*********************************************************
akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 8. Oktober 2014; 17:46
**********************************************************

Arbeit/Glosse:

> Boycott Workfare

Am 6.Oktober hat in Großbritannien die Aktionswoche gegen
Arbeitszwangsprogramme ("Workfare") begonnen. In Österreich ist die
Situation nur wenig besser. Ein Kommentar der *Aktiven Arbeitslosen*
*

Die konservativ-neoliberale Regierung von James Cameron gehört zu den
brutalsten Umsetzern des von der EU forcierten neoliberalen Aktivierungs-
und Arbeitszwangregimes: Neben einem massiven Abbau bei der
Arbeitslosenversicherung und einem Kahlschlag bei Sozialleistungen hat in
Großbritannien die Regierung mit der intensivierten Androhung von
Bezugssperren gegen Erwerbs-Arbeitslose, Arme und Invalide ein umfangreiches
Überwachungs- und Disziplinierungsregime geschaffen.

Dabei setzt die Regierung von James Cameron zunehmend auf
Arbeitszwangsprogramme, bei denen Arbeitslose, Arme und Invalide zu
ArbeitnehmerInnen zweiter Klasse degradiert werden und unter
menschenrechtswidriger Androhung des Existenzentzuges (Bezugssperren)
gezwungen werden, für das Arbeitslosen- bzw. Sozialhilfegeld statt für
regulären Lohn für Firmen, "Wohlfahrtseinrichtungen" und Gemeinden zu
arbeiten. Auf Kosten der Arbeitslosenversicherung und Steuern zahlenden
ArbeitnehmerInnen werden regulär bezahlte ArbeitnehmerInnen durch
GratisarbeiterInnen ersetzt.

Besonders hart betroffen sind Invalide und Behinderte, die von der privaten
Firma "atos" im Auftrag der Regierung einfach als "fit to work" erklärt und
durch aufgezwungene "Integrationsprogramme" in Gesundheit und Leben massiv
gefährdet werden.

Der Verein "Aktive Arbeitslose Österreich" unterstützt daher die von der
Aktionsplattform "Boycott Workfare" getragene Aktionswoche und fordert alle
Menschen guten Willens auf, diese Proteste gegen den Abbau der
ArbeitnehmerInnenrechte zu unterstützen. Insbesondere sind die
Gewerkschaften aufgefordert, ihre Komplizenschaft mit dem neoliberalen
Aktivierungs- und Arbeitszwangsregime zu beenden und sich voll und ganz
hinter die am "zweiten Arbeitsmarkt" entrechteten ArbeitnehmerInnen zu
stellen.

Workfare in Österreich

Im sozialpartnerschaftlichen Österreich wird dieses Zwangsregime noch nicht
derart offen und brutal umgesetzt wird. Dennoch hat Sozialminister
Hundstorfer nach den AlVG-Novellen 2004 und 2007 mit der Mindestsicherung
und der Abschaffung der befristeten Invaliditätspension den rechtlichen
Umbau des bismarkschen Sozialstaates zum neoliberalen "Aktivierungsstaat" in
den Grundzügen bereits vollzogen und ebenfalls den Druck auf
Erwerbs-Arbeitslose, Arme und Invalide massiv erhöht.

Die Gewerkschaften sind daran mitbeteiligt, im potemkinschen Dorf der
"Aktiven Arbeitsmarktpolitik" einen "zweiten Arbeitsmarkt" zu schaffen, auf
den die von der Wirtschaft ausgeschiedenen Menschen in Simulationen namens
"Wiedereingliederungsprogrammen" zu ArbeitnehmerInnen zweiter Klasse
degradiert werden. Gewerkschaften und AK entsenden nicht nur VertreterInnen
in die hinter verschlossenen Türen arbeitenden AMS-Aufsichtsgremien, sondern
sind als Eigentümer der bfi/baf/BBRZ-Gruppe -- zu der auch der
"gemeinnützige" Personalüberlasser jobtransfer gehört -- der größte Anbieter
von AMS-Zwangsprogrammen. Hundstorfer baut diesen Zweiten Arbeitsmarkt aus.
Auch in Österreich werden so zunehmend reguläre Jobs am "ersten
Arbeitsmarkt" durch subventionierte Arbeitszwangsprogramme verdrängt.

