärisch besiegt ist, mit dem wird nicht mehr verhandelt.

Die Rebellen im Osten sind sich zwar unter sich über die Endziele nicht
einig. Sie beschweren sich ständig über eine mangelnde Unterstützung von
Russland oder die Donezker Oligarchen um Renat Achmetow. Außerdem haben sie
nicht den erhofften Massenzulauf. Sie machen aber klar, dass sie in der Lage
sind, der Regierungsarmee schmerzhafte Verluste beizufügen. Die
Staatsgründung der "Volksrepubliken" ist aber nicht mehr als über einige
Städte hinausgegangen. Bei der ukrainischsprachigen Dorfbevölkerung fanden
die Rebellen kaum Unterstützung. Auch die städtische Mittelschicht war wenig
begeistert, doch als Verhandlungsmasse sollten die von ihnen kontrollierten
Gebiete noch nützlich sein. Russlands Forderungen nach Verhandlungen mit den
Rebellen werden mit Sanktionen beantwortet. Dadurch, dass Russland sein
Gewicht als Immernochirgendwie-Großmacht in die Waagschale wirft, um die
Rebellen vor der militärischen Vernichtung zu retten und loyale Kräfte in
die ukrainische Politik zurückzubringen, ist aus der Perspektive des Westens
der Frieden angegriffen. Der kürzeste Weg zum Frieden soll der militärische
Sieg der Regierung sein. Russland will aber die Ansprüche auf
"Friedensstiften" in strategisch wichtigen Nachbarländern nicht fallen
lassen. Mit dem Anschluss der Krim-Halbinsel wurde klar gemacht, dass man
sich, wenn der Westen die Spielregeln im Alleingang definiert, schlicht
nicht daran halten wird. Zusätzlich zu Gebietswegnahme und Rebellion in den
Industriegebieten, konfrontiert Moskau die neue Regierung in Kiew mit
Zahlungsaufforderungen aufgrund von Energielieferungen. Wenn der Westen die
Ukraine bekomme sollte, dann als ein ruiniertes Krisenland.

Die Antwort des Westens beinhaltete Wirtschaftssanktionen. Doch im
Unterscheid zu "Schurkenstaaten", wie Nordkorea oder Kuba ist Russland nicht
nur ein politischer Feind, sondern auch ein ziemlich wichtiger
Handelspartner. Damit steht die Frage im Raum, ob die Sanktionen nicht den
Staaten, die sie verhängen, genauso schaden wie Russland und ob es die junge
ukrainische Demokratie wirklich wert ist, es sich mit Russland so nachhaltig
zu verderben. Die Antwort der USA fällt sehr klar aus: "Ja, ist es!".
Schwieriger wird es bei der EU. Während aus Sicht der neuen
Mitgliedsstaaten, wie Polen oder den baltischen Staaten, gar nicht hart
genug gegen Russland vorgegangen werden könne, beschleicht in Deutschland so
manchen Politiker (wie schon beim Irak-Krieg 2003) der Gedanke, ob man nicht
die Beziehungen zu Russland als Gegengewicht zur "unilateralen" Dominanz der
USA ausbauen könnte. Das erklärt die Verbreitung des Phänomens der
"Russenversteher" bei PolitkerInnen aller Parteien, mit Ausnahme der Grünen.

Die USA beanspruchen mehr als einen Verzicht der EU auf die
Konkurrenzvorteile mit den Beziehungen zu Russland. Die politische
Konkurrenz soll Vorfahrt vor der Ökonomischen haben. Russland in die
Schranken zu weisen, soll eine kollektive Aufgabe des westlichen Bündnisses
sein. Deutschlands Interesse am russischen Gas soll da nicht ins Gewicht
fallen. Die "gemäßigten" deutschen PolitikerInnen, die in der Ukraine lieber
weiterhin verhandeln wollen, haben diese Ansage der US-amerikanischen
Politik sehr wohl verstanden und versuchen die Eigenständigkeit des
deutsch-europäischen Imperialismus zu verteidigen.


"Separatisten, die wir Terroristen nennen"


Währenddessen laufen in Kiew Demos, auf denen verlangt wird, keine
Verhandlungen mit Rebellen zu führen. Die wehrhafte ukrainische Demokratie
will lieber eigene Städte bombardiert sehen, als mit den Russenfreunden zu
verhandeln.

