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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 8. Oktober 2014; 17:30
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Kurdistan/Presse:
> Das kurdische Dilemma
Die NATO möchte schon irgendwie einen neuen Staat Kurdistan, aber ist sich 
nicht ganz einig, welcher Art. Und jetzt herrscht in Washington und Ankara 
die Furcht, daß es ein Kurdistan geben könnte, daß sie beide nicht wollen, 
nämlich eines unter Führung der PKK. Die Site "German Foreign Policy" 
analysiert die Ent- und Verwicklungen. Wir zitieren Ausschnitte:
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Während der IS, der gegenwärtig im Begriff ist, Kobane zu erobern, sein 
Erstarken letztlich Interventionen des Westens in Nah- und Mittelost 
verdankt, sind türkische Expansionskonzepte die Ursache dafür, dass zwar 
irakisch-kurdische Milizen unterstützt werden ..., nicht jedoch 
syrisch-kurdische Kämpfer gegen den IS. Die Konzepte, die im Westen auf 
Sympathie stoßen, spielen mit dem Gedanken, einen Staat "Kurdistan" aus dem 
Irak herauszubrechen und ihn eng an die Türkei zu binden oder ihn gar an sie 
anzuschließen - mit dem Hintergedanken, auf diese Weise proiranische Kräfte 
zu schwächen und sunnitische Kräfte gegen Iran in Stellung zu bringen. [...]
Während die irakisch-kurdischen Streitkräfte, die mit Ankara kooperieren, 
für den Kampf gegen den IS aufgerüstet und trainiert werden - insbesondere 
von der Bundeswehr -, unterbleibt eine vergleichbare Unterstützung für den 
syrisch-kurdischen Abwehrkampf. Ursache sind strategische Großplanungen der 
Türkei, die im Westen auf Interesse stoßen - und Ankara veranlassen, den 
syrischen Kurden jede Hilfe zu versagen. [...]
Den Hintergrund der türkischen Großplanungen hat in einer Reihe von Analysen 
Günter Seufert, Türkei-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), 
offengelegt. Demnach befindet sich der Angelpunkt der Beziehungen zwischen 
Ankara und den kurdischsprachigen Kräften der gesamten Region in Erbil. Die 
dortige, von Masud Barzani geführte Autonomieregierung kooperiert seit 
Jahren recht eng mit der Türkei - auf der Basis des für beide Seiten höchst 
profitablen Tausches irakisch-kurdischer Energieträger gegen türkische 
Industrieprodukte. [...]
Anfang 2013 äußerte ... der damalige Außenminister und heutige 
Ministerpräsident Ahmet Davutoglu, es sei "an der Zeit", die 1916 im Nahen 
Osten geschaffenen "künstlichen Grenzen zu überdenken". [...]
In diesem Zusammenhang sind strategisch motivierte Plädoyers im Westen von 
Bedeutung, die Neuziehung staatlicher Grenzen in der gesamten Region 
ernsthaft zu diskutieren. Eine komplette "Neuordnung" biete die Chance, Iran 
zu schwächen, heißt es - denn die Zerschlagung Syriens und des Irak gehe zu 
Lasten der dortigen proiranischen Regierungen und ermögliche es, etwa durch 
das Herausbrechen eines Staates "Kurdistan" ein "sunnitisch-säkulares 
Gegengewicht" gegen das schiitische Teheran zu schaffen. Derlei Pläne wurden 
zuletzt in Washington öffentlich erwogen. Dabei gingen sie in vielerlei 
Hinsicht durchaus mit den türkischen Expansionskonzepten konform. [...]
Komplikationen ergaben sich allerdings bei den Planungen Ankaras, weil aus 
türkischer Sicht eine Einbindung der bei der kurdischsprachigen Bevölkerung 
nach wie vor höchst einflussreichen PKK unumgänglich war. Ankara startete 
deshalb Ende 2012 umfassende Gespräche mit ihr - mit dem Ziel, sie gegen 
Zusage einer gewissen Föderalisierung der Türkei zum Verzicht auf die 
Gründung eines kurdischen Staates zu bewegen. Wie die SWP letztes Frühjahr 
festhielt, verliefen die Gespräche zunächst sehr erfolgreich, kamen nach 
einer Weile jedoch ins Stocken - aufgrund von Uneinigkeit darüber, wie weit 
die Föderalisierung oder gar Autonomie für die Kurden reichen sollte. 
Diverse taktische Manöver schlossen sich an, mit denen Ankara die 
widerspenstige PKK und die eng mit ihr verbündete PYD - die dominante Kraft 
in Nordsyrien - zu schwächen suchte, um die Verhandlungsposition der PKK zu 
unterminieren. Dazu gehörte eine enge Kooperation mit dem in Erbil 
regierenden Mustafa Barzani, einem alten Gegner von PKK und PYD, ebenso wie 
die "Unterstützung zuerst moderat islamistischer, dann auch salafistischer 
und dschihadistischer Gruppen in Syrien", die "immer auch auf die 
Verhinderung kurdischer Autonomie unter Führung der PYD/PKK in Syrien 
gerichtet" war, wie SWP-Experte Seufert berichtet. Davon profitierte 
insbesondere der IS. Dies wurde vom Westen toleriert - in der Hoffnung, auf 
diese Weise Assads Sturz beschleunigen zu können. [...]
Haben die USA und die Staaten der EU inzwischen den Krieg gegen die 
Terrortruppe eröffnet, so bleibt Ankara bislang faktisch noch außen vor. 
Staatspräsident Recep Tayyip Erdoðan erklärt dazu: "So, wie die Türkei gegen 
die Terrororganisation Isis ist, so ist sie auch gegen die 
Terrororganisation PKK."
Volltext: http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58967
[Anmerkung akin: Die Analyse erschien wenige Stunden vor den Berichten über 
die ersten Toten bei Protesten in Türkisch-Kurdistan am Dienstag.]
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