Mit Hilfe der Gewerkschaften umgehen "sozialökonomische Betrieben (SÖB)" und
"gemeinnützige Beschäftigungprojekt (GBP)", zu denen Arbeitslose unter
Androhung des Existenzentzuges vom AMS zugewiesen werden, in vermutlich
sittenwidrigen Transitarbeitskräfteregelungen die regulären
Branchenkollektivverträge: Es wird nur ein geringer Pauschallohn gezahlt
ohne Anrechnung von Vordienstzeiten und Qualifikationen. Jene, die vom AMS
zur Verschönerung der Arbeitslosenstatistik immer wieder zu diesen
Arbeitszwangsprogrammen zugewiesen werden, bekommen nie eine
Gehaltsvorrückung und werden so ohne Aussicht auf Aufstieg als "Working
Poor" unten gehalten. In ebenfalls im öfter aufgezwungenen Arbeitstrainings
und Arbeitserprobungen bekommen die Erwerbs-Arbeitslosen überhaupt keinen
Lohn sondern dürfen weiter für Arbeitslosengeld oder für
Mindestsicherungzahlungen arbeiten.

World Day for Decent Work

Die stetig steigende Zahl der Menschen, die als Erwerbs-Arbeitslose vom
kapitalistischen Wirtschaftssystem als "Überflüssige" ausgeschieden werden,
macht den von den Gewerkschaften organisierten "Welttag für menschenwürdige
Arbeit" (alljährlich am 7.Oktober) zu einer Farce. Der vorgebliche Kampf um
"würdige Arbeit" soll uns wohl darüber hinweg täuschen, dass die
Gewerkschaft ihr ursprüngliches Ziel längst beiseite geschoben haben:
Nämlich das Problem Kapitalismus bei der Wurzel zu packen und die Wirtschaft
selbst demokratisch zu organisieren statt nur die Symptome zu lindern. ###


Aktionswoche gegen Workfare:
http://www.boycottworkfare.org
https://www.facebook.com/boycottworkfare

Aktive Arbeitslose
http://www.aktive-arbeitslose.at



***************************************************
Der akin-pd ist die elektronische Teilwiedergabe der nichtkommerziellen
Wiener Wochenzeitung 'akin'. Texte im akin-pd muessen aber nicht
wortidentisch mit den in der Papierausgabe veroeffentlichten sein. Nachdruck
von Eigenbeitraegen mit Quellenangabe erbeten. Namentlich gezeichnete
Beitraege stehen in der Verantwortung der VerfasserInnen. Ein Nachdruck von
Texten mit anderem Copyright als dem unseren sagt nichts ueber eine
anderweitige Verfuegungsberechtigung aus. Der akin-pd wird nur als
Abonnement verschickt. Wer versehentlich in den Verteiler geraten ist, kann
den akin-pd per formlosen Mail an akin.buero{AT}gmx.at abbestellen.

*************************************************
'akin - aktuelle informationen'
a-1170 wien, Lobenhauerngasse 35/2
vox: ++43/1/535-62-00
(anrufbeantworter, unberechenbare buerozeiten)
http://akin.mediaweb.at
Blog: https://akinmagazin.wordpress.com/
Facebook: https://www.facebook.com/akin.magazin
Mail: akin.redaktion{AT}gmx.at
Bankverbindung lautend auf: föj/BfS,
Bank Austria, BLZ 12000,
223-102-976-00, Zweck: akin
IBAN AT041200022310297600
BIC: BKAUATWW