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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 17. September 2014; 03:38
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Armut/International/Migration:

> BRD: 42% der Ex-Gastarbeiter droht Altersarmut

41,8 Prozent der ehemaligen Gastarbeiter im Rentenalter sind in Deutschland
von Armut bedroht. Damit ist die Altersarmut unter Ausländern, die aus den
damaligen Anwerbeländern kamen, mehr als dreimal so hoch wie unter Deutschen
über 65 Jahren. Unter den Türken im Rentenalter liegt die Quote sogar gut
viermal so hoch. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie des Wirtschafts-
und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung
des Deutschen Gewerkschaftsbunds

Vor 50 Jahren, am 10. September 1964, begrüßte die Bundesrepublik den
millionsten Gastarbeiter. Ein Jahrzehnt später lebten in Westdeutschland
bereits knapp vier Millionen Ausländer. Ein großer Teil wohnte in Baracken
und eng gedrängt in Wohnheimen. Die große Mehrheit der zugewanderten
Arbeitskräfte fand nur Jobs in den untersten Lohngruppen. Weil sie aber
meist in überdurchschnittlich zahlenden Großunternehmen beschäftigt waren,
Schwerstarbeit akzeptierten und viele Überstunden machten, erreichten sie
Anfang der 1970er-Jahre im Schnitt immerhin Bruttogehälter, die nur wenig
unter denen der Deutschen lagen.

Richtig schwer wurde es nach dem Anwerbestopp: Der Niedergang der
Montanindustrie betraf zuerst die Jobs der Gastarbeiter. Die
Arbeitslosenquote der Ausländer stieg über die der Deutschen. Gastarbeiter
besetzten immer noch die am schlechtesten bezahlten Stellen, arbeiteten aber
seltener in Großbetrieben. Die Möglichkeit, niedrige Stundenlöhne durch
Mehrarbeit auszugleichen, entfiel häufig.

All dies schlug sich nicht nur im laufenden Einkommen nieder, sondern auch
in geringen Rentenansprüchen. Auf der Basis von neuen Daten der Deutschen
Rentenversicherung und des Mikrozensus haben die WSI-Forscher die soziale
Situation von ehemaligen Gastarbeitern ermittelt: So kommen aus der Türkei
zugewanderte Männer ab 65 im Schnitt nur auf eine gesetzliche Rente von 742
Euro, während Deutsche immerhin 1.109 Euro im Monat beziehen. Dazwischen
liegen frühere männliche Gastarbeiter aus Italien (963 Euro) oder dem
ehemaligen Jugoslawien (873 Euro; weitere Angaben vgl. Seiten 13 und 28 der
Studie). Auch unter den Seniorinnen haben Frauen aus der Türkei die mit
Abstand niedrigsten Rentenansprüche erworben: Sie erhalten im Mittel nur 363
Euro. Frauen mit deutscher Staatsangehörigkeit beziehen dagegen
durchschnittlich 572 Euro gesetzliche Rente im Monat, Griechinnen 570 Euro
und Italienerinnen 467 Euro). Allerdings ist dabei zu beücksichtigen, daß es
sich bei diesen Angaben ausschließlich um die Zahlungen der gesetzlichen
Rentenversicherung und nicht etwa um das gesamte Einkommen handelt. Die
Rentenzahlungen der gesetzlichen Rentenversicherung können (im
Haushaltskontext) z.B. durch Betriebsrenten oder andere Einnahmen ergänzt
werden. Pensionisten, die auch aus anderen Staaten Pensionszahlungen
beziehen, wurden von dieser Statistik nicht erfaßt.

Aber auch andere Zahlen zeigen die sozialen Unterschiede: Von den Deutschen
ab 65 Jahren gelten 12,5 Prozent als armutsgefährdet. Das heißt nach
gängiger wissenschaftlicher Definition, ihr Einkommen liegt bei weniger als
60 Prozent des mittleren bedarfsgewichteten Einkommens. Unter Gastarbeitern
im Rentenalter sind dagegen 41,8 Prozent von Armut bedroht, bei
türkischstämmigen Migranten sogar 54,7 Prozent.

Eine Auswertung für das größte westdeutsche Bundesland Nordrhein-Westfalen
zeigt, dass die Probleme sich in diesem Bundesland konzentrieren: Von den
ehemaligen Gastarbeitern in NRW haben 46,9 Prozent ein Einkommen unterhalb
der 60-Prozent-Schwelle, unter den Türken sind es sogar 59,7 Prozent. "Die
Zahlen demonstrieren, dass ein scharfer industrieller Strukturwandel, wie
ihn Nordrhein-Westfalen durchmachen musste, die Beschäftigten aus dem
Ausland besonders hart getroffen hat", erklärt WSI-Forscher Eric Seils.

Merkliche Unterschiede zwischen Einheimischen und Zuwanderern haben die
Wissenschaftler auch bei der Wohnsituation festgestellt. Zwar hat sich ihre
Lage in Laufe der Jahrzehnte deutlich verbessert, dennoch leben sie im
Durchschnitt nach wie vor unter schlechteren Bedingungen als Deutsche. Sie
verfügen wesentlich seltener über Wohneigentum und müssen, weil sie meist in
westdeutschen Ballungsgebieten wohnen, überdurchschnittliche Mieten zahlen.
"Die bei uns verbliebenen ehemaligen Gastarbeiter leben heute besser als zur
Zeit der Anwerbung. Gesellschaftlich sind aber viele ganz unten geblieben",
urteilt Seils.

(Aussendung Hans-Böckler-Stiftung / bearb.)

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Quelle und Link zur Studie: http://www.boeckler.de/45167_50874.htm



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