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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 8. Oktober 2014; 17:43
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Bücher

> Für Aktive und solche, die es werden wollen

Robert Maruschke:
Community Organizing. Zwischen Revolution und Herrschaftssicherung.
edition assemblage, 2014,
109 Seiten, EUR 10,10
ISBN 978-3-942885-58-4

Spätestens seit Ausbruch der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008 ist auch im
deutschsprachigen Raum in der gesellschaftlichen Mitte eine verstärkte
Organisierung entlang konkreter Anlässe festzustellen. Proteste in Form von
Bürger*innenplattformen, Nachbarschaftskommitees, o.ä. haben die so
genannten "Wutbürger*innen" zum einem geflügelten Wort gemacht. Hierbei geht
es zumeist um die simple Verbesserung der (eigenen) Lebensumstände, ohne den
aktuellen Status quo in Frage zu stellen. Der "liberale Glaube an die
Funktionsfähigkeit des Kapitalismus und die Reduktion von strukturellen
Herrschaftsformen wie Rassismus oder Sexismus auf isolierte und meist
individuelle Probleme", zeichnen die Formen kleinbürgerlichen Engagements
aus.

Robert Maruschke, selbst lange im Community Organizing tätig, trifft deshalb
am Beginn seiner kritischen Einführung in die Thematik eine wichtige
Unterscheidung: während sich (neo)liberale Ansätze herrschaftsfreundlich
und -sichernd geben, zeichnen sich transformative bzw. revolutionäre Ansätze
durch ihren Anspruch, Herrschaftsverhältnisse überwinden zu wollen, aus.

Auf letztere legt Maruschke sein Hauptaugenmerk, da nur sie dazu beitragen
können, gesellschaftliche Missstände zu beseitigen.

Er nennt vier Eckpunkte transformativen Community Organizings: 1. eine
kritische Analyse der und eine 2. grundsätzliche Opposition gegen die
gesellschaftlichen Verhältnisse, 3. eine explizit politische Basisarbeit und
konfrontative Politikformen und 4. die Etablierung einer
organisationsübergreifenden, grenzenlosen und praktischen Solidarität.

Nach einer Einleitung findet sich im Buch ein Interview mit dem
US-amerikanischen Organizer Thomas Mann, der über seine Erfahrungen spricht
und erläutert, warum transformatives Community Organizing so wichtig ist.
Auch wenn einige Passagen seiner Aussagen durchaus spannend anmuten und zur
Zustimmung verleiten, wird relativ schnell klar, dass die Kombination aus
stalinistischer bzw. maoistischer Weltsicht und Reformismus (Stichwort: man
musste als LinkeR in den USA der Demokratischen Partei eine Chance geben,
denn "Obama repräsentiert zwar die Interessen des Imperialismus, aber die
Partei ist nicht die Partei des Imperialismus") skurrile Blüten treibt. Eine
Kritik daran seitens des Autors bleibt aus.

Aufschlussreich ist der Blick Maruschkes auf die Geschichte des Community
Organizing. Bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sind die
Anfänge zu finden und bereits damals lassen sich die unterschiedlichen
Konzepte in herrschaftsfreundlich einerseits und revolutionär andererseits
unterscheiden.

In den USA war eine Person über viele Jahre hinweg untrennbar mit dem
Community Organizing und seiner Konzeption verbunden: Saul Alinsky.
Maruschke wirft ihm fundiert und angriffig unter anderem eine vermeintliche
Anti-Ideologie, vereinfachte Analysen sozialer Verwerfungen, sowie die
Finanzierung seiner Projekte durch Unternehmen, Stiftungen oder Kirchen vor.
Zudem mache Alinsky, wie alle (neo)liberalen Konzepte des Community
Organizing, den Fehler, nur gewinnbare Kämpfe zu bestreiten und dadurch
grundlegende Veränderungen zu verhindern.

Dabei es ist für eine emanzipatorische Vision für die Gesellschaft
wesentlich, dass diese auch von unten entwickelt wird, "auch wenn das die
regelmäßige Erfahrung des Scheiterns mit sich bringt".

Eine wichtige Bedingung für transformatives Community Organizing ist zudem
die Einsicht, dass Unterdrückung und Herrschaft als strukturelles Problem
wahrgenommen werden. Kapitalistische, rassistische & sexistische
Herschaftsformen werden nicht als Zufälle, sondern als zentrale
Handlungslogiken unserer Gesellschaft betrachtet.

Politische Basisarbeit muss demnach durch eine Organisierung von unten
erfolgen, sprich durch Menschen, die an der "Frontlinie des Neoliberalismus"
stehen. Neben einer wichtigen aktionistischen Komponente ist die
inhaltliche, politische Bildung aller an der Organisation Beteiligten
wichtig, um über Ursachen der Probleme der Menschen aufzuklären. Durch
kollektives, basisdemokratisches Leadership von unten nach oben soll die
Beschränkung auf die Rolle der Nebendarstellerin als Herrschaftsinstrument
aufgebrochen werden.

Um mit transformativem Community Organizing erfolgreich sein zu können, ist
es zudem evident, ein so genanntes "movement building" zu forcieren. Hierbei
geht es darum, aktiv daran zu arbeiten, dass aus vereinzelten Organisationen
eine soziale Bewegung wird, die überregional intervenieren und strukturelle
Veränderungen herbeiführen kann: "Der ausdrückliche Versuch, umfangreiche
gesellschaftliche Veränderungen durch die Kombination kritischer Analyse,
politischer Basisarbeit, konfrontativer Politikformen und den aktiven Aufbau
sozialer Bewegungen durchzusetzen, unterscheidet transformatives Community
Organizing von anderen Ansätzen der Basisorganisation".

Maruschke liefert mit seinem schlanken Buch nicht nur eine theoretische
Einführung in das Themenfeld, sondern bietet auch praktische
Handlungsanleitungen an, ohne diese als solche direkt zu benennen. Abgesehen
von den wenig wertvollen Interview mit dem US-amerikanischen Organizer
Thomas Mann und Maruschkes explizitem Fokus auf Deutschland, empfiehlt sich
die Lektüre für alle, die bereits aktiv organisiert sind oder dies vorhaben.
Vor allem der historische Exkurs (Stichwort Arbeitslosenbewegung in den USA
um 1930) liefert interessante Einblicke in erfolgreiche Beispiele der
Selbstorganisierung und der Selbstermächtigung von Menschen, die mit
konsequenten Verbesserungen der Verhältnisse nachhaltige Erfolge verbuchen
konnten.
*Stefanie Klamuth*



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