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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 17. September 2014; 04:09
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Krieg und Frieden / Oe / Debatte:

> Dankenswerter Eiertanz

Zur Reaktion von Th. Geldmacher zum Thema Deserteursdenkmal in dieser
Ausgabe.
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Das Personenkomitee hat es nicht leicht -- inhaltlich soll es die
Wehrmachts-Deserteure ehren, muß aber penibel darauf achten, daß Desertion
an sich nicht belobigt wird. Auch sollte nicht so deutlich daran erinnert
werden, wie nach dem Krieg mit den überlebenden Deserteuren umgegangen
worden ist. Es soll ein Denkmal der Republik Österreich sein und keines, daß
das Militär in Frage stellt. Denn ansonsten hätte man den Bundespräsidenten,
die ÖVP und die Rathaus-SPÖ verschreckt und es wäre niemals zu einem solchen
Denkmal gekommen. Andererseits muß man sich auch ständig darum bemühen, daß
dieses Denkmal ideologisch nicht völlig von einem patriotischen
Staatsantifaschismus überwuchert wird.

Dieser Eiertanz ist sicher keine leichte Aufgabe und ich möchte mich, trotz
aller Differenz, beim Komitee für diese Sysiphus-Aufgabe bedanken. Und ich
bedanke mich auch dafür, jetzt eine so ausführliche Reaktion bekommen zu
haben. Allerdings war mein Artikel auch als Provokation gemeint, als
Aufforderung, vom Komitee einmal eine klare Stellungnahme zur Kritik an
dessen Konfliktvermeidung zu bekommen.

Ich verstehe auch, warum man aus dem Text auf der Tafel ein Geheimnis macht,
denn dieser wird wohl sicher nicht allen Interessierten genehm sein. Eine
Vorab-Veröffentlichung könnte wohl diese Tafel oder die Enthüllung des
Denkmals in offiziellem Rahmen gefährden. Ich frage mich aber, ob der
Bundespräsident auch nicht wissen wird, was auf der Tafel steht, bevor er
das Denkmal enthüllt. Nunja, man darf auf den Text gespannt sein.

Im Einzelnen möchte ich aber noch auf ein paar Punkte der Stellungnahme
eingehen:

Erstens: Das Ministerium vulgo das Bundesheer mag das Denkmal nicht -- es
wäre auch komisch, wäre es anders. Daß der damalige Minister einen
Ehrenschutz über eine Deserteursausstellung übernommen hat, spricht für ihn.
Allerdings hat der ehemalige Zivildiener Darabos es nie geschafft, daß ihn
seine Beamten auch respektieren. Ministerien werden oft genug nicht vom
formalen Chef geleitet, aber in diesem Fall waren das Ministeramt und das
Ministerium zwei völlig unterschiedliche Dinge.

Zweitens: Der Versuch am 26.Oktober 2012 die Kundgebung am Ballhausplatz
abzuhalten, war vielleicht von Thomas Geldmacher nicht als ernsthaft
angesehen worden. Allerdings liegt der Redaktion eine eMail vor, daß andere
im Komitee sehr wohl dort demonstrieren wollten, sich aber vom Bundesheer
verscheuchen liessen. Aber egal, es kommt darauf an, daß der angebliche
Platzbedarf des Bundesheeres eine Frechheit ist, der man widersprechen muß.

Drittens: Es ist keine hübsche Pointe, daß das Bundesheer das Denkmal
zuparken wird, sondern eine Entwertung des Denkmals. Das sowieso eher
unscheinbare Monument wird versteckt hinter Bundesheer-LKWs. Damit ist der
Zweck erfüllt, das militaristische Spektakel am Nationalfeiertag nur ja
nicht von irgendwelchen Mißtönen trüben zu lassen.

Viertens: Ein Bundespräsident macht noch keine Öffentlichkeit. Und ein
staatstragender ORF-Bericht über eine solche Enthüllung ohne kritische
Stimmen firmiert bei mir immer noch unter "in aller Stille". Nochmal: Warum
steht auf der Homepage des Personenkomitees immer noch keine Einladung und
warum findet die Enthüllung zu einem Zeitpunkt statt, wo kaum jemand Zeit
hat?

Fünftens: Mit dem Neutralitätsgesetz hat das Denkmal -- außer der indirekten
Verknüpfung über den Zweiten Weltkrieg und der daraus resultierenden
Besatzungszeit -- tatsächlich wenig zu tun. Allerdings ist es eben weniger
ein Neutralitätsfeiertag, sondern ein Nationalfeiertag; in vielen Ländern
präsentiert sich am jeweiligen Nationalfeiertag das Militär in Paraden und
Leistungsschauen. Der Heldenplatz ist an diesem Tag ein einziger Feiertag
von Nationalismus und Militarismus, also protofaschistischer Ideologien.
Genau deswegen aber müßte das Gedenken an die Deserteure dazu einen
Kontrapunkt darstellen -- und zwar sowohl aus Gründen des Antimilitarismus
als auch des Antifaschismus. Immerhin hatte das österreichische Bundesheer
seit seinem Entstehen aus der k.u.k.-Armee nur einen einzigen echten
Kampfeinsatz, nämlich den von 1934.

Zuletzt: Meine Befürchtung, daß dieses Denkmal patriotisch verbrämt wird,
ist weniger im Verhalten des Personenkomitees sondern in der Tatsache
begründet, daß Desertion nur deswegen hier hochoffiziell geehrt werden kann,
weil es in diesem Fall möglich ist, sie auf einen Akt gegen das NS-Regime
und die deutsche Wehrmacht zu reduzieren. Denn daß ein antimilitaristisches
Denkmal vom formalen Oberbefehlshaber des Bundesheeres eröffnet wird, wäre
ja ein wenig widersinnig.

Es war eine der Aufgaben des Personenkomitees, dieses Denkmal gegen alle
Widerstände durchzusetzen. Und das dürfte dem Komitee nun auch gelungen
sein. Dazu kann man nur gratulieren. Aufgabe einer antimilitaristischen
Öffentlichkeit ist es aber, dieses Denkmal mit Sinn zu erfüllen.
*Bernhard Redl*



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