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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 1. Oktober 2014; 14:33
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Religionsrecht/Glosse:

> Phrasen, Pleiten, Populismus

In Österreich soll es ein neues Islamgesetz geben. Was es bringen soll, weiß
offenbar niemand so recht. Außer, dass es eine neue Spielwiese für
Populisten ist. Und auf eine dem Gleichheitsgrundsatz verpflichtete
Religionsgesetzgebung werden wir wohl noch bis zum jüngsten Gericht warten
müssen, meint *Christoph Baumgarten*.


Franz Kafka hätte seine helle Freude an den Plänen zum neuen Islamgesetz.
Selten hat die heimische Politik so sehr ihre Ahnungslosigkeit und Feigheit
bewiesen wie hier. Verborgen wird das hinter nahezu byzantinischer
Geheimhaltung, die nur wenige Erlauchte durchbrechen. Die beweisen bei
diesen Gelegenheiten in der Regel auch nur, dass sie sich am liebsten weder
mit Wissen bekleckern wollen noch mit Problemlösungskompetenz. Aber wollen
täten sie schon.

Das Sprichwort, dass der Wille fürs Werk zähle, ist selten so sehr in seiner
Phrasenhaftigkeit bloßgestellt worden wie hier.

Wenig schmeichelhaftes Urteil

Rühmliche Ausnahme ist der Nationalratsabgeordnete Niko Alm von den Neos,
der auf seinem Blog (1) eine Analyse des ersten Gesetzesentwurfes
veröffentlicht hat. Wenig überraschend kommt er zu einem wenig
schmeichelhaften Urteil. Der Entwurf dürfte von Generalverdachten und
sonstigen Seltsamkeiten nur so strotzen.

Es ist auch nicht klar, für wen das neue Gesetz überhaupt gelten soll. Es
erscheint zweifelhaft, dass es sich auf alle Muslime oder alle Konfessionen
des Islam in Österreich auswirkt. Die Aleviten und die Shiiten haben sich
hochoffiziell aus dem Geltungsbereich des aktuellen Islamgesetzes
verabschiedet.

Ihre Kultusgemeinden gehen auf Basis des so genannten Anerkennungsgesetzes
(von 1874) und des Bekenntnisgemeinschaftengesetzes eigene - islamische -
Wege. Ihnen die bisherigen Anerkennungen wegzunehmen und sie zwangsweise in
den Geltungsbereich des neuen Islamgesetzes einzugliedern, wird eine
mittelschwere juristische Herausforderung, um es höflich zu formulieren.

Was soll jetzt gelten?

Der vorliegende Entwurf probiert das nichtsdestotrotz mit nahezu
bewundernswerter Unverdrossenheit, um sich gleichzeitig selbst
einzuschränken. Im Gegensatz zu jetzt sieht er mehrere islamische
Religionsgesellschaften vor. Und definiert nicht, wie jetzt, eine zentrale
Körperschaft zur Vertretung aller Muslime. Diese ist nach eigenem
Selbstverständnis die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ),
der freilich - siehe oben - schon einige Schäfchen abhandengekommen sind.

Gleichzeitig spricht der Entwurf davon, dass bei den Religionsgesellschaften
"keine gesetzeswidrige Störung des Verhältnisses zu den bestehenden
gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften" bestehen dürfe.
Was bedeuten würde, dass das neue Gesetz zumindest die Aleviten nichts
angeht, wenn sie's nicht wollen.

Ganz abgesehen von dem Punkt, dass in diesem Land niemand eine
gesetzeswidrige Störung zu irgendeiner bestehenden gesetzlich anerkannten
Kirche und Religionsgemeinschaft betreiben darf. Streng genommen: Auf
gesetzeswidrige Art darf überhaupt niemand in diesem Land irgendjemanden
stören.

Man sieht, das ist alles ein wenig kompliziert und verworren und es würde
nicht einfacher, würde man weiter ins Detail gehen. Bleibt die Frage, was
das aktuelle Islamgesetz mehr tun soll, als bestenfalls die bestehenden
innerislamischen Auffassungsunterschiede in ein österreichisches Gesetz zu
gießen. Was wiederum die Frage aufwirft, was das die Republik Österreich
überhaupt angeht.

Ein Ahnungsloser mischt sich ein

Weil's eh schon wurscht ist, mischt sich ein übereifriger und - wie üblich -
sachlich überforderter Außenminister ein. Ungeachtet der Tatsache, dass
Sebastian Kurz rein rechtlich gesehen gar nichts mit der Sache zu tun hat,
fordert er, dass es eine einheitliche Kuran-Übersetzung für ganz Österreich
geben soll.

Den Arbeitsauftrag erteilt er en passant der IGGiÖ. Als ob die alle Muslime
in Österreich vertreten würde. Was sich Kurz von einer einheitlichen
Kuran-Übersetzung verspricht, verschwindet in einem Schwall heißer Luft.
Hauptsache, die Zukunftshoffnung der ÖVP hat wieder mal gesagt, was sich der
Stammtisch halt so denkt.

