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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 30. Juli 2014; 04:55
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Glosse:

> Immer auf der Seite der Guten

Warnhinweis: Nachfolgender Text enthält sehr viele Trigger-Wörter.
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Die Linke hat ein Problem: Sie fühlt sich immer bemüßigt, Partei zu
ergreifen. Und zwar tut sie das -- mangels ausreichenden eigenen
Informations- und Analysepotentials -- entlang der von der Berichterstattung
vorgegebenen Konfliktlinien. Sehr schön -- oder besser sehr grauslisch --
stellt sich das gerade bei den Konflikten in der Ukraine und in Palästina
dar. Die Linke muß immer empört sein über irgendwen und tappt in die Falle:
Sie glaubt, sich entscheiden zu müssen zwischen den Interessen der USA und
der EU einerseits und denen Rußlands andererseits; oder zwischen den
Interessen rechtsextremer jüdischer Siedler und einer gotteskriegerischen
Hamas. Ergebnis: Eine Seite sind die Guten und die anderen die Faschisten.
Und aus Gründen des konsequenten Antifaschismus muß man dann mit aller zur
Verfügung stehenden Verve diese jeweiligen Faschisten bekämpfen.

"Er tobt, der Krieg. Weit unten in Nahost wird er mit Katjuschas und mit
Kampfbombern ausgetragen, hierzulande mittels Presseerklärung, Leitartikel
oder in hitzigen Kneipentischstreitereien. Es ist gar nicht so leicht, einen
Begriff von den Meinungsfronten, der Debattengefechtslage zu gewinnen.
Schließlich haben viele der Haltungen, die da geäußert werden, ja etwas für
sich, erscheinen wohlerwogen und oft auch von Sachkunde geprägt. Aber doch
steigt einem oft ganz schnell ein besonderer Hautgout in die Nase: der
Geruch vorgefasster Meinungen, der Geschmack des Vorurteils, erstarrt in
Meinungsgemeinschaften, die jeden Konflikt nur mehr als Folie für das
behandeln, was sie ohnehin schon zu wissen glauben." Klingt wie ein
aktueller Kommentar, ist aber eine taz-Glosse von Robert Misik zur Debatte
über den Libanonkrieg 2006. Neu sind die Frontenbildungen gerade bei den
Nahost-Konflikten nicht. Und auch über jenes Gebiet, das früher einmal die
Sowjetunion war, wurde zu Zeiten des Kalten Krieges schon viel auf diese
Weise diskutiert. Je weniger Schwarzweiß-Denken in politischen
Auseinandersetzungen angebracht ist, desto heftiger wird es betrieben. Der
Böse muß einfach gefunden und markiert werden. Das gilt auch für den ganz
normalen Stammtisch, aber gerade engagierte Linke sind besonders gefährdet,
hier sich für eine der medial vorgegebenen Seiten zu entscheiden. Denn man
muß ja zu allem eine eindeutige Meinung haben. Which side are you on?

Querfronten

Was sich da aber dann nicht vermeiden läßt, ist eine seltsame
Koalitionsbildung: Ukrainische Nazis, Teile der ukrainischen Linken und die
EU-Grünen unterstützten die selbe (gerade eben zurückgetretene) Kiewer
Regierung, während viele explizite Linke hier und in der Ukraine sich
gemeinsam mit russischen Nationalisten, sozialdemokratischen Managern und
der FPÖ unter "Putin-Verstehern" subsummiert wiederfinden.

Im Gaza-Konflikt das gleiche Bild. Isolde Charim schrieb jüngst in der
Wiener Zeitung: "Die selbe Unversöhnlichkeit wie vor Ort erfasst auch
europäische Israelverteidiger und -- vor allem -- die sonderbare
'Querfront',
die abstruse Allianz von Linken, Rechten und Muslimen unter dem Banner des
'Antizionismus'". Stimmt. Nur die andere Seite ist genauso querfrontlich
unterwegs. Unter den kompromißlosen "Israelverteidigern" finden sich Teile
der hiesigen Grünen, viele Linke, die Antideutschen und auch die
FPÖ-Führung. Ja, Letzteres will man nicht so recht glauben -- und die
FPÖ-Basis hat den Schwenk noch nicht ganz mitvollzogen --, aber wenn
Generalsekretär Kickl per Aussendung titelt: "Anti-Israelische Demos dürfen
in Wien nicht genehmigt werden", dann ist klar, daß die Strache-FPÖ mit der
israelischen Rechten sympathisiert; genauso wie einst die Haider-FPÖ beste
Kontakte zu muslimisch-autokratischen Systemen pflegte.

