**********************************************************
akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 25. Juni 2014; 15:06
**********************************************************
Lateinamerika:
> Widerstand gegen Kohlenstoff-Cowboys
Wie das Weltklima retten und gleichzeitig die Wälder im globalen Süden
schützen? Die Staatengemeinschaft diskutiert auf ihren jährlichen
Weltklimakonferenzen über einen scheinbar eleganten Mechanismus: REDD+
(Reducing Emissions from Deforestation and Degradation). Doch vor allem
indigene Gemeinschaften, die theoretisch Nutznießerinnen von REDD+ sein
könnten, sehen den Mechanismus mit größter Sorge! REDD-plus bezieht sich auf
die "Reduktion von Emissionen aus Entwaldung und zerstörerischer Waldnutzung
in Entwicklungsländern, und die Rolle der Erhaltung und nachhaltigen
Bewirtschaftung der Wälder, sowie die Verbesserung der
Waldkohlenstoffvorräte in Entwicklungsländern". In der Theorie soll über
REDD+ an Länder des Südens Geld fließen, dafür dass sie ihre Wälder schützen
oder wieder aufforsten. Doch viele Fragen bleiben, wie dieser Mechanismus in
die Praxis umgesetzt werden soll.
Es beginnt mit Diskussionen, wie "Wald" überhaupt definiert werden soll? Die
Klimarahmenkonvention von 2001 reduziert den Waldbegriff auf eine Fläche mit
mindestens zwei bis fünf Meter hohen Pflanzen. Diese Definition macht keinen
Unterschied zwischen natürlichen Wäldern und etwa Plantagen. Wenn man aber
"Wald" nicht als komplexes Ökosystem und Lebensraum für Menschen definiert,
dann, haben UnternehmerInnen die Handhabe, im industriellen Maßstab Palmöl-
oder Bananen-Monokulturen zu gründen - und diese als klimafreundlichen Wald
auszuweisen. Bestehende Wälder und ihre BewohnerInnen werde Redd+ zu
Objekten der Ausdehnung des grünen Kapitalismus machen, von
umweltschädlichen Unternehmen und von Marktspekulanten.
"REDD+ führt zu Zwangsräumungen"
Indigene Völker müssten eigentlich wichtige Akteure in REDD+ sein, weil sie
oft innerhalb von Waldgebieten leben und ihr Leben auf der Nutzung der
Waldressourcen basiert. Doch schon 2007 formulierte das Internationale Forum
Indigener Völker zum Klimawandel explizite Kritik. REDD+ werde indigenen
Völkern nicht zugute kommen, sondern werde ihre Rechte noch mehr verletzen:
"REDD wird zu zu Zwangsräumungen und zum zunehmenden Raub an unserem Land
und unseren Ressourcen führen, wird unsere biologische und die kulturelle
Vielfalt zerstören und zu sozialen Konflikten führen. Unter REDD+ werden
Staaten und Kohlenstoff-Händler Kontrolle über unsere Wälder erlangen."
Auch in Costa Rica wird der Widerstand größer. Mariana Porras von der
Umweltorganisation COECOCeiba erläutert, warum gerade für indigene
Gemeinschaften REDD+ eher eine Bedrohung, als eine Perspektive darstellt:
"Die Gemeinschaften, in denen solche Verträge unterzeichnet werden oder die
glauben, von Projekten im Rahmen von REDD einen Nutzen zu haben, die müssen
wissen, dass Ihr Wald Gegenstand eines Vertrags wird. Und das bedeutet, dass
die Nutzung des Waldes auch für die Gemeinden eingeschränkt wird." REDD sehe
den Wald nur als Kohlenstoffspeicher, dabei werde ignoriert, dass Wald vor
allem auch ein Ort von biologischer Vielfalt und mit kulturellen und
spirituellen Beziehungen sei.
Außerdem, so Marina Porras, verstärke REDD+ den Vertreibungsdruck auf die
BewohnerInnen von Waldgebieten: "In der Region Montes Azules, wo der
mexikanische Staat Waldflächen für den Emissionshandel ausweisen will, um so
im REDD-Prozess Geld zu verdienen, dort will der Staat die Bewohner
loswerden. Die Indigenen Völker sind im Fokus, weil sie eben in Gegenden
leben, wo noch viel Wald ist. REDD hört sich schön an, es ist aber keine
Lösung für den Klimawandel und noch viel weniger für die indigenen Völker
auf der Welt."