Pseudolösungen für Pseudoprobleme

Die Diskussion ist symptomatisch für die Lage der westlichen Politik,
besonders in Österreich. Man erzeugt Pseudoprobleme, für die man
Pseudolösungen anbieten kann. So täuscht man vor, irgendetwas zu tun.
Alibidiskurs und Alibihandlungen verselbstständigen sich und verhindern,
dass echte Probleme erkannt werden. Von Lösungen ganz zu schweigen.

Die Religionsgesetzgebung in Österreich ist ein solches Problem. Sehr
vornehm formuliert besteht sie aus Kraut, Rüben und Privilegien, gemischt
mit einem gerüttelt Maß an Willkür und Projektionsarbeit. Über all das
schütte man einen Schuss Improvisationseifer und eine Flasche Schlamperei.
Auszubaden hat das das Kultusministerium, das das Ganze umsetzen soll.

Die Willkür der österreichischen Religionsgesetzgebung

Ein alevitischer Priester muss nach den Buchstaben des Gesetzes ein
österreichischer Staatsbürger sein, der mindestens Matura hat. Ein
(sunnitischer) Imam muss weder noch erfüllen. Ein shiitischer Mullah braucht
aktuell weder Staatsbürgerschaft noch Matura, aber möglicherweise bald -
wenn die Shiiten von einer eingetragenen Bekenntnisgemeinschaft zu einer
anerkannten Religionsgemeinschaft geworden sind.

Katholische Pfarrer sollten nach Möglichkeit zumindest eine Zeit lang
Theologie studiert haben, verlangt die Republik von der Kirche.
Wahrscheinlich müssen sie auch österreichische Staatsbürger sein. Die
entsprechende Passage im Konkordat ist wegen veränderter historischer
Umstände nicht eindeutig. Die Regelungen gelten nur für Pfarrer, nicht für
Pfarradministratoren und andere katholische Priester. Bei evangelischen
Pfarrern ist's der Republik egal, woher sie kommen und was sie können. Bei
Rabbinern auch. Bei Buddhisten nicht.

Wenn ein Laie das Ornat eines katholischen oder evangelischen Pfarrers
trägt, wird er genauso hart bestraft, als ob er unbefugterweise in einer
Uniform des Bundesheeres herumstolziert wäre. Als buddhistischer Mönch darf
sich jeder verkleiden.

Willkür, gemildert durch Schlamperei

Wirklich kümmern tut sich um die Vorschriften ohnehin keiner. Das macht sie
nicht weniger absurd. Ein legislatives Chaos wird nicht besser, wenn es egal
ist, ob schikanöse Bestimmungen wie die verpflichtende Staatsbürgerschaft
für Kleriker eingehalten werden. Willkür gemildert durch Schlamperei, das
hat in einem demokratischen und liberalen Rechtsstaat nichts verloren.

Es existieren Religionsrechtsvorschriften nebeneinander, von denen einige
nur so vom Untertanengeist vergangener Jahrhunderte strotzen und andere
signalisieren, dass es auch in Österreich so etwas wie Demokratie und
Rechtsstaat gibt.

Als da wären: Das Anerkennungsgesetz, das Islamgesetz, das Konkordat von
1933, das Kirchenbeitragsgesetz von 1939, das Protestantengesetz, das
Orthodoxengesetz, das orientalisch-orthodoxe Kirchengesetz, das
Bekenntnisgemeinschaftengesetz, das Israelitengesetz. Um nur die wichtigsten
zu nennen.

Ein Recht für alle? Eher nicht

Dieses Chaos zu beenden, wäre eine echte Aufgabe für die Politik. Die Reform
des Islamgesetzes wäre ein guter Anlass für einen solchen Schritt. Einfach
kein Islamgesetz neu, von dem niemand weiß, für wen es gilt, sondern ein
Gesetz in die Wege leiten, das für alle Religionsgemeinschaften und
Kultusgemeinden gilt.

Vom politischen und juristischen Aufwand her wäre das vergleichbar mit einer
Verfassungsreform. Das würde Jahre dauern. Das sollte jedem bewusst sein,
der das fordert. Allein: Dass die Lösung schwierig ist, ist keine
Entschuldigung, ein Problem bestehen zu lassen.

Privilegien - nur nicht anrühren

Auf der Basis "Ein Recht für alle" ließe sich auch vernünftig ausverhandeln,
welche Sonderrechte Religionsgemeinschaften in einem liberalen und
demokratischen Rechtsstaat akzeptabel sind.

Vermutlich ist es das, das die Verteidiger des Status Quo verhindern wollen,
die uns in Sonntagsreden einreden, der österreichische Sauhaufen in
Religionsbelangen - und nur er - stelle den "religiösen Frieden" sicher. Als
ob im wesentlich säkulareren Tschechien die Leut aus religiösem Eifer sich
die Schädel einschlagen würden.

Ein Argument, das man hierzulande nicht so gerne hört. Wenn's um Religion
geht, hat man's nicht so mit der Realität in dieser Republik. Da glaubt man
wirklich, man habe ein modernes Religionsrecht. Und der Außenminister sei
fürs Islamgesetz zuständig. ###

(1) http://alm.at/der-entwurf-zum-islamgesetz/



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