Was bedeuten solche seltsamen Querfronten? Nun, Linke müßten sich einmal
überlegen, was da nicht stimmt, wenn sie mit ganz seltsamen Figuren jeweils
in einem Boot sitzen. Aber nein, die meisten sehen diese machtinteressierten
Figuren immer nur in den Koalitionen der jeweiligen Gegenseite und werfen
sie ihr vor. Es stimmt schon: Bisweilen liegt man auch dann richtig, wenn
Nationalisten und Kapitalisten oberflächlich betrachtet das Gleiche fordern.
Man kann sich nicht ständig seine Meinung durch die Gefahr des Applauses von
der falschen Seite diktieren lassen. Aber nachdenklich müßte man doch
darüber werden. Geht es in der Ukraine darum, daß Putin Schwule verfolgt
oder um den Schutz der russischen Sprache oder vielleicht doch um
Industriegebiete und Militärstützpunkte? Geht es in Palästina um die
Vermeidung eines neuen Holocausts oder um Islamophobie oder vielleicht doch
um den Zugang zu Wasser und Boden? Hat diese Linke vergessen, daß die
Philosophie vom Kopf auf die Füße gestellt werden muß? Sind Diamat und
Histomat längst verräumt? Und verschwindet hinter all dem postmodernen
Idealismus und Solidar-Nationalismus die Universalität der Menschenrechte,
die alle in Süd und Nord, in Ost und West umfassen sollte?

Die jeweiligen Toten in den Konflikten sind nur interessant, wenn es die der
jeweils "eigenen" Seite sind; sie interessieren nur insofern, als daß sie
als Argument gegen die andere Seite verwendet werden können. Das Sterben an
sich, das Sterben von Menschen, die zumeist selbst keinerlei Machtinteressen
verfolgen, sondern einfach nur in Ruhe und in einem Frieden leben wollen,
der mehr als nur die Abwesenheit von Krieg ist, interessiert nicht wirklich.

Der Dirigent Daniel Barenboim besitzt einen palästinensischen und einen
israelischen Paß: Er schrieb jüngst zum Nahostkonflikt: "Als Allererstes
muss gemeinsam beschlossen, muss eine Einigung darüber erzielt werden, dass
es keine militärische Lösung gibt. Erst dann kann man anfangen, zum einen
über die Gerechtigkeit für die Palästinenser zu diskutieren, die längst
überfällig ist, und zum anderen über die Sicherheit Israels, welche die
Israelis mit Recht einfordern. Wir Palästinenser haben das Gefühl, dass wir
endlich eine gerechte Lösung bekommen müssen. Im Tiefsten streben wir nach
Gerechtigkeit, nach den Rechten, die jedem Volk dieser Erde zustehen:
Autonomie, Selbstbestimmung, Freiheit und alles, was damit einhergeht. Wir
Israelis brauchen die Anerkennung unseres Rechts, auf demselben Stück Land
zu leben."

Muß man erst beide Pässe der militärischen Streitparteien besitzen, um so
denken zu können? Anders gefragt: Können Linke hier in Österreich, wo sie
selbst nicht unmittelbar Bedrohte in diesen Konflikten sind, nicht mit etwas
mehr Abstand an diese Fragen herangehen? Oder ist es gerade dieser Abstand,
daß man nicht begreifen will, daß die relevanten Diskussionsansätze nicht
dort zu suchen sind, wo die diversen Presse-, Staats- und Religionsvertreter
sie verortet sehen wollen?

Wenn die Bürgerlichen und die extreme Rechte politische Diskurse so führen
möchte, wie sie mit großem Trara halt leider geführt werden, dann ist das
kein Wunder -- schließlich ist das deren Weltsicht. Aber die Linke muß nun
wirklich nicht irgendwelche Präsidenten, Regierungschefs, Oligarchen,
Generaldirektoren und Generäle verbal unterstützen. Unsere Solidarität
sollte deren Opfern, den linken und den Friedensaktivisten und den
Deserteuren weltweit gelten -- auch wenn die halt nicht so oft in den
Schlagzeilen vorkommen.
*Bernhard Redl*




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