Unternehmer beuten den Wald aus
So genannte "Kohlenstoff-Cowboys" -- skrupellose UnternehmerInnen, die
Rechte an Kohlenstoff im Regenwald zu erwerben versuchen - haben indigene
Gemeinschaften bei der Geschäftemacherei im Rahmen von REDD seit langem im
Auge. Vor zwei Jahren machte die Nachricht die Runde, der australische
Geschäftsmann David Nilsson habe einen 200-Jahre-laufenden Vertrag mit den
Yagua, einem Amazonas-Stamm, unterzeichnet, was ihm einen 50-Prozent-Anteil
den Kohlenstoff-Ressourcen in einem 3 Millionen Hektar großen Waldgebiet auf
Yagua-Territorium garantieren würde. Der Kohlenstoffvertrag selbst hat nur
25 Jahre Gültigkeit, danach seien InvestorInnen eingeladen, den Wald zu
"ernten" und zum Beispiel Palmölplantagen anzulegen - brüstete sich der
Geschäftmann in einer vom australischen Fernsehen veröffentlichten Aufnahme.
Beispiele wie dieses vertiefen die Gegnerschaft indigener Gemeinschaften
gegen REDD, auch in Costa Rica. Hier positionierten sich Mitte Juni
RepräsentantInnen von sechs indigenen Gemeinschaften klar gegen den
angeblichen Schutzmechanismus. Zum Beispiel Ciomara Maroto Sánchez von den
Borucas, einer Gemeinschaft im Süden des Landes: "Der Nationale Waldfonds
FONAFIFO kommt in unsere Gemeinden und verspricht uns Geld, dafür dass wir
Bäume pflanzen. Das hört sich zunächst super an. Dann gibt es eine
Infoveranstaltung und auf der wird die ganze Zeit über die Schrecken des
Klimawandels geredet. Aber das, worum es eigentlich geht, also REDD Plus,
wird in zwei Minuten abgehandelt. Die erklären nichts! Natürlich werden sie
nicht sagen, dass sie unsere Wälder privatisieren wollen. Wir Indígenas
wollen aber keine Globalisierung unserer Wälder!"
Widerstand in Costa Rica und Panama
In Panama haben die indigenen Gruppen im Jahr 2012 die Zusammenarbeit mit
dem nationalen REDD-Programm abgebrochen. Sie werfen der Regierung vor, ihre
Rechte nicht genügend zu respektieren, aber auch, dass viel von dem
versprochenen Geld nie bei ihnen ankomme. Und auf costaricanischer Seite
steigert die äußerst mangelhafte Informationspolitik der Behörden Misstrauen
und Ablehnung gegenüber REDD+. So Filidencio Cubillo, Bribri-Indígena aus
der Region Talamanca, an der südlichen Karibikküste Costa Ricas: "Nach
vielen Treffen und intensivem Austausch mit anderen indigenen Gemeinden
haben wir begriffen, dass dieses Programm eine Bedrohung für uns darstellt.
Unserer Philosophie nach ist die Umwelt unsere Mutter. Wir werden sie
verteidigen, denn sie gibt uns alles und schützt uns. REDD+ widerspricht
unserer Kosmovision und deswegen werden wir gegen dieses Programm kämpfen."
(Markus Plate, voces nuestras / poonal)
Quelle: http://www.npla.de/de/poonal/4747
***************************************************
Der akin-pd ist die elektronische Teilwiedergabe der nichtkommerziellen
Wiener Wochenzeitung 'akin'. Texte im akin-pd muessen aber nicht
wortidentisch mit den in der Papierausgabe veroeffentlichten sein. Nachdruck
von Eigenbeitraegen mit Quellenangabe erbeten. Namentlich gezeichnete
Beitraege stehen in der Verantwortung der VerfasserInnen. Ein Nachdruck von
Texten mit anderem Copyright als dem unseren sagt nichts ueber eine
anderweitige Verfuegungsberechtigung aus. Der akin-pd wird nur als
Abonnement verschickt. Wer versehentlich in den Verteiler geraten ist, kann
den akin-pd per formlosen Mail an akin.buero@gmx.at abbestellen.
*************************************************
'akin - aktuelle informationen'
a-1170 wien, Lobenhauerngasse 35/2
vox: ++43/1/535-62-00
(anrufbeantworter, unberechenbare buerozeiten)
http://akin.mediaweb.at
Blog: https://akinmagazin.wordpress.com/
Facebook: https://www.facebook.com/akin.magazin
Mail: akin.redaktion@gmx.at
Bankverbindung lautend auf: föj/BfS,
Bank Austria, BLZ 12000,
223-102-976-00, Zweck: akin
IBAN AT041200022310297600
BIC: BKAUATWW