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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 19. November 2014; 09:37
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Theaterkritik:

> Revolutionsdrama als postexistenzialistischer Schmonzes

"Dantons Tod" im Burgtheater

Etwas entfernt von der politischenTagesarbeit wollte ich mir einen
interessanten Theaterabend geben. Büchners "Dantons Tod", schien mir dafür
mehr als geeignet. Ich erlebte eine fundamentale Enttäuschung . Unter der
Hand des Regisseurs geriet das Stück, das sich sehr dicht mit der
französischen Revolution 1789 auseinandersetzt, zu einem
"allgemeinmenschlichen" Aufguß.

"Dantons Tod" hatte mich im Gymnasium fasziniert, auch als ich -- vor
diversen Sozialwissenschaften -- Theaterwissenschaft studierte, um Regisseur
zu werden. Das Stück spielt -- durchaus differenziert -- am Höhepunkt des
"terreurs". Die kleinbürgerlichen Jakobiner versuchen mit "Tugendterreor"
das Revolutionsschiff zu steuern: Nachdem sie ihre "linken" Kritiker
ausgschaltet haben, geht es nun den "Gemäßigten" an den Kragen -- also auch
Danton, der dem Wüten der Guillotine ein Ende bereiten will.

Büchner zeichnet die Protagonisten in unterschiedlichen Farben, nicht in
Schwarz-Weiß. Die Szenengestaltung erinnert an Shakespeare; Büchners
packende, gelegentlich auch recht deftige Sprache ist ein wahrer Hammer.

Ich dachte mir, mit einer modernen Inszenierung könne man/frau mehr Licht
ins Dunkel des -- blutigen -- Revolutionsgeschehens bringen. Das geht jedoch
nur, wenn man versteht, daß es sich um eine BÜRGERLICHE Revolution handelt,
ihre AkteurInnen auch so zeichnet.

Die Inszenierung von Jan Bosse ist meilenweit davon entfernt. Sie entkleidet
den Stoff weitgehend seines konkret-geschichtlichen Inhalts und enthebt ihn
ins Unverbindliche, "Allgemeinmenschliche". Im Programmheft erfährt man/frau
auf 2 Seiten mehr über 1789 und danach als in dem zweistündigen
Theaterabend.

Aus dem einen Satz Büchners "Die Welt ist Chaos" wird ein eindimensionales
Strukturprinzip. Überall liegen Kleidungsstücke herum, Danton läüft wie ein
Blöder (gut existenzialistisch: "Geworfener") um das Bühnenbild herum,
man/frau glaubt, er hielte sich fast nur in Bordellen auf.

Der Hauptdarsteller Joachim Meyerhoff, den ich großartig im "Faust" als
Mephistopheles erlebte, kann bei diesem verqueren Regie-Konzept seine
hervorragenenden Qualitäten kaum entfalten. Als Nur-"Müder" wird er
stattdesssen mit Äußerlichkeiten ausgestattet: mit einem Schlafrock, mit
Erde -- weil es doch dem Grab entgegengeht...

Zuletzt ein ganz wichtiger Indikator -- weil ja gerade kritisches Theater
(im Sinnne von Brecht) auch UNTERHALTEN soll. Im Burgttheater wird bei
dieser Produktion -- "Dantons Tod" hat eine Fülle von ironischen,
sarkastischen Seiten! -- kein einziges Mal gelacht.
*Hermann Dworczak*



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