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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 8. Oktober 2014; 17:27
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Kommentierte Presseschau:

> Globalisierte Kaffeehäuser

Reinhard Göweil, der Chefredakteur der Wiener Zeitung, bricht in einem
Leitartikel das Problem mit der Globalisierung auf die immer noch wichtigste
Kulturinstitution der Stadt herunter: "Die meisten sind für den freien
Handel von Waren und Dienstleistungen, weil Wettbewerb stärker macht -
natürlich. Protektionismus hat in Zeiten globaler Arbeitsteilung wenig
Sinn - selbstverständlich. Kleine, aber leistungsstarke Länder wie
Österreich profitieren von offenen Grenzen überproportional - super.
Politiker jeglicher Couleur übernehmen solche Sätze gerne in ihre Reden, die
Globalisierung gilt als unveränderliche Mainstream-Entwicklung." Nur was
bedeutet das? Göweil: "Mit dieser Außer-Streit-Stellung allerdings hat sich
eine Art von Globalisierung breitgemacht, die Ungleichheit fördert und am
Ende alle ärmer macht. So gibt es mittlerweile eine fiskalische
Globalisierung. Weltweit tätige Großunternehmen schaufeln Einnahmen
konzernintern so lange von Staat zu Staat, bis am Ende kaum noch Gewinne
ausgewiesen werden. Und das noch in einem Land mit möglichst niedriger
Steuerbelastung. Der Reigen führt dazu, dass Starbucks Österreich im Jahr
2013 bei 11 Millionen Euro Umsatz Steuern in Höhe von mickrigen 1311 Euro an
die Republik ablieferte. Davon kann - wie viele - die Inhaberin des Café
Korb in Wien, Susanne Widl, nur träumen."

Vielleicht muß man Globalisierung einfach häufiger an solchen praktischen
Beispielen erklären, damit klar wird, worum es geht.

http://www.wienerzeitung.at/meinungen/leitartikel/664322_Grenzen-der-Globalisierung.html
Kurz: http://tinyurl.com/akin21wz

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> Ein Platz für Onkel Erwin

Also wenn schon das Raiffeisenblatt seine Heiligkeit durch den Kakao zieht,
dann hat die ÖVP echt ein Problem. Denn die Geschichte im "Kurier" ist
symptomatisch für die Stellung von Erwin Pröll und vor allem dem
vorauseilendem Gehorsam ihm gegenüber. Die Story schildert die Erlebnisse
eines Ehepaars, das bei einem Konzert im St.Pöltener Festspielhaus Plätze in
der ersten Reihe hatte. Dann habe jedoch eine Mitarbeiterin des
Festspielhauses angerufen, die gemeint hätte, sie habe "die Anweisung
erhalten, die Sitzplätze zu ändern, da Hr. Landeshauptmann Pröll die
Vorstellung besuchen will". Die Plätze in der ersten Reihe seien "seine",
weil "er diese immer in Anspruch nimmt", wurde dem Wiener Ehepaar
mitgeteilt. Alternativ wurden dem Paar "seitliche Plätze" in der ersten
Reihe angeboten. Die Beiden protestierten -- was vom Festspielhaus mit einem
Angebot für Gratiskarten für eine andere Veranstaltung beantwortet wurde.
Erst als der Kurier nachfragte, dämmerte es da jemandem, daß das keine gute
Presse geben könnte. Auf einmal hieß es von Festpielhaus und Prölls
Pressesprecher, daß der LH nie auf diese Plätze bestanden hätte und das Paar
natürlich auf ihren Plätzen sitzen könnte.

Aber da war das PR-Desaster schon passiert. Unter dem Eintrag des Artikels
in der Onlineausgabe ist zu lesen: "Aufgrund diffamierender Postings wurde
die Kommentar-Funktion deaktiviert."

http://kurier.at/chronik/niederoesterreich/warum-ein-ehepaar-fuer-erwin-proell-platz-machen-sollte/89.138.590
Kurz: http://tinyurl.com/akin21erwin