Verständlich ist es schon - findet z.B. die taz und druckt Meinungen von
"drüben" wie diese, am 26. Juli:

"Wenn Kanzlerin Angela Merkel und andere europäische Politiker die
ukrainische Regierung zu Gesprächen mit den bewaffneten Separatisten
aufrufen, die man hier vor Ort nur Terroristen nennt, ruft das bei den
meisten Ukrainern, vor allem in den Gebieten der Antiterroreinsätze, reines
Unverständnis hervor." Valerija Dubova, die Verfasserin des taz-Artikels,
weiß Bescheid - denn sie ist eine authentische Stimme aus dem Osten, die die
kritische Öffentlichkeit der freien Welt informiert.

"Für die Journalistin Viktoria aus Donezk gibt es zwei Typen von
Aufständischen: Der erste Typ ist ein junger Mann, ein Plünderer, der
höchstwahrscheinlich keine Bildung genossen hat und aus schlechten
Familienverhältnissen stammt. Wahrscheinlich wurde in der Familie getrunken,
meint sie. Nach einigen Gläschen Wodka schwelgte der Vater in Erinnerungen
an die guten alten Sowjetzeiten, als Moskau noch alle Republiken versorgte.
Dann schlug er die Mutter.
Der Junge wuchs zu einem aggressiven jungen Mann heran. In seiner Kindheit
wurde ihm immer wieder von der Sowjetunion erzählt. Die Sowjetunion wird mit
Russland gleichgesetzt. Der zweite Typ ist ein Mann mittleren Alters,
ebenfalls ein Plünderer. Von Zeit zu Zeit brüllt er alle Menschen um sich
herum an.
Er versteht nicht, warum man etwas verändern sollte im Land. Das Beste wäre
doch, die guten alten Zeiten zurückzuholen, als er noch jung war und ihm die
Welt rosarot erschien. Es ist seine letzte Chance, ein Held zu werden und
für die Zukunft zu kämpfen, oder einfach nur mit einem Maschinengewehr
herumzuballern. Auf seine letzten Tage hat er noch etwas Macht abbekommen."

So sind sie, diese Separatisten, liebevoll Terroristen genannt. Olena
Povoliaieva ist es unter denen schlimm ergangen, ihr Schicksal will uns die
taz vom 21. Mai nicht vorenthalten: "Man hätte alles im Keim ersticken
müssen. Man hätte die Armee einmarschieren lassen und keine Angst vor Putin
zeigen sollen. Eine Atombombe hätte er auf seine Nachbarn sicherlich nicht
abgeworfen. Für alles andere hätte er Zeit benötigt. Wertvolle Zeit, die die
Ukrainer hätten nutzen können, das Land von Separatisten und ausländischen
Agenten zu säubern", schreibt die ehemalige Journalistin von Radio Free
Europe / Radio Liberty - was für eine Überraschung, wenn man diesen
Propagandasender kennt.

Die Regierungsmedien in Russland verlieren ebenfalls keine Zeit: Meldungen
über FaschistInnen, die die Ukraine angeblich schon in ein Drittes Reich 2.0
verwandelt haben, werden dicht von Berichten über "schwarzhäutige Söldner",
die im Dienste der CIA auf Donbass marschieren, gefolgt. Rebellion im Osten
sei ein Verzweiflungstat der von FaschistInnen verfolgten Bevölkerung -
während in anderen Gebieten, wo die Pro-Maidan-Kräfte viel stärker sind, die
russischsprachige Bevölkerung überraschenderweise weder flieht, noch
Aufstände anzettelt. Neben einer eher liberal dominierten
Anti-Kriegs-Opposition, die auf eine ehrliche Partnerschaft mit dem Westen
hofft, gibt es auch eine Opposition, in deren Augen Putin nicht hart genug
vorgeht. An exponierter Stelle tritt z.B. die Kommunistische Partei der
Russischen Föderation (KPRF) auf, die für die Anerkennung der
"Volksrepubliken" und eine aktive, auch militärische Unterstützung der
Rebellen antritt. Denn, so der KPRF-Vorsitzende Gennadi Sjuganow, in der
Ukraine habe ein "liberaler Faschismus" gesiegt.

*Alexander Amethystow*



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