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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 9. September 2014; 23:53
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Griechenland/Interview:

> "Zu uns kommen Frauen, die nichts zu essen haben"

Ein Interview mit einer Feministin aus Saloniki.

Auf dem Europäischen Forum, das vom 20. bis zum 24. August 2014 in Assisi
stattfand, hatte Gegeninformationsinitiative Aug und Ohr Gelegenheit, mit
Athanasia Pliakogianni zu sprechen, einer Aktivistin des Frauenzentrums in
Thessaloniki und darüber hinaus Mitglied der Anti-Euro-Partei Plan B, die
2013 von Alekos Alavanos, dem ehemaligen Vorsitzenden des Synaspismos,
gegründet wurde -- ein Versuch, ein Bild über die Ziele und Schwierigkeiten
dieses Projekts und seine Einbettung in die Vielfalt der Bewegungen und
politischen Kräfte zu zeichnen.
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Aug und Ohr: Worin bestehen im konkreten eure Aktivitäten?

Athanasia Pliakogianni: Wir helfen armen Frauen. Einzelne Mitglieder und
einzelne Aktivisten, die für ihre Familien einkaufen, kaufen immer auch ein
bißchen mehr ein für dieses Projekt. Außerdem bringen Frauen auch ihre
gebrauchten Kleider; dazu kommen Posten wie Papier, Waschmittel, Putzmittel,
die sich die Frauen nicht leisten können, das heißt: Frauen oder Familien,
die ganz wenig Geld haben oder überhaupt kein Einkommen haben. Wir
unterstützen besonders auch alte Leute und wir haben kein Problem damit,
Männern zu helfen, denn wir sehen unser Projekt als ein Projekt von
Solidarität an sich.

AuO: Woher kommen die Aktivistinnen?

A.P.: Bei uns sind Feministinnen, Angehörige von linken Organisationen,
Arbeitslose, Frauen aus allen Teilen der Bevölkerung, durchaus nicht bloß
Feministinnen, sondern Frauen, die verstanden haben, daß sie in dieser Krise
sich für andere einsetzen müssen.

AuO: Habt ihr Kontakt zu ähnlichen Organisationen in Saloniki?

A.P.: Was unabhängige Frauenorganisationen betrifft, so gibt es in Saloniki
keine weiteren, aber wir arbeiten mit verschiedenen anderen Initiativen
zusammen, die in Saloniki entstanden sind, etwa mit Anwohnerkomitees
(epitropés katíkon), mit der Antirassistischen Initiative Saloniki oder mit
der Bewegung gegen die Privatisierung des Wassers Sóste to Neró (Rettet das
Wasser), wir haben Leuten geholfen, denen der Strom abgesperrt wurde, haben
an Demonstrationen gegen die Elektrizitätswerke teilgenommen und wir haben
die kämpfende Bevölkerung in Chalkidikí unterstützt, die sich gegen den
Goldabbau einsetzt. Wir haben auch die Streiks der letzten Zeit unterstützt.
Wir waren beim Generalstreik, wir waren beim Antirassistischen Festival hier
in Saloniki, hier waren mehr oder minder dieselben Organisationen wie beim
Antirassistischen Festival in Athen.

AuO: Alle diese Organisationen haben ja mit jeweils spezifischen Thematiken
zu tun, auf welche Weise unterstützt ihr sie?

A.P.: Wir nehmen direkt an ihrer Aktionen und Mobilisierungen teil, und
natürlich nicht nur, um unsere eigenen Anliegen zu propagieren; aber in
Griechenland gibt es nicht sehr viele feministische Initiativen.

AuO: Ist das immer so gewesen?

A.P.: Ja. Es gab wohl einige, aber sie waren sehr wenige.

AuO: Ist euer Ziel auch, das gesellschaftliche System zu verändern?

A.P.: Bei einigen ist das Konzept da, andere kommen schlicht und einfach, um
zu helfen. Unsere Hauptaufgabe ist Solidarität und der Einsatz für die
Anliegen der Frauen.

AuO: Gibt es politische Organisationen, die euch nahestehen oder die euch
geholfen haben?

A.P.: Hinter der Gründung dieses Projekts steht keine andere Organisation
als wir selbst! Einzelne Frauen sind aber Teil von politischen
Organisationen, ich zum Beispiel bin bei Plan B, es gibt Frauen von Syriza,
von Antarsya und Frauen, die bei keiner Organisation sind.

AuO: Haben euch Frauen aus dem Ausland besucht?

A.P.: Ja, es existieren bereits Kontakte. Im Herbst findet in Saloniki ein
Treffen mit Frauen aus Balkanländern und der Türkei statt. Der Termin steht
noch nicht fest.

AuO: Habt ihr auch die Funktion eines Frauenhauses?

A.P.: Ein Frauenhaus, in dem Frauen geschützt werden können, haben wir schon
anvisiert, aber derzeit bestehen noch keine finanziellen Möglichkeiten
dafür. Für solche Fälle haben wir bisher mit kommunalen Organisationen
zusammengebarbeitet und mit NGOs, die eigene Unterkünfte haben. In erstere
Linie kommen zu uns nicht Frauen, die mißhandelt werden, sondern solche, die
ihre Miete nicht mehr zahlen können, die obdachlos sind und die hungrig
sind. In Europa ist der Feminismus sehr rigide. Die Sozialistische Jugend
aus Österreich hat uns besucht, sie haben gefragt: Wie ist es mit den
Schwulen- und Lesbenrechten?
Zu uns kommen Frauen, die nichts zu essen haben, und daher ist für uns
dieses Problem nicht prioritär.
Wir helfen EmigrantInnen, die enorme Probleme haben. Wir haben eine Frau mit
einem Baby, die jede Woche kommt, um was für ihr Kind zu essen zu bekommen.
Und auch wenn wir in jeder Stadt ein Heim, eine Unterkunft einrichten
würden, so würde dies nie hinreichen, um alle Probleme in Griechenland zu
bewältigen.
(gek.)

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Veranstaltungstip: Mo, 22.9., 19h, Amerlinghaus, Stiftgasse 8, 1070 /
Galerie: GRIECHENLAND: "SPAR"-POLITIK UND WIDERSTAND AM BEISPIEL DER
PUTZFRAUEN (Griechenland ist in Europa das zentrale Exerzierfeld für
neoliberale "Spar"politik. Griechenland ist aber auch ein Laboratorium für
Widerstand. Besonders energisch und phantasievoll ist der der gekündigten
Putzfrauen. Über ihn und die Möglichkeiten der internationalen Solidarität
wollen wir mit unserer Veranstaltung informieren. (Komitee "Solidarität mit
dem Widerstand in Griechenland")



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