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> Ukrainischer Krieger

Neulich war der ukrainische Ex-Präsident Wiktor Juschtschenko im Rahmen der
Initiative "Future Business Ukraine" in der Wiener Hofburg zu Gast, um über
das Thema "Ukraine in Europe: Peace and Development" zu diskutieren. Der
Führer der "Orangenen Revolution" wurde bei dieser Gelegenheit vom "profil"
interviewt und machte seinem Ärger Luft: "Wir brauchen militärische
Unterstützung durch den Westen - und damit meine ich, dass wir Ressourcen
brauchen, um uns gegen die russischen Raketen und Panzer zu wehren. Niemand
in der Ukraine erwartet, dass europäische Soldaten auf unserem Territorium
sterben sollen. Wir sterben dort, wenn es sein muss, mit Würde." Es ist
immer schön, wenn Politiker und Ex-Politiker von einem nationalen "Wir"
sprechen. Dieses solidarische Gemeinschaftsgefühl mit denjenigen, die
wirklich krepieren, hat schon etwas Erhebendes.

http://www.profil.at/articles/1440/982/378109/wiktor-juschtschenko-bin-oesterreich
Kurz: http://tinyurl.com/akin21ukr

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> Europäische Drohnen

Die selbe Ausgabe des profils berichtet übrigens, daß durchaus ein bißchen
Militärgerät aus Österreich in die Ukraine kommt: "Vor Kurzem hat die OSZE
von der österreichischen Firma Schiebel in Wiener Neustadt für den Einsatz
in der Ost-Ukraine Drohnen geordert".

Ja, die OSZE, die schickt aber eben nur eine Beobachtermission. Allerdings
muß die gut beschützt werden. Und da läßt sich auch die BRD nicht lumpen. So
berichtet der Spiegel am 3.Oktober: "Die Bundeswehr will Drohnen und
Kampftruppen in die Ostukraine schicken. Über entsprechende Pläne
unterrichtete Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) am
Freitagabend die Obleute des Bundestags. Die Deutschen beteiligen sich an
einer Mission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa
(OSZE)." Das Auswärtige Amt habe allerding erklärt, daß noch nichts
entschieden sei und vorher noch schwierige rechtliche und politische Fragen
zu klären wären. Die geplante Operation sei "Folge einer
deutsch-französischen Erkundungsmission in der ukrainisch-russischen
Grenzregion Mitte September. Dabei habe sich gezeigt, dass die Waffenruhe
zwischen der Ukraine und den prorussischen Separatisten nur überwacht werden
könne, wenn bewaffnete Soldaten die OSZE-Beobachter absichern" berichtete
das Magazin in Berufung auf die "Bild"-Zeitung.

Die Vorgeschichte ist aber vielleicht schon ein bisserl länger. Das mit den
OSZE-Beobachtern ist ja gerade für die Deutschen so eine Sache. Im April
waren ja deutsche Beobachter in der Ostukraine von den dortigen Rebellen
festgenommen worden. Die große Empörung über diesen Akt wurde dann sehr
schnell kleiner, als sich herausstellte, daß es sich bei den Gefangenen
unter anderem um Bundeswehr-Offiziere handelte, von denen die OSZE vorher
noch nie etwas gehört hatte.

http://www.profil.at/articles/1440/980/378111/bundesheer-statt-landesverteidigung-drohnen
Kurz: http://tinyurl.com/akin21droh

http://www.spiegel.de/politik/ausland/bundeswehr-schickt-drohnen-und-kampftruppen-in-ostukraine-a-995265.html
Kurz: http://tinyurl.com/akin21buwe

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> US-amerikanische Bomben

Wegen einer ganz anderen Bedrohung hebt sich die US-Regierung
sicherheitshalber ein Extrakontingent von ein paar zur Abwrackung vorgesehen
gewesenen Atomsprengköpfen auf -- und zwar zur Bekämpfung von Asteroiden.
Was klingt wie der Bericht eines Revolverblattes, dessen Redakteur gerade
den Hollywood-Schinken "Armageddon" von 1998 gesehen hat, ist das eine
Meldung aus dem "Wall Street Journal" (deutsche Ausgabe). Nach
hochoffiziellen und öffentlichen, wenn auch ein wenig versteckten
Informationen der Nationalen Behörde für Nukleare Sicherheit (NNSA) sollen
die Atomwaffen wirklich zur Zertrümmerung von großen Asteroiden vorgesehen,
die eventuell einmal die Erde bedrohen könnten. Allerdings gibt es natürlich
auch Miesmacher, die ganz verschwörungstheoretisch etwas anderes dahinter
vermuten. Denn in einer Zeit, da die Atomwaffenvorräte durch
Abrüstungsverträge und andere Faktoren schrumpfen, könnte die
Planetenverteidigung "eine Entschuldigung sein, das Atomwaffenarsenal
aufrecht zu erhalten", zitiert das WSJ Jay Melosh, Professor an der Purdue
University. Ein Schelm, der Herr Professor!

