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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 17. September 2014; 04:00
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Krieg und Frieden / Ö / Debatte:

> Wursteln gegen den Dschihad

Die österreichische Bundesregierung hat unter der Führung der ÖVP ihr nicht
allzu großes Gehirn angeworfen und ein "Maßnamenpaket gegen IS-Terror und
andere Organisationen" vorgestellt. Das sieht so aus, wie man es von
konservativen Politikerinnen erwarten darf: Der Verhetzungsparagraf soll
verschärft werden und schon dann greifen, wenn vor weniger als 150 Menschen
gehetzt wird, allerlei Fahnen und Symbole sollen verboten werden, die
Polizei kriegt mehr Geld und Befugnisse und Jugendliche sollen nicht mehr
ohne schriftliche Erlaubnis eines Erziehungsberechtigten ausreisen dürfen.
Weniger Freiheit und mehr Polizeistaat ist alles, was ihnen einfällt, was
ihnen einfallen kann, denn echte Antworten haben sie nicht, dürfen sie nicht
haben, da diese wohl der eigenen Ideologie widersprächen.

Verbote und Drohungen werden keinen jungen Menschen davon abhalten, den
Dschihad toll zu finden, wenn der ihm etwas bietet, das die westlichen
Gesellschaften ihm nicht bieten wollen, die Perspektive auf eine echte
Veränderung nämlich und auf einen Sinn im Leben. Wer bestenfalls darauf
hoffen darf, durch viel (Aus)Bildung und artiges Wohlverhalten einen Job als
Manager einer Burgerbude, Versicherungsverkäufer oder PR-Schreihals zu
kriegen, meist aber eine Karriere als Putzfrau, Handyzusammenbauer und
Taxifahrer vor sich hat, der kriegt große Ohren, wenn ihm einer was vorredet
von einer ganz anderen Welt, vom Umsturz aller Dinge und von einem Leben in
Harmonie mit dem lieben Gott. Außer radikalen Islamisten hat ja keiner mehr
etwas Vergleichbares im Angebot, es ist ja alles nur mehr ein
weltanschaulicher Ramschladen, in dem ein Produkt dem anderen gleicht.
Konservative, Sozialdemokraten, Grüne, bürgerliche Rechte und Liberale - sie
alle vertreten die Alternativlosigkeit dieser Realität. Außer winzigen
linken und rechten Sekten sind sich alle darin einig, dass es nun mal die
natürliche Ordnung der Dinge sei, dass die einen immer reicher und die
anderen immer ärmer werden müssen, dass es keinen Sinn im Leben gibt, außer
Geld zu verdienen und sich jedes Jahr ein neues Smartphone zu leisten. Wenn
in so einer Realität einer kommt und Sinn verkauft, hat er bald viele
Kunden.

Die bürgerlich-liberalen Parteien setzen alle aufs Weiterwursteln. Keine
großen Würfe sind geplant, keine Perspektiven, keine anderen Angebote außer
vielleicht noch drei Abendkurse und zwei halbärschige Bildungsreformen. Sie
haben keine Antworten auf die Krise der Ökonomie und der Gesellschaft.
Alles, was ihnen noch einfällt, ist, Gefängnisse zu bauen und die
Strafgesetze zu verschärfen und auszuweiten. Ähnliches hatten wir schon
einmal, im Europa der späten 20er und frühen 30er Jahre des 20.
Jahrhunderts. Als eine Wirtschaftskrise die Leben von Millionen zerstörte,
tat man in Europa nichts und setzte auf eine rigide Austeritätspolitik. In
den USA kam der New Deal, ein gewaltiges Programm zur Förderung von
Nachfrage und der sozialen Sicherheit. Europa wurde faschistisch, die USA
nicht. Heute sehen wir Vergleichbares. Statt die Lebensbedinungen zu
verbessern und den Menschen vor allem eine Perspektive und einen Sinn zu
geben, wird "gespart". Man verschärft Gesetze aus Angst vor der Radikalität,
deren Attraktivität man selber mit zu verantworten hat.
(Bernhard Torsch auf Der Lindwurm)

http://lindwurm.wordpress.com/2014/09/15/wursteln-gegen-den-dschihad/


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> Müssen mühsamen Weg gehen

Die FURCHE vom 11.September (also "nine eleven") wies aus aktuellen Anlässen
darauf hin, dass es außer der rechtsstaatlich und menschenrechtlich sehr
bedenklichen, polizeistaatlichen Art, in der nun viele Länder gegen ISIS &
Co vorgehen und vorgehen wollen, und "radikalen"Abschiebungen (tolle Idee,
Fanatiker genau dort hinzuschicken,wo sie wieder Unheil anrichten können)
noch eine dritte Möglichkeit gäbe: In Österreich wie in Deutschland gibt es
längst Möglichkeiten, Rechtsextreme zu "resozialisieren", insbesondere durch
spezielle Kurse,die ihnen angeboten werden,und die Rückfallquote danach ist
sehr gering. Der Unterschied ist,dass dies in Österreich rein bei
zivilgesellschaftlichen Einrichtungen geschieht,während dies in Deutschland
staatlich gezielt gefördert wird.

Analog wäre dies lt. FURCHE bei "fundamentalistischen"Moslems möglich; so
bietet etwa eine Moscheengemeinschaft in Kanada ein "Zwölf-Punkte-Programm"
für Extremisten an, mit Kursinhalten wie "Verbindungen von Judentum,
Christentum und Islam" u.dgl. Wie ein Experte zurecht meint: "Man muss den
mühsamen, konsequenten Weg der Wissensvermittlung gehen. Mit Verboten
schafft man die Ideologie nicht aus der Welt."
*Gerhard Lehner*




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