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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 30. Juli 2014; 04:39
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Kultur:

> Puber-Prozeß: Wem gehört die graue Wand?

Wenn man dieser Tage durch Wiens Straßen geht, fällt auf, daß neben den
Klassikern zwei Botschaften an Graffiti am häufigsten vorkommen. Das ist
"Puber" und "Free Josef". Puber saß wegen der Graffiti, die anderen
Graffiti wurden aus Solidarität mit Josef S. gesprayt, der wegen etwas
anderem einsaß. Auch Renato S., der "Puber"-Sprayer, wurde letzte Woche
verurteilt. Über die gesellschaftliche Bedeutung solcher Pubereien und den
Machtkampf im öffentlichen Raum sprachen wir mit dem Soziologen und
Graffiti-Forscher *Thomas Northoff*.
*

akin: Du hast mir Graffiti gezeigt, auf denen stand "Free Puber" und dann
dazugemalt "and Josef". Sind die Puber-Tags vielleicht doch politisch?

Thomas Northoff: Also ich halte die Puber-Tags überhaupt nicht für
politisch -- außer wenn man politisch analysieren wollte, wieso in einer
Gesellschaft ein Mensch sich so wichtig machen muß auf diese Art und Weise -
wie es aber eh auch viele andere machen.

akin: Wenn es nicht politisch ist, warum sprayt dann jemand "Free Puber"?

T.N.: Ich glaube, das wird einem gesellschaftlichen Sinn machtpolitisch
gesehen: Weil eben da jemand was hingeschrieben hat, wo er nicht zahlt
dafür. Weil wenn jemand was zahlt dafür, dann kann er jeden Scheißdreck an
jede Wand schreiben.
Aber man sieht an den "Free Puber" auch, daß das Wörter sind, die dann in
Mode kommen in Regionen, wo nicht soviel Graffiti sind. Ich hab das sogar in
Korneuburg gesehen. Manche Leute müssen sich mit Puber gar nicht so
vertragen, aber die sind prinzipiell der Meinung, daß niemand für Tags in
Häfn geht.
Der Puber hat das ja bis zum Exzeß gemacht und es ist witzig, wenn da von
260 Tags die Rede ist und er vielleicht nur 20 zugibt. Aber er hat eh recht,
sonst kriegt er eine ungebührliche Strafe. Aber der hat wohl irrsinnig viele
Tags geschrieben, tausend wäre da gar keine große Zahl.

akin: Vielleicht ist das eine Schutzbehauptung, daß er sagte, daß viele
dieser Tags gar nicht von ihm seien. Aber er hat es aber schon seit längerem
mit seiner Penetranz zu einer gewissen Popularität geschafft. Ist es
denkbar, daß es da massiv viele Nachahmer gibt?

T.N.: Daß das massiv viele Leute sind, die ihm da nacheifern, glaub ich eher
nicht. Ich nehme schon an, daß es das vereinzelt gegeben hat, aber nicht
massiv. Schreib irgendwas irgendwo hin und irgendwann wirst sehen, du
findest es in einer anderen Handschrift. Aber ich glaube, ich habe bei
meinen Beobachtungen kein Graffito gesehen, das eindeutig eine andere
Schrift gewesen wäre.
Also das war schon eine ziemliche Leistung, die der vollbracht hat... Es
gibt doch diesen Begriff "It-Girl". Ich glaub, der ist ein manisches
getriebenes It-Girl der Graffiti. Weil: Das ist ja keine Kunst. Und das
behauptet er ja auch gar nicht.

akin: Andere Leute haben viel Geld, um etwas wohin schreiben zu können. Wenn
einer so massiv überall hintagt, dann stellt er sich doch auch in Konkurrenz
zu z.B. Coca Cola oder IKEA oder sonst einer Marke. Das ist doch eine Art
Herausforderung. Damit ist das doch schon politisch?

T.N.: Ja schon, und auch eine gewisse selbst gegebene Mächtigkeit und die
ist ja auch nicht unverständlich. Der öffentliche Raum unterliegt ja nur
mehr der Durchgängerschaft oder dem Halten, um etwas zu konsumieren. Viel
mehr Möglichkeiten hat man da ja nicht...
In meinen Augen gibt es dieses völlige Besitzerrecht einer grauen Außenmauer
durch eine Person nicht -- ich weiß aber auch nicht, wie man das handhaben
sollte. Weil ja ansonsten schreiben alle Leute irgendwas hin und die sind in
Konkurrenz und es wäre eine Inflation und die Stadt würde wie eine
Grottenbahn ausschauen. Stell dir vor, ganz Wien wäre voller
Hundertwasserhäuser...
Und dann wäre auch für "meine" Graffiti, also die Textgraffiti, mit denen
ich mich beschäftige, kein Platz mehr. Und die Tagger scheißen sich gar nix,
ob da gerade eine wichtige politische Parole steht. Aber das "Josef ausn
Häfn!" hab ich noch nirgends überzeichnet gefunden. Ich glaube das wird
akzeptiert, wegen der Parallele in zwei verschiedenen Denkarten, wo es aber
um Freiheit geht. Die Tagger haben da eine gewisse Intuiton.

akin: Das eine ist die Reizüberflutung, das andere sind die grauen Wände.
Bei mir zuhause ums Eck steht an der Wand: "Weiße Wände = Hohe Mieten". Wie
glaubst du, soll eine Gesellschaft mit Graffiti umgehen?

T.N.: Schwierige Frage. Die Gesellschaft müßte das eigentlich gleichmütig
nehmen wie es ist, sollte bei bestimmten Botschaften aufmerken, ob die sich
vermehren... Ich hab das von Dir zitierte Graffito auch gesehen hinterm
Westbahnhof. Dann haben die die Gegend teilweise gentrifiziert, und kaum
sind die neuen Häuser gestanden, war da auch schon wieder zu lesen: "Saubere
Wände, hohe Mieten". Wenn man das dann vielleicht nicht schön findet, aber
vielleicht lachen muß, dann finde ich das sehr okay.

akin: Der klassische Vorläufer des Herrn Puber, der Kyselak, gilt heute als
kulturelle Innovation. Wenn man in hundert Jahren irgendwo noch einen
"Puber" findet, würde man den dann vielleicht restaurieren, wie heute einen
"Kyselak"?

T.N.: Kann ich mir nicht vorstellen. Dazu gibts zuviele. Der Kyselak war
eine singuläre Erscheinung. Wenn diese Geschichte nicht erfunden ist, wollte
der Kyselak eine Frau heiraten, deren Vater das aber nicht erlaubt hat, weil
der Kyselak nie viel verdienen hätte können. Und der wollte, daß sie ihm
nicht entkommt, weil sie überall Kyselak liest. Das ist halt eine der
Überlieferungen...

akin: Danke für das Interview!

-br-

Radiofassung: http://cba.fro.at/265283



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