http://www.wsj.de/nachrichten/SB10362228127429084907704580188444246545512
Kurz: http://tinyurl.com/akin21wsj

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> Vorausschauende Polizisten

"Es klingt nach Science Fiction: Polizisten sitzen vor dem Computer und
können genau voraussagen, wo im Laufe des Tages Verbrechen passieren
werden - so wie Meteorologen prognostizieren, in welchen Orten es regnen
wird. Tatsächlich ist das längst Alltag in einem Schweizer Kanton." Und zwar
in Zürich. Darüber berichtet das Schweizer Newsportal watson.ch. Während man
in München noch ähnliches testet und in Basel erst seit kurzem die Software
benutzt, mit der man angeblich punktgenau voraussagen kann, wann in welchen
Gegenden Einbrüche passieren werden, benützt die Zürcher Polizei das System
schon seit Juni. Wer jetzt an dieKurzgeschichte "Minority Report" von Philip
K. Dick (oder deren Verfilmung) denkt -- und damit auch an die dort
beschriebene Problematik --, liegt näher an dem, was sich die Erschaffer der
Software vorgestellt haben dürften, als man vielleicht zu befürchten gewagt
hätte. Denn das System heißt "PRECOBS" -- bei Dick hiessen die
Verbrechensvorhersager "precogs". Ist das ironische Brechung oder steckt da
wirklich die kriminalistische Vorstellung darüber dahinter, Straftaten zu
verhindern, bevor sie passieren?

Sonderlich gern Auskünfte geben die Polizeibehörden nicht darüber, berichtet
der Beitrag. Trotzdem kann watson.ch mit einigen Details aufwarten und
bringt auch einen Gastkommentar von Denis Simonet von der Piratenpartei
Schweiz. Dieser assoziert natürlich auch gleich die Dick-Geschichte: "Dieses
präventivstaatliche Vorgehen führt zwar tatsächlich zu einer Welt mit
weniger Verbrechen. Allerdings zeigt 'Minority Report' auch eindrücklich
auf, was alles schief gehen kann - und warum die Grenze zur Bestrafung von
Gedankenverbrechen fliessend ist. Als Orwell sein Buch '1984' schrieb,
wollte er eigentlich vor dem Überwachungsstaat warnen. Und vor der
Abschaffung der freiheitlichen Gesellschaft. Doch leider wurde das Buch von
vielen als Anleitung für mehr Überwachung missverstanden. Und nun ist die
Polizei drauf und dran, diesen Fehler bei der Verbrechensvorhersage zu
wiederholen. Keine Analyse der Gefahren und keine Spur von kritischen
Gedanken."

Bleibt nur die Frage, ob die Obrigkeit selbst eine solche Entwicklung
wirklich als Fehler sehen möchte...

http://www.watson.ch/!311709416 (und die dort verlinkten Fortsetzungen)

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> Und die Schlagzeile des Jahres verdanken wir...

War eigentlich klar, wer die jenseitigste Meldung 2014 schieben mußte: Recep
Tayyip Erdogan. Mit "Ich bin mit jedem Tag zunehmend gegen das Internet",
wie ihn die APA am 3.Oktober nach Angaben der internationalen
Journalistenorganisation Committee to Protect Journalists (CPJ) zitiert,
wird er dieses Jahr im Ringen um die ärgste Wuchtel wohl keinen Konkurrenten
mehr haben. In Hinblick auf die regierungskritischen Proteste im Gezi-Park
2013 soll er weiters gemeint haben: "Den Medien hätte niemals die Freiheit
gegeben werden sollen, zu beleidigen."

Sein Unmut ist verständlich, hatte er doch erst kürzlich zum zweiten Mal in
diesem Jahr akzeptieren müssen, daß das türkische Verfassungsgericht seinen
Ideen zur Kontrolle des Netzes eine Absage erteilte. Nach der untersagten
Sperre von Social-Media-Diensten untersagte das Gericht nun der
Telekommunikationsbehörde, uneingeschränkt Daten über das Surfverhalten von
Nutzern zu sammeln.

http://derstandard.at/2000006400862

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Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die Berichte auf die
Online-Ausgaben der zitierten Medien. Zeitungsleser: